Jana Siedle ist eine Top-Dachdeckerin und ein Multitalent
7. November 2024
Direkt nach der Ausbildung begann der Trubel um ihre Person. Jana Siedle gewann 2022 den Leistungswettbewerb German Craft Skills der Dachdecker. Eine Frau als Beste in einer Männerdomäne, das lockte zahlreiche Medien in ihren Lehrbetrieb. Doch die Gefahr, dass sie abheben könnte, die besteht nicht. Jana Siedle wirkt im Gespräch sehr geerdet. Sie ist eine Frau, die beharrlich und voller Energie ihre Ziele verfolgt und dabei auch ungewöhnliche Wege erprobt.
Beim Girls‘Day zum ersten Mal aufs Dach
Doch der Reihe nach. Ungewöhnlich war schon ihre Berufswahl. Jana Siedle kommt aus einer Familie, in der vor ihr noch keiner im Handwerk arbeitete. „Ich habe den Girls’Day beim Betrieb Braun und Heine verbracht. Das war ein lustiger Tag mit dem Team an der frischen Luft.“ Es war ein erster Kontakt zum Dachdeckerhandwerk. Doch im Berufspraktikum in der zehnten Klasse auf dem Gymnasium wählte sie Pferdewirtin mit der Idee, ihr Hobby zum Beruf zu machen. „Das hat Spaß gemacht, ja, aber den ganzen Tag mit Pferden arbeiten, nein“, berichtet Jana Siedle. Sie erinnerte sich an den Girls’Day bei Braun und Heine und absolvierte dort ein zweites Praktikum. „Das hat mir wirklich Freude bereitet.“ Jana Siedle blieb dran, verdiente sich danach in den Ferien Geld auf den Dachbaustellen des Betriebs.
„Du schwärmst ja so für den Beruf Dachdecker“
In der elften Klasse fragte sie sich dann ernsthaft, was sie nach dem Abitur beruflich machen will. „Auf der Baustelle, das kann es doch nicht sein, Jana“, erinnert die junge Frau sich an damalige Zweifel. „Ich habe viele Gespräche mit Freunden und den Eltern geführt“, so Jana Siedle. Ihre Mutter sagte ihr: Du schwärmst ja so für den Beruf Dachdecker. Dann musst du das auch tun. Der Chef von Braun und Heine nahm Jana Siedle mit zu einem Energieberater und Statiker. „Da habe ich weitere Optionen gesehen. Nach und nach wurde es greifbarer mit der Ausbildung, denn in einem Studium sah ich mich nicht.“
Viele Materialien – viel Abwechslung
Als Dachdeckerin kann sie viel machen. „Es gibt so viele Materialien, wie etwa Metall oder Holz. Es gib Abwechslung und immer wieder neue Produkte. Wir haben im Ländle die PV-Pflicht. Da gibt es Indach PV oder komplette Solardächer. Spannend sind auch die Gründächer statt Ziegeln auf dem Steildach oder als Retention auf dem Flachdach, um Regenwasser nicht nur abzuleiten“, so Jana Siedle. Vor Begeisterung sprudeln die Gedanken nur so aus ihr heraus. Wer da zuhört, kann eine erste Idee davon bekommen, warum die junge Frau den Leistungswettbewerb gewonnen hat.
Türmchen aus Metall für Touristen-Shop
„Ich war total glücklich in der Lehre. Ich konnte alle Arbeiten ausführen im Lehrbetrieb, Steil- und Flachdach, Fassade oder Metall. Letzteres liebt sie besonders, die schöne filigrane Arbeit, wie auch auf dem Balkon bei Abdichtungen mit vielen Ecken. „Ich habe kleine Türmchen aus Metall gefertigt für einen Touristen-Shop und Bauernhof. Über mich und meine Arbeiten gibt es sogar einen Artikel im Schwarzwald-Baar-Buch „Almanach 2024“, erzählt Jana Siedle. „Das habe ich gemacht, das habe ich heute erreicht, es ist ein tolles Gefühl als Dachdeckerin.“
Auslandspraktikum auf Irlands Flachdächern
Das hätte ja reichen können für die Ausbildung. Doch obwohl Jana Siedle sehr heimatverbunden ist und gerne in der Schwarzwaldregion lebt, zog ihre Neugierde, ihr Interesse sie ins Ausland. In der überbetrieblichen Ausbildung berichtete ein Lehrer vom Programm „Go for Europe“. So bewarb sich die Dachdeckerin kurzerhand, wurde angenommen und verbrachte einen Monat in Irland. „Ich bin gut untergekommen bei einer älteren Dame, war eine Woche auf der Sprachschule und habe dann drei Wochen in einem Dachdeckerbetrieb gearbeitet“, erläutert Jana Siedle. Viel Flachdach stand auf dem Programm. Was ist ihr aufgefallen? „Die Dachdecker sind voll überzeugt von deutschen Maschinen und Materialien. Und sie sind gelassener bei der Arbeit.“ Der Satz eines irischen Vorarbeiters ist ihr in Erinnerung geblieben: Don’t hurry, we have time.
