Flachdach-Hersteller blicken positiv in die Zukunft
26. Oktober 2023
Das Flachdach hat wieder deutlich an Attraktivität gewonnen, gerade bei Privatkunden. „Wir haben viele Kontakte zu Architekten, die uns rückmelden, dass sie vermehrt Anfragen erhalten“, berichtet Dr.-Ing. Rainer Henseleit, Geschäftsführer des Industrieverbands Dach- und Dichtungsbahnen e.V., kurz vdd. Hier haben sich die Hersteller von Kunststoff- und Bitumenbahnen zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Interessen zu vertreten. Wichtig ist für Henseleit dabei ein Imagewandel. „Dass das Flachdach nicht richtig dicht zu bekommen ist, dieser Tenor gehört der Vergangenheit an.“
Hohe Investitionen in neue Werke zeigen Marktpotential
Was für ein Marktpotenzial das Flachdach besitzt, lässt sich gut am Beispiel der Hersteller Bauder und Soprema zeigen. Auch weitere Akteure der Branche wie etwa Firestone oder Kingspan sind auf Wachstumskurs. Abdichtungs- und Dämmstoffhersteller Soprema feierte Anfang Oktober Richtfest für ein neues, viertes Werk für hochwertige Kunststoffabdichtungsbahnen am Standort Oberroßbach. Der kontinuierliche Ausbau werde laut Pressemeldung von anspruchsvollen Energieeffizienz- und Recyclingprojekten sowie intensiver Arbeit in Forschung und Entwicklung begleitet.
Bauder baut erstes Werk in Frankreich
Bauder hat im Juli sein neues Werk für Kunststoff-Dachbahnen in Schwepnitz eröffnet und investierte dort über 60 Millionen Euro. Ebenfalls im Sommer gab das Stuttgarter Unternehmen den Baustart bekannt für eine neue Produktionsanlage für Flüssigkunststoff am Standort Landsberg, hier werden rund 12,5 Millionen Euro investiert. Und sogar rund 100 Millionen Euro investiert der Hersteller in sein erstes französisches Werk im elsässischen Axioparc, der Wirtschaftszone der Gemeinden Herrlisheim und Drusenheim.
Vorsichtige Einschätzung bei Umsatzzuwächsen
Diese Wachstumsstrategie ist auf den europäischen Markt über Deutschland hinaus ausgerichtet, aber natürlich bleibt für die Hersteller das heimische Geschäft weiterhin im Fokus. Trotzdem ist Rainer Henseleit doch vorsichtig, was Umsatzzuwächse der vdd-Hersteller für 2023 in Deutschland angeht. „Von einem Trend nach oben würde ich noch nicht sprechen.“ Das entspricht auch dem Ausblick, den der Verband in seinem Bericht über die Marktzahlen 2022 gibt.
Dort heißt es: „Der von der Bauindustrie vermeldete Rückgang bei den Auftragseingängen im Hochbau 2022 bei einer gleichzeitig noch guten Auftragslage, auch im Dachdeckerhandwerk, machen Prognosen für den Flachdachmarkt im laufenden Jahr schwierig. Werden die politischen Vorgaben umgesetzt, wird es zu Gebäudeertüchtigungen in Verbindung mit der Installation neuer PV-Anlagen kommen und zu anderen Formen der Dachnutzung für den Klimaschutz. Auch vor diesem Hintergrund blickt die Branche verhalten positiv auf das Jahr 2023.“
Herausforderung 2022: Beschaffung von Rohstoffen
Verhalten ist der Ausblick des vdd sicher auch deshalb, weil die Flachdach-Hersteller 2022 wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine große Herausforderungen bei der Beschaffung von Rohstoffen und aufgrund der hohen Energiepreise zu bewältigen hatten. „Viele Rohstoffe kamen aus Russland, vor allem solche auf Rohölbasis. Inzwischen gibt es eine gewisse Entspannung der Lage. Das Rohöl kommt aus den USA oder Venezuela per Schiff, etwa nach Rostock oder Brunsbüttel.“ Die zeitweise Schiffsblockade des Suez-Kanals habe ebenfalls ihren Teil beigetragen, die Logistik von Rohstoffen zu erschweren.
Rund 160 Millionen Quadratmeter Abdichtungsbahnen ausgeliefert
Was die Hersteller ebenfalls stark beschäftigte, war die Frage der Energieversorgung im Winter 2022. „Wir gehören nicht zu den energieintensiven Industrien, aber wir haben eine heiße Produktion, Kunststoffe und Bitumen müssen für die Verarbeitung auf 200 Grad erhitzt werden.“ Die Hersteller hätten auf Einsparpotenzial beim Energieverbrauch durch eine Modernisierung der Produktion gesetzt. Trotz aller Herausforderungen konnten die Hersteller bahnenförmiger Abdichtungen dafür sorgen, dass das Handwerk arbeitsfähig blieb. Mit 160,8 Millionen Quadratmeter Abdichtungsbahnen konnten die Hersteller den Markt beliefern. Unter Berücksichtigung von Verlegearten sowie Überlappungen und eines Anteils für die Bauwerksabdichtung lässt sich daraus eine Größenordnung von rund 74 Millionen Quadratmetern neu abgedichteter Flachdachflächen im Jahr 2022 errechnen.
PV-Anlagen: Ökologie künftig noch stärker im Fokus
Als positive Faktoren für den Flachdachmarkt sieht vdd-Geschäftsführer Henseleit einerseits das Thema Nachhaltigkeit mit PV-Anlagen und Dachbegrünung und zum anderen die Dachaufstockung im Bestand. „Wir haben von Herstellerseite schon vor Jahren das Thema ‚Leben auf dem Dach‘ auf den Weg gebracht. Die Ökologie werden wir künftig noch stärker in den Fokus nehmen.“ In Deutschland sind laut vdd 1,2 Milliarden Quadratmeter Flachdachfläche vorhanden. Rund 90 Prozent davon sind schätzungsweise aktuell ungenutzt. Dabei werden wegen fortschreitendem Klimawandel und Wohnungsknappheit dringend Flächen gesucht, auf denen nachhaltige Konzepte wie zum Beispiel PV-Anlagen, Begrünung oder Retentionssysteme realisiert werden können. Der vdd ist der Überzeugung, dass das Flachdach bei der Bewältigung der aktuellen Probleme Teil der Lösung sein kann. Alles spreche dafür, dass die Dachform der Zukunft flach ist.
Dachaufstockung in modularer Holzbauweise mit Flachdach
Auch bei der Dachaufstockung sieht Rainer Henseleit Potenzial. „Hier halten wir eine modulare Holzbauweise mit einem Flachdach für sinnvoll. Vorgefertigte Holz-Leichtbaukonstruktionen sind schnell umsetzbar und kostengünstig, sie eignen sich gut für Mehrfamilienhäuser.“ Zwei Beispiele, wie das funktionieren könnte, gibt es in Frankfurt. So wurden in der Fritz-Kissel-Siedlung 14 zum Teil unterschiedliche Wohnhaustypen der Nassauischen Heimstätte mit einem bis zwei weiteren Stockwerken in Holzmodulbauweise aufgestockt. Diese Maßnahme schaffte zusätzlichen, bezahlbaren Wohnraum für rund 240 Bewohner. Und in der Platensiedlung wurden 19 Riegelbauten mit zwei weiteren Stockwerken in Holzmodulbauweise aufgestockt. Diese Maßnahme schaffte 380 neue Wohnungen in nur einem Jahr.
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