
Hannah Kistermann: Dachdeckerin mit Vorbildcharakter
8. April 2025
Hannah Kistermann aus Würselen ist erst 20 Jahre alt, aber schon eine feste Größe im Dachdeckerhandwerk. Als eine der wenigen Frauen in diesem traditionell männlich geprägten Handwerk setzt sie nicht nur im Betrieb Hilgers Bedachungen ihres Vaters Roy Kistermann Akzente, sondern engagiert sich auch aktiv für den Berufsnachwuchs – online und offline. Auf Instagram und TikTok erreicht sie tausende Menschen und inspiriert insbesondere junge Frauen dazu, sich für das Handwerk zu begeistern.
Abitur abgebrochen für Dachdeckerlehre
Schon früh lernte Hannah Kistermann die Arbeit auf Baustellen kennen. Ihr Vater nahm sie als Kind oft mit aufs Dach. Dabei hatte sie ursprünglich einen anderen Berufswunsch. „Ich wollte immer etwas im medizinischen Bereich machen“, erzählt sie. Doch der Wunsch nach Unabhängigkeit und die wachsende Freude an praktischer Arbeit führten sie noch auf dem Wirtschaftsgymnasium schließlich zu einem Entschluss. Sie brach das Abitur nach einem Jahr ab und begann eine Ausbildung zur Dachdeckerin. „Warum sollte ich keine Lehre machen? Ich habe gemerkt, dass mir das Handwerk liegt. Ich liebe die Arbeit an der frischen Luft und das Teamgefühl auf der Baustelle.“ Heute arbeitet Hannah Kistermann fest im Team ihres Vaters und fühlt sich in ihrer Entscheidung bestätigt.

Frauenpower auf dem Dach
Hannah Kistermann ist nicht die einzige Frau im Betrieb: Ihre jüngere Schwester arbeitet bereits neben der Schule als Helferin mit. Wenn die beiden gemeinsam auf einer Baustelle auftauchen, sorgt das oft für erstaunte Gesichter. „Die Kunden fragen dann: ‚Wo ist denn der Kollege?‘ Aber wenn sie sehen, wie wir arbeiten, ist das schnell vergessen.“ Sie setzt auf selbstbewusstes Auftreten und ihr handwerkliches Können, um sich Respekt zu verschaffen. Besonders wichtig ist ihr, sich nicht von Vorurteilen beeinflussen zu lassen. „Man muss sich beweisen, aber das gilt für alle, nicht nur für Frauen“, sagt der Dachdeckerin.
Umdenken in der Branche fördern
Dennoch gibt es immer wieder Momente, in denen sie mit den traditionellen Strukturen des Handwerks konfrontiert wird, zum Beispiel im Umgang mit älteren Kunden oder auf Baustellen mit fremden Teams. Doch mit jeder Herausforderung, die sie meistert, beweist sie, dass Frauen im Handwerk genauso kompetent sind wie ihre männlichen Kollegen. Hannah Kistermann sieht ihre Rolle auch als Chance, ein Umdenken in der Branche zu fördern. „Je mehr Frauen auf den Baustellen sichtbar sind, desto selbstverständlicher wird es.“ Diese Überzeugung teilt sie mit anderen Handwerkerinnen in Netzwerken wie den Dachdeckermädelz, wo sie sich regelmäßig austauschen und gegenseitig unterstützen.

Leidenschaft für den Dachdeckerberuf
Was sie an ihrem Beruf besonders liebt? „Die Arbeit unter freiem Himmel und das Gefühl, etwas Beständiges zu schaffen.“ Ein fertiges Dach ist für sie mehr als nur eine Bauleistung – es ist ein bleibendes Werk. „Ich fahre oft mit meinem Vater durch die Stadt und er zeigt mir die Dächer, die er vor Jahren gedeckt hat. Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, dass meine Arbeit Bestand haben wird.“ Der Beruf ist zwar körperlich anstrengend, aber das sieht Hannah Kistermann nicht als Hindernis. Moderne Technik wie Kräne und Hebebühnen erleichtern viele Aufgaben und im Team achten alle Mitarbeiter aufeinander. „Schwere Bleirollen oder Bitumenbahnen muss ich nicht alleine tragen, da helfen mir die Kollegen. Es geht darum, umsichtig und effizient zu arbeiten“, erläutert Hannah Kistermann.

Engagement in der Nachwuchsförderung
Neben ihrer Arbeit engagiert sich Hannah Kistermann für den Berufsnachwuchs. Sie besucht Schulen, um Jugendlichen das Dachdeckerhandwerk näher zu bringen und ist Mitglied im neuen Ausschuss für Nachwuchsgewinnung des Dachdeckerverbandes Nordrhein. Zuletzt diskutierte sie auf dem Dachdeckertag des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks Ende März in Dresden auf einem Podium über das Thema Nachwuchsgewinnung.

Ihre Überzeugung ist: „Wenn wir mehr junge Menschen für das Handwerk begeistern wollen, müssen wir sie dort erreichen, wo sie sich aufhalten – in den sozialen Medien.“ Auf Instagram und TikTok gibt sie authentische Einblicke in ihren Arbeitsalltag und informiert die Follower über die vielfältigen Möglichkeiten im Dachdeckerhandwerk. Gerne beantwortet sie dort auch Fragen von Interessierten, sei es zur Ausbildung oder zu den Herausforderungen als Frau im Handwerk.

Zukunftspläne: Meister machen und neue Erfahrungen sammeln
Hannah Kistermann weiß, was sie will. Im August beginnt sie die Meisterschule am BBZ Mayen, die sie, wenn alles klappt, in neun Monaten abschließen wird. Danach will sie nicht gleich in den Betrieb ihres Vaters zurückkehren, sondern zunächst in anderen Unternehmen arbeiten, um neue Erfahrungen zu sammeln. Dabei ist es ihr besonders wichtig, verschiedene Arbeitsweisen kennenzulernen und ihre handwerklichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Ob auf dem Dach, in der Nachwuchsförderung oder bald als Meisterin: Hannah Kistermann zeigt, dass Frauen im Handwerk nicht nur willkommen sind, sondern die Branche aktiv mitgestalten können.
Sie interessieren sich für Lebensläufe von DachdeckerInnen? Dann lesen Sie unsere Story über Felix Thiele, der über vier Jahre auf der Walz und dabei auch in Afrika, Südamerika und Japan unterwegs war.
Artikel jetzt teilen!
BBZ MayenDachdeckerinDachdeckerlehreFrauenpowerNachwuchsförderung