Weiterbildung als Bautechnikerin
Nach eineinhalb Praxisjahren als Dachdeckergesellin bei Braun und Heine wollte Jana Siedle erneut ihren Horizont erweitern. Vor einem Jahr begann sie die zweijährige Weiterbildung zum Bautechniker. Sie wollte ein breites Wissen erwerben, was anderes sehen und sich weiterbilden. „Ich lerne dort unterschiedliche Bereiche kennen, wie etwa Tiefbau, Gründung, Haustechnik, Hochbau. Damit habe ich beruflich viele Möglichkeiten, nicht nur als Dachdeckerin, sondern auch in einem Architektur- oder Statikbüro. Ich kann etwa Bauanträge stellen für Einfamilienhäuser“, erläutert Jana Siedle ihre Entscheidung.
Viele neue Infos aufsaugen
Zugleich schlägt sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn mit dem Abschluss zum Bautechniker deckt sie auch bereits die Teile 3 und 4 der Meisterprüfung für Dachdecker ab, Betriebswirtschaft und Ausbildereignung. „Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Ich bekomme viele neue Infos, was alles beachtet werden muss beim Hausbau. Wir machen CAD-Zeichnung, Entwurfsplanung, entwickeln quasi ein komplettes Gebäude. Und da ich gerade privat zuhause kernsaniere, habe ich gleich eine praktische Anwendung für die Lerninhalte“, berichtet Jana Siedle.
Nicht so viel vorausplanen
Die Dachdeckergesellin hat viele berufliche Interessen. Die Frage für die Zukunft lautet: Was liegt ihr, was kommt als nächstes? „Sicher ist der Dachdeckermeister eine Option, aber ich will nicht zu viel vorausplanen, es kommt doch unerwartet und anders“, sagt Jana Siedle. „Allein in den letzten Jahren ist so viel Unerwartetes passiert, ich bin Dachdeckerin und Bundessiegerin geworden, habe ein Auslandspraktikum absolviert und bin jetzt im Team der Dachdecker-Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft vom 13. bis 15. November 2024 in Innsbruck.
Im Frauenteam bei der Dachdecker-WM
Von einer „einzigartigen Chance, an die ich später gerne zurückdenken werde“, spricht Jana Siedle, die gemeinsam mit Nina Weber das Flachdach-Team bildet. „Für die gemeinsamen Trainings verpasse ich natürlich Schulzeiten in der Bautechniker-Weiterbildung.“ Aber Jana Siedle hat ihren Wunsch offen kommuniziert gegenüber ihren Lehrern. Die haben gesagt: „Wir stellen dich gerne frei, wir unterstützen das.“ Mit ihr und Weber ist Deutschland erstmals mit einem Frauenteam auf der Dachdecker-WM vertreten. „Die Frauenmacht im Handwerk kommt langsam. Du musst dich durchsetzen im Betrieb, darfst dir nicht alles gefallen lassen“, berichtet Jana Siedle. Das ist ein Prozess in Sachen Selbstbewusstsein. „Am Anfang der Lehre war es noch ganz anders als am Ende. Ich habe mich weiterentwickelt.“
Radtouren, Skifahren, Klarinette spielen
Das ist zu spüren, die junge Frau erzählt davon völlig selbstverständlich. Auf die WM freut sie sich, von jedem Training am BBZ Mayen zum nächsten steigt zugleich die Anspannung. Doch das kennt Jana Siedle ja schon von der Gesellenprüfung und dem Leistungswettbewerb. Mitgebracht nach Mayen hat sie auch ihr Rennrad. Sie macht im Sommer gerne Touren, auch mit dem Mountainbike. Und wie sollte es bei ihr anders sein: Auch bei den Hobbies hat die junge Frau vielfältige Interessen. Im Winter fährt sie im Schwarzwald gerne Ski – alpin oder Langlauf. Und sie macht auch Musik, spielt Klarinette im Musikverein Schönenbach.
Sie interessieren sich für das Thema Dachdecker werden? Dann lesen Sie unseren Bericht über Dachdeckermeister Dominik Nöcker, Gesicht der Dach+Holz 2026.
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