Marion Mecke: Ausbilderin für Dachdecker aus Leidenschaft
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Marion Mecke: Ausbilderin für Dachdecker aus Leidenschaft

7. Juni 2022

 · Anja Streiter

Seit acht Jahren leitet Marion Mecke, die überbetriebliche Aus- und Weiterbildungsstätte der Dachdecker-Innung-Kassel. Damit ist die 47-Jährige ein Unikat. Bundesweit stehen allen anderen Bildungszentren der Dachdecker Herren vor. Regionale Betriebe werden an ihrem Hause mit einem breiten Angebot an Aus- und Fortbildungen unterstützt. Zukünftige Gesellen, Meister und Meisterinnen legen unter den Augen der Leiterin die praktischen Teile der Prüfungen ab.

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Marion Mecke auf einer Ausbildungsbörse auf dem BZ Campus in Kassel. (Titelbild und Fotos: Dachdecker-Innung-Kassel)

Mit Herzblut dabei

Für die Ausbildungsmeisterin geht es in ihrer Arbeit nicht nur um Wissensvermittlung. „Ich versuche, den jungen Menschen was mit auf den Weg zu geben, fachlich und persönlich. Ich habe immer ein offenes Ohr, wenn es Probleme gibt. In unserem Ausbildungszentrum wird sich gekümmert. Man muss diesen Job mit Herzblut machen und ich bin voll dabei.“ 

Marion Mecke engagiert sich auch in der Nachwuchswerbung. Sie lädt Kindergartengruppen ins Zentrum ein, geht in Kassel in allgemeinbildende Schulen, besucht Ausbildungsbörsen und arbeitet mit dem Verein Rote Rübe zusammen, der sich für arme Kinder engagiert. Sie baut Kontakt zu jungen Leuten auf: „Da bin ich an der Quelle.“

Antenne für Probleme – ADHS

In der Aus- und Weiterbildungsstätte nimmt die Leiterin die Auszubildenden genau wahr: „Meine Antennen sind immer aufgestellt. Ich merke, wenn was nicht stimmt, zum Beispiel wenn die Aufmerksamkeitsspanne geringer wird. Da suche ich das Gespräch.“ ADHS, die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, ist immer wieder Thema. „Mit 18 setzen Lehrlinge oft einfach die Medikamente ab. Dann haben sie einen Einbruch, werden in sich gekehrt oder drehen völlig auf, probieren auch Drogen aus.“ Hier sei Mecke zur Stelle, versichert sie. 

Marion Mecke: Ein anderer Führungsstil 

Die Ausbildungsmeisterin sucht das Gespräch mit dem Lehrling und dessen Betrieb. Denn für die Betroffenen ist das Arbeitsverhältnis sehr stabilisierend. „Die brauchen dann ein paar Wochen, bis sie wieder normal laufen.“ Marion Mecke arbeitet auch an einem anderen Führungsstil in der Ausbildungsstätte. Sie spricht sich für eine Fortbildung in Psychologie für Ausbildende aus. „Aber das rechnet sich wohl nicht“, schließt sie aus ihrer Erfahrung.

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Marion Mecke (r.) mit der Ende 2020 frisch gebackenen Gesellin Lisa Reinhardt.

Frauen als Potenzial für die Betriebe

Für sie ist es der Traumberuf und das Tüpfelchen auf dem „i“ ihrer Karriere. Sie selbst sagt: „Ich bin Dachdeckermeister. Punkt.“ Auf das -in legt sie selbst keinen Wert. „Aber in meiner öffentlichen Arbeit mache ich die Möglichkeiten für Frauen in diesem Beruf auch sprachlich deutlich. Der Anteil von Frauen in Kassel ist hessenweit betrachtet sehr hoch, vielleicht weil ich viel auf Bildungsbörsen unterwegs bin. Auch die Betriebe haben das Potential junger Frauen erkannt.“

