Ziegelindustrie kämpft mit starkem Auftragsrückgang
26. September 2023
Die Ziegelindustrie ist bereits im Juni angesichts der schwierigen Lage in die Offensive gegangen. „Die wirtschaftliche und politische Gesamtsituation hat das Potenzial zum perfekten Sturm“, erklärte ihr Präsident Stefan Jungk auf der Jahrestagung 2023 in Weimar. „Auftragsrückgänge um bis zu 40 Prozent, Produktionsstopps und drohende Kurzarbeit kennzeichnen das erste Halbjahr. Nachdem die Krise 2022 in der Branche noch nicht voll ankam und sogar ein Produktionswachstum von bis zu 15 Prozent erlaubte, stellt uns die Gemengelage aus Auftragsrückgängen, Rekordinflation, hohen Energiekosten, politischem Förderchaos und zusammenbrechender Baukonjunktur vor erhebliche Herausforderungen.“
Vermehrte Kurzarbeit in der Ziegelindustrie
Dieser schonungslosen Analyse stimmt auch David Ostendorf, technischer Geschäftsführer beim Bundesverband der Ziegelindustrie, drei Monate später im Interview zu. Wobei die Lage bei den Dachziegelherstellern trotz vermehrter Kurzarbeit, wie zuletzt von Creaton in der FAZ für alle Werke bestätigt, noch besser ist als im Bereich Mauerwerk. „Bei Dachziegeln geht es in der Sanierung weiter, natürlich auch bei Reparaturen oder Unwetterschäden wie Sturm“, so Ostendorf. Die Produktion bei Dachziegeln werde zwar reduziert, laufe aber vielfach, auch wenn Revisionen vorgezogen würden.
Verlässliche Rahmenbedingungen für Förderung
Wie der Lage zu begegnen ist? „Politisch braucht es endlich ein Bekenntnis zur Lösung der sozialen Frage. Bezahlbares Wohnen und ein klimaneutraler Gebäudebestand werden ohne erhebliche Investitionen der öffentlichen Hand nicht zu erreichen sein. Bauherren, Bauschaffende und nicht zuletzt die Baustoffindustrie brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit“, fordert Präsident Jungk. „Es müsse mehr gebaut werden“, meint David Ostendorf. „Es wird ja etwa in Berlin auch angefangen, Wohnungsbau auf städtischen Brachflächen zu entwickeln. Doch dafür braucht es verlässliche Rahmenbedingungen für die Förderung. Diese Budgets müssen auskömmlich ausgestaltet werden. Alles andere schafft Verunsicherung.“
Potenzial in der energetischen Sanierung
Viel Potenzial sieht Ostendorf im Bereich der energetischen Sanierung. „Doch auch dort gibt es aktuell Zurückhaltung wegen steigender Kosten, wenn auch nicht so stark wie im Neubau.“ Oder der Bereich Dachaufstockung von Bestandsbauten, wie in Berlin oftmals mit Steildach. Ostendorf stellt in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage, ob es noch zeitgemäß sei, dafür Stellplätze für Autos nachweisen zu müssen, wie es die Bauordnungen vorsehen. Gerade in Zeiten von neuen Konzepten zur Mobilität in Zeiten des Klimawandels.
Oder das Beispiel zweiter Fluchtweg bei Dachaufstockung. Da muss es aufgrund geänderter Aufstellbedingungen der Feuerwehr dann eine außen angebrachte zusätzliche Stahltreppe geben, was die Kosten weiter erhöht. Eine Auflage in Sachen Brandschutz, die in Städten wie Berlin rund 25 Prozent Dachaufstockungen direkt verhindern würde, erläutert Ostendorf.
Roadmap für Treibhausgasneutralität
Die eigenen Hausaufgaben auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion gehen die Ziegelhersteller bereits seit vielen Jahren entschlossen an. „Wir haben eine Roadmap zur Treibhausgasneutralität“, so Ostendorf und gibt ein Beispiel: „Einige Dachziegel-Hersteller wie Jacobi-Walther oder GIMA sind in Vorbereitung für eine eigene Windkraftanlage und die Firma Wienerberger baut gerade eine Test-Fertigung allein auf Strom-Basis.“
Für den Ziegelverband steht das Thema Nachhaltigkeit im Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Lobbyarbeit. „Als natürlicher, regionaler Baustoff mit kurzen Transportwegen und hervorragendem Recycling-Potenzial erfüllt der Ziegel die Anforderungen an Nachhaltigkeit wie kaum ein anderer Baustoff“, erklärt Präsident Jungk. „Das müssen wir vor allem den politischen Mandatsträgern noch stärker klarmachen. Wir werden nicht müde darin, von der Politik das Bekenntnis zur Technologieoffenheit einzufordern. Jede Form der einseitigen politischen Bevorzugung eines Baustoffs lehnen wir entschieden ab.“
Gute Chancen im Bereich Photovoltaik
Gute Chancen für die Dachziegelhersteller sieht David Ostendorf im Bereich Photovoltaik, wo der Verband eng mit dem Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks am neuen Regelwerk für die fachgerechte Installation arbeitet. Dort sitzen auch die Solateure mit am Tisch, die hier in die Pflicht genommen werden sollen für einen sicheren Schutz der Dachhaut. „Unsere Hersteller haben auch Solarziegel und Indach-PV-Lösungen längst im Sortiment. Gerade die Solarziegel halten wir für ein echtes Zukunftsfeld. „Da gibt es Steckverbindungen, so braucht es auf dem Dach keinen weiteren Handwerker. Und auch im Reparaturfall gibt es hier keine Probleme“, erläutert Ostendorf.
Kirchendächer nutzen für die Energiewende
Er nennt auch ein Beispiel für das große Potenzial – die Kirchendächer. Die Kirche habe sich ja mit einem eigenen Klimaschutzgesetz verpflichtet, in Sachen CO2-Minderung voranzuschreiten. „Warum soll nicht auf einem schwarzen Kirchendach ein Solarziegel verlegt werden? Auch andere Farbtöne sind bereits möglich.“ Ostendorf empfiehlt hier einfach mal einen Schritt voranzugehen und etwa den Denkmalschutz etwas flexibler auszulegen. Innovative Wege braucht es wohl, wenn die Energiewende vorankommen soll. Und es braucht die Dächer, ob dort jetzt Indach-PV, Solarziegel oder Aufdachanlagen installiert werden.
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