Der eigene Weg: Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal
Bild von Anna-Lisa Tiefenthal auf dem Steildach

Der eigene Weg: Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal

4. Juli 2023

 · Anja Streiter

Es geht auch ohne sehr gute Schulnoten in Mathe oder große Freude an diesem oft ungeliebten Schulfach. Die Leidenschaft für Zahlen und die Fähigkeit, komplexe Dinge auszurechnen kann sich später, unter besseren Umständen, noch entwickeln und ungeahnte Wege eröffnen. Das ist die Erfahrung der studierten Betriebswirtin und Industriekauffrau Anna-Lisa Tiefenthal (28), die im Mai 2023 erfolgreich ihre Meisterprüfung als Dachdeckerin absolviert hat. Die Tochter von Dachdecker und Betriebsgründer Markus Tiefenthal (56) hatte ursprünglich gar nicht vor, als Handwerkerin Karriere zu machen. Es war ihre Leidenschaft für das Controlling, die sie aufs Dach führte. 

Bild von Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal mit Familie und Meisterbrief
Von links: Lebensgefährte, Bruder und die Eltern sind stolz auf die frisch gebackene Meisterin. (Alle Fotos: Tiefenthal Bedachungen)

Nach der Schule ein duales Studium absolviert

Als Anna-Lisa noch zur Schule ging, arbeiteten im Familienbetrieb Tiefenthal Bedachungen GmbH und Co. KG in Steinen im Westerwald, Mitgliedsbetrieb der DEG Alles für das Dach eG, neben dem Vater schon der ältere Bruder Tobias (33) als Dachdeckergeselle. Mutter Alexandra (54) regelte die kaufmännischen Dinge im Büro. Anna-Lisa Tiefenthal sollte studieren und ihren Weg erstmal außerhalb des Betriebes gehen. Nach dem Abitur 2014 entschied sie sich für ein duales Studium: Business Administration in Koblenz kombiniert mit einer Lehre als Industriekauffrau. 

Leidenschaft fürs Controlling 

„In der Schule haben mich die Fragestellungen im Matheunterricht nicht erreicht. Das war zu abstrakt, zu unternehmensfern. Aber im dualen Studium habe ich meine Zahlenaffinität so richtig entdeckt und eine Leidenschaft für das Controlling entwickelt. Die Vorlesung dazu hat mir sehr gefallen und auch in der Lehre als Industriekauffrau beim Hersteller Rathscheck Schiefer in Mayen hatte ich meine Freude an diesem Bereich“, erinnert sich Anna-Lisa Tiefenthal.

Bild von Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal im Büro
Gut mit Zahlen im Controlling und beim Dachausmitteln: Anna-Lisa Tiefenthal

Exakte Kalkulation braucht praktische Erfahrung

Als sich nach den ersten positiven Berufserfahrungen nicht direkt eine passende Stelle im Controlling finden ließ, arbeitet die Betriebswirtin und Industriekauffrau übergangsweise im Familienunternehmen Tiefenthal. Doch für ein gutes Controlling im Dachdeckerbetrieb fehlten ihr Kennzahlen aus der Praxis. „Für die exakte Kalkulation waren Zeitwerte nötig und um die zu bekommen, brauchte ich praktische Erfahrung. Also bin ich immer mal wieder mit auf die Baustellen und aufs Dach, zuerst nur zum Aufräumen und Handreichen“, berichtet Anna-Lisa Tiefenthal. „Die Arbeit im Team, und dass man sieht, was man geschafft hat: Beides hat mir dann so viel Spaß gemacht, dass ich mich 2019 entschieden habe, die Lehre zu machen.“ 

Bild von Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal
Genaues Arbeiten ist auch an einer Dachrinne gefragt.

Gemeinsame Entscheidungen in Familie und Klassenverband 

Schon 2021 hielt Anna-Lisa Tiefenthal den Gesellenbrief in der Hand. Die verkürzte Dachdeckerausbildung machte sie im Familienbetrieb. „Dort kannten mich alle schon gut und ich wurde in der Rolle des Lehrlings gut aufgenommen und begleitet.“ In Gesprächen mit der Familie und mit Klassenkameraden aus der Lehrzeit fiel die Entscheidung, 2022/23 den Vollzeit-Meisterkurs am BBZ Mayen zu besuchen. „Die Klassenkameraden und ich, wir kamen alle aus dem Westerwald und haben uns entschlossen, das gemeinsam anzugehen. Wir bildeten eine Fahrgemeinschaft und sind täglich die 45 Minuten hin- und zurückgefahren. Dabei konnten wir uns abwechseln. Das war gut, denn wir waren abends doch ziemlich müde“, erinnert sich Anna-Lisa Tiefenthal.

Anders als im Büro ist das Tagwerk auf dem Dach immer gut zu sehen.