Mobbing gegen Frauen

Marion Mecke engagiert sich bei den Dachdecker-Mädelz. „Manche haben zu kämpfen mit Mobbing, übelsten Beschimpfungen, sexistischen Bemerkungen. Ich habe das auch kennengelernt.“ Die Ausbildungsmeisterin vermisst bei vielen Betrieben das Bewusstsein dafür. „Es fehlen entsprechende Schulungen.“ Zusätzlich ließe sich Mobbing gegen Frauen im Handwerk vor allem so bekämpfen: „Wir müssen mehr werden, dann hört das auf.“ 

Frauen nicht vorgesehen

Heute können Frauen jeden Handwerksberuf wählen. Marion Mecke kann aus anderen Zeiten berichten: Ihr Ur-ur-urgroßvater mütterlicherseits war schon Dachdeckermeister im Süden Niedersachsens. Ebenso der Ururgroßvater, der Urgroßvater und der Großvater mütterlicherseits. Immer ging der Betrieb vom Vater auf den Sohn über. Dann aber war da ‚nur‘ eine Tochter, die gerne den Stab übernommen hätte. Allein: Noch Ende der 60er-Jahre wurden Frauen von Amts wegen nicht zu diesem Handwerk zugelassen.

Der Lehrling Yannik Baumann (l.) wird von Miriam Mecke in der Flachdachabdichtung unterwiesen.

Bürokauffrau als Notlösung

Die Tochter wurde Bürokauffrau und übernahm im väterlichen Betrieb die Buchführung. Ein Schlachtermeister verliebte sich in sie, tauschte Schlachtermesser gegen Schieferhammer, machte einen zweiten Meister und der Dame seines Herzens einen Antrag. Gemeinsam mit ihr übernahm er schließlich den Traditionsbetrieb. 

Ausbildung halb illegal 

Marion Mecke ist Tochter dieses Paares. Von Kindesbeinen an war ihr Berufswunsch „Dachdeckermeister werden.“ Beim Arbeitsamt hieß es aber noch Anfang der 1990er: „Sie können das nicht werden.“ Sie erinnert sich:  „Die hatten das für Frauen gar nicht im Computer. Es war Frauen da noch verboten, auf wechselnden Baustellen im Hochbau zu arbeiten.“ So blieb der jungen Frau nichts anders übrig als – einen guten Teil der Ausbildung eigentlich illegal zu machen. „Das ging nur im elterlichen Betrieb. Da wurde, was die offiziellen Regeln anging, ein Auge zugedrückt“, erklärt Marion Mecke.

Prägende Zeiten: Die Lehre

Die Ausbildung unter dem eigenen Vater war „Segen und Fluch“. Er forderte von der Tochter extra viel. „Heute bin ich dankbar für das mehr an Anforderung. Das hat mich geprägt.“ 1998 – Marion Mecke hat gerade ihren Meister gemacht – muss der Vater sich aus dem Betrieb mit 25 Mitarbeitenden zurückziehen. Die Übernahme erscheint der Tochter ohne väterliche Unterstützung eine zu große Herausforderung. Der uralte Traditionsbetrieb wird geschlossen. 

 „Zwei Mann“ Betrieb

Marion Mecke, inzwischen verheiratet mit einem Dachdecker, arbeitete ein Jahr angestellt. „Komischerweise,“ erinnert sie sich, „hatte ich die Telefonnummer der Eltern übernommen. Da riefen viele ehemaligen Kunden an, es gab so viel Zuspruch, dass wir einen Zwei-Mann Betrieb eröffnet haben.“ Als sich ihr Mann einige Jahre später bei einem Arbeitsunfall das Fersenbein zertrümmert und den Beruf nicht mehr ausüben kann, entschieden sie: „Wir machen dicht.“ Marion Mecke ist bis heute dankbar für die Erfahrung aus der Zeit als Selbstständige: „Das kriegt man nicht mehr raus.“ 

Bild von Brille mit Zunftzeichen
„Wenn man den Beruf mit Leidenschaft ausübt, ist so eine Brille ein Muss“, so Marion Mecke.

Führungsaufgaben in einer Zimmerei 

Es folgten sechs Jahre als Angestellte eines Holzbaubetriebes, der zuvor Dachdeckungen an Subunternehmen gegeben hatte, „mit suboptimalem Ergