„Der ZVDH steht vor einem berufspolitischen Dreikampf“
Dirk Bollwerk gibt ein Interview zur Fachkräftesicherung mit all ihren Facetten als zentrale Zukunftsaufgabe.

„Der ZVDH steht vor einem berufspolitischen Dreikampf“

15. Juni 2018

 · Knut Köstergarten

DACH\LIVE : Sie haben zum Start Ihrer ZVDH-Präsidentschaft eine Tour durch die Landesverbände gemacht, warum?

Bollwerk: Ich wollte Präsenz zeigen und die Nase in den Wind halten. Es geht mir darum, mich den Innungen vorzustellen und in persönlichen Kontakt mit unseren Mitgliedern zu kommen. Und beim Reisen habe ich natürlich schnell gemerkt, dass sich mein Aktionsradius als ZVDH-Präsident enorm vergrößert hat. Mal eben in den tiefen Norden nach Schleswig-Holstein fahren, das ist schon was (lacht…). Aber im Ernst: Ich habe für meine weitere Arbeit einen ganzen Blumenstrauß an Themen mitgenommen aus den Regionen. Und auch die wichtige Erkenntnis, dass das Thema Fachkräfte absolut zentral ist.

DACH\LIVE : Könnten Sie das weiter ausführen?

Bollwerk: Ich sehe hier für den ZVDH einen berufspolitischen Dreikampf. Dazu gehört zum einen die Nachwuchswerbung und die Bindung der Junggesellen an die Betriebe. Zum zweiten gilt es, die aktiven Gesellen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren so gesund wie möglich zu halten, Stichwort Arbeitssicherheit. Und das dritte Themenfeld ist hier der Übergang in die Rente zwischen 50 und 65 Jahren mit Modellen, die es erfahrenen Mitarbeitern ermöglichen, schrittweise in den Ruhestand zu gehen.

DACH\LIVE : Stichwort Nachwuchswerbung, sollten da die Landesverbände nicht mehr kooperieren?

Bollwerk: Meine Antwort ist Jein. Einerseits macht es Sinn, regional auf spezifische Art zu werben, so wie die Berliner mit ihrer Plakataktion in der U-Bahn oder die Hamburger, die den Slogan DACHDECKER IN HAMBURCH statt SEEFAHRER WEIT WECH geprägt haben. Das ist wichtig, um vor Ort Jugendliche anzusprechen und sollte auch so bleiben. Auf der anderen Seite lassen sich sicher Synergien gewinnen, wenn Aktionen und Projekte geteilt werden und es einen regelmäßigen Austausch gibt. Ich halte da einen runden Tisch für richtig.

DACH\LIVE : Stichwort Arbeitssicherheit, warum ist das ein Schwerpunkt auf der Messe DACH+HOLZ?

Bollwerk: Weil wir immer noch zu viele Unfälle auf dem Dach haben. Auf der DACH+HOLZ  gab es einen richtigen Parcours zum Testen. Etwa beim Thema Anschlagpunkte für Hölzer: da konnten die Leute anfassen und selber ausprobieren. Das sind dann nicht nur Bilder, sondern es wird wirklich nachvollziehbar. Es ist wichtig, dass dieses Thema in den Betrieben vertieft und gelebt wird.

DACH\LIVE : Weshalb kooperiert der ZVDH beim Thema Arbeitssicherheit mit den Zimmerern?

Bollwerk: Die Kooperation mit Zimmerern macht generell Sinn, weil sich die Arbeit der Gewerke immer mehr überschneidet. Und wir richten ja auch gemeinsam die Messe DACH+HOLZ aus. Arbeitssicherheit ist für beide Gewerke ein zentrales Thema. Und damit das Ganze wirklich Fahrt aufnimmt, haben wir die BG Bau als Partner mit ins Boot genommen.

DACH\LIVE : Das Thema Betriebsrente ist wieder auf der politischen Agenda. Öffnet das Türen für Dachdecker in Richtung Altersteilzeitmodelle?

Bollwerk: Diese Diskussionen und Initiativen in der Politik sind gut, etwa die Neuregelungen zur Betriebsrente, um diese attraktiver zu machen. Aber etwa die Flexirente setzt für Dachdecker deutlich zu spät an, erst bei 60 Jahren. Wir brauchen Lösungen, die der Realität auf den Baustellen Rechnung tragen. Viele Mitarbeiter sind ab Mitte 50 den körperlichen Belastungen nicht mehr gewachsen. Doch es sind gute Leute mit viel Erfahrung. Die Chefs kennen sie lange und vertrauen ihnen.

Gerade in Zeiten des demografischen Wandels, aber auch im Sinne der Attraktivität des Berufsbildes, müssen wir als ZVDH Modelle entwickeln, die einen stufenweisen Weg in die Rente statt   Hartz IV ermöglichen. Das nützt allen Beteiligten.

DACH\LIVE : Stichwort politische Agenda, Digitalisierung ist ein weiteres Top-Thema oder?

Bollwerk: Die Digitalisierung zeigt sich ja schon heute in fast allen Bereichen des Betriebsalltags. In unserem Lenkungskreis Digitalisierung ist unser ZVDH-Vizepräsident Michael Zimmermann genau der Richtige, um das Thema in allen Facetten voranzubringen. Er versteht und lebt das Thema und bringt die Digitalisierung auch im eigenen Betrieb voran.

DACH\LIVE : Was erwarten Sie sich generell von der Politik?

Bollwerk: Was mir besonders am Herzen liegt, ist eine Steigerung der Attraktivität des Handwerks. Da sind wir wieder beim Thema Fachkräfte. Wir wollen als ZVDH die berufliche Bildung höherwertiger machen und damit gleichwertiger gegenüber dem Studium. Ein wichtiger Baustein ist das Berufsabitur mit vier Jahren Ausbildung. Am Ende stehen Gesellenbrief und Abitur. Hier gilt es allerdings mehr die Bundesländer zu überzeugen, denn Bildung ist Ländersache.

DACH\LIVE : Wie lief die Übergabe mit Ihrem Vorgänger Karl-Heinz Schneider?

Bollwerk: Er ist ja noch Vizepräsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) und in dieser Funktion viel in Berlin. Er hat mich wunderbar eingeführt. Kontakte und Netzwerke sind wichtig für die Lobbyarbeit. Da hilft es, wenn er mir den einen oder anderen auf Veranstaltungen persönlich vorstellt. Auch unser professionelles ZVDH-Team unterstützt mich in allen Bereichen.

DACH\LIVE : Zum Schluss, was hat sich als ZVDH-Präsident verändert gegenüber Ihrem vorherigen Job als Landesinnungsmeister?

Bollwerk: Politische Lobbyarbeit hat mir immer schon Spaß gemacht, jetzt sind die Dimensionen andere in Berlin als in Nordrhein. Vorher war es ein kleiner, heute ist es ein großer Strauß. Meine Arbeit ist vielfältiger geworden. Ein Beispiel wäre der internationale Blickwinkel.

Wir denken in Deutschland gerne, dass wir weit vorne sind als Dachdecker. Und danach kommt irgendwann der Rest der Welt. Ich war beim IFD-Award, den Weltmeisterschaften für Dachdecker. Da gab es großartige Projektbeiträge, etwa aus Ungarn, Litauen oder China. Da habe ich gelernt: Andere können auch richtig was!

Das Pendant von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk bei den Zimmerern ist Peter Aigner. Lesen Sie hier, warum er steuerliche Anreizen für nachhaltiges Bauen fordert.

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