Intensiv, anstrengend und schön: die Meisterschule in Mayen

Hinter Anna-Lisa Tiefenthal liegen anstrengende, intensive und, wie sie betont, schöne neun Monate in der Vollzeit-Meisterschule. Neben einer anderen Gesellin war sie unter über hundert Dachdecker-Meisterschülern die einzige Frau. Sie fühlte sich voll akzeptiert und gleichgestellt. „Es sind in dieser Zeit gute Freundschaften entstanden, auch wenn die ganzen Klausuren und Prüfungen ziemlich herausfordernd waren“, erinnert sich die frisch gebackene Meisterin. „Ich habe das anfangs etwas unterschätzt. Ich dachte durch das Studium schon gut auf Prüfungslernen und eigenständiges Erarbeiten von Stoff vorbereitet zu sein. Aber auch für mich waren die Prüfungen und das Pensum anspruchsvoll.“ 

Bild von Meisterstück von Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal
Meisterliche praktische Prüfung: Eingebundene Biberschwanzkehle, drei Ziegel breite Doppeldeckung.

Drittbeste bei den Prüfungen

„Wir hatten die letzten Wochen durchgehend parallel Unterricht in der Meisterschule und wechselnd praktische und theoretische Prüfungen,“ erinnert sich Tiefenthal. Sie absolvierte in den neun Monaten nicht nur alle vier Teile des Meisterkurses, sondern auch die in Mayen speziell angebotene und parallel unterrichtete Zusatzausbildung „Fachleiter/in für Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik“. Sie hat die beiden Prüfungen als Drittbeste abgeschlossen.

Besondere Auszeichnung für exzellente Prüfungen: Anna-Lisa Tiefenthal unter den jungen Klempner- und Dachdecker-Meistern und -Meisterinnen mit Bestnoten aus den Kursen 2022 und 2023. (Foto: Michael Jordan)

Ehrenamtliches Engagement bei „Zukunft Dachdecker“

Wenn Anna-Lisa Tiefenthal etwas macht, dann mit vollem Engagement. Zu Beginn ihrer Lehrzeit Ende 2019 wurde sie ehrenamtliche Botschafterin in der Jugendorganisation des Landesinnungsverbandes des Dachdeckerhandwerks Rheinland-Pfalz, Zukunft Dachdecker. Gemeinsam mit anderen engagierten Mitgliedern wirbt sie auf Ausbildungsmessen und in Schulen für den Beruf. „Wir sprechen mit Schülern und Schülerinnen und bringen ihnen das Handwerk näher. Wir haben Virtual-Reality-Brillen dabei. Die jungen Leute stehen dann gefühlt auf dem Dach und können virtuell die Arbeit erleben. Alternativ können sie ganz traditionell Schieferherzen hauen, was ihnen auch Spaß macht.“  

Bild von Dachdeckermeisterin Anna-Lisa Tiefenthal auf dem Flachdach
Umgang mit dem Dachschweißautomaten? Kein Problem für die Dachdeckermeisterin. Anna-Lisa Tiefenthal auf einer Baustelle.

Generationenwechsel im Familienbetrieb

Im heimischen Unternehmen ist Anna-Lisa Tiefenthal jetzt unter den zehn Beschäftigten die einzige Meisterin. Ihr Vater gründete und führt den Betrieb über die Altgesellenregelung. Bruder Tobias Tiefenthal ist bereits stark in die praktische Ausbildung der Azubis und die Leitung der Baustellen involviert. In Zukunft werden Anna-Lisa Tiefenthal und ihr Bruder nach und nach mehr Zuständigkeiten bekommen und schließlich dann den Betrieb gemeinsam führen.

Bild von Firmengebäude Tiefenthal
2021 wurde ein neuer Betriebssitz in Steinen gebaut und der Betrieb mit der Fertigstellung des Gebäudes von Schenkelberg 2022 dorthin verlegt.

Urlaub verdient

Die junge Meisterin hat nach der Meisterfeier gleich die Arbeit im Betrieb wieder aufgenommen. Doch demnächst ist Zeit zur Erholung unbedingt nötig. „Die Spannung der Prüfungszeit fällt langsam ab und ich atme durch. Ich merke erst jetzt, dass ich platt bin. Am Wochenende bin ich zu müde, um auszugehen“, sagt Anna-Lisa Tiefenthal. Weil man sich bei Tiefenthal Bedachungen um das Wohlergehen der Mitarbeitenden kümmert, haben alle ihren Urlaubsplänen zugestimmt. Für Anna-Lisa und ihren Lebensgefährten geht es im August für zehn Tage ans Mittelmeer.

Sie interessieren sich für unsere Rubrik Dachdecker oder Zimmerer werden? Dann lesen Sie unsere Story über Pascal Frauendorf, den deutschen Meister der Zimmerer.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Dachdecker werden

Erst Miss Handwerk und bald Meisterin mit eigenem Dachdecker-Betrieb

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

A. Ewald Kreuzer wird Ehren-Landesinnungsmeister der bayerischen Dachdecker

Nach Abschluss der Neuwahlen der Vorstandschaft auf dem jüngsten Landesverbandstag der bayerischen Dachdecker stellte der neu gewählte Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf den Antrag, A. Ewald Kreuzer für seine herausragenden Verdienste während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit als Landesinnungsmeister zum Ehren-Landesinnungsmeister zu ernennen. Kunzendorf bekräftigte die Aussage von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, dass mit der Zeit von Kreuzer als Landesinnungsmeister eine „Ära“ zu Ende gehe und ergänzte, dass dieser Begriff selten treffender hätte sein können.

18. Juli 2024

ifo Institut erhöht Prognose auf 0,4 Prozent Wirtschaftswachstum für 2024

Das ifo Institut hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 0,4 Prozent heraufgesetzt, von 0,2 Prozent bislang. Im kommenden Jahr dürfte es sich beschleunigen auf 1,5 Prozent. „Es entsteht gerade neue Hoffnung“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich langsam aus der Krise. Das zweite Halbjahr 2024 dürfte deutlich besser ausfallen als das erste.“ Gleichzeitig wird die Inflation abflauen, von 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent in diesem und auf nur noch 1,7 Prozent im kommenden Jahr.  

20. Juni 2024

17 Prozent weniger Baugenehmigungen im April 2024 als im Vorjahr

Im April 2024 wurde in Deutschland der Bau von 17 600 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 17 Prozent oder 3600 Baugenehmigungen weniger als im April 2023. Im Vergleich zum April 2022 sank die Zahl der Baugenehmigungen sogar um 43,5 Prozent oder 13 500 Wohnungen. Von Januar bis April 2024 wurden 71 100 Wohnungen genehmigt. Das waren 21 Prozent oder 18 900 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. „Deutschlands Wohnungsnot verschärft sich weiter. Was heute nicht genehmigt wird, können wir morgen nicht bauen und wird den Mieterinnen und Mietern am Markt fehlen“, erklärt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.

18. Juni 2024

Bundesweite Zoll-Razzia gegen Ring von Dachdecker-Betrügern

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ist mit einer Großrazzia unter anderem im Raum Osnabrück und Leer gegen ein illegales Netzwerk sogenannter fliegender Dachdecker vorgegangen. Bei den Ermittlungen gegen Dachdecker-Betrüger geht es unter anderem um den Vorwurf Schwarzarbeit. Laut Staatsanwaltschaft Osnabrück vollstreckten in einer Razzia 590 Zollbeamte mehr als hundert Durchsuchungsbeschlüsse in Niedersachsen, Hamburg und Berlin. Außerdem unterstützten Spezialkräfte der Polizei die Durchsuchungen von Wohnungen und Gebäuden. Es wurden laut Staatsanwaltschaft Arrestbeschlüsse in Höhe von mehr als 800 000 Euro erwirkt. Es seien deshalb umfangreiche Vermögenswerte in bar sichergestellt worden.

4. Juni 2024

Auftragseingang im Bauhauptgewerbe steigt im Februar 2024 erstmals wieder an

Der reale, also preisbereinigte Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Februar 2024 gegenüber Januar 2024 kalender- und saisonbereinigt um 1,8 Prozent gestiegen. Das gilt auch für die Umsätze, die sich sogar um 2 Prozent erhöhten. Der Auftragseingang nahm im Hochbau um 0,5 und im Tiefbau um 2,9 Prozent zu. Auch gegenüber dem Februar 2023 gibt es eine Steigerung um 0,9 Prozent.

25. April 2024

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024

Beschäftigung auf Rekordniveau: Arbeitsmarkt zeigt sich 2023 widerstandsfähig

Im Dezember 2023 waren rund 2,6 Millionen Menschen arbeitslos. Im Vergleich zum November stieg die Arbeitslosenquote saisonbedingt um 0,1 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Staatssekretärin Leonie Gebers, Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Erfreulich ist, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 35,1 Millionen im Oktober erneut einen Höchststand erreicht hat und die Nachfrage nach neuen MitarbeiterInnen im Dezember trotz weiterhin schwacher Konjunktur wieder leicht gestiegen ist. Der Arbeitsmarkt erweist sich als verlässlich und widerstandsfähig.“

8. Januar 2024

Dachdecker gilt als am wenigsten durch Künstliche Intelligenz gefährdeter Beruf

Die meisten Büroberufe halten viele Menschen nach einer repräsentativen Umfrage der Marktforscher von YouGov für akut gefährdet, durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt zu werden. Besser sind die Zukunftsaussichten für die handwerklich geprägten Berufe, bei denen sich die menschliche Komponente nur sehr schwer ersetzen lässt. Den Beruf des Schreiners halten 64 Prozent der Befragten für wenig oder gar nicht gefährdet, 65 Prozent den Beruf Maler und für den Beruf Dachdecker sehen gar 71 Prozent der Befragten wenig oder gar keine Gefahr.

21. Dezember 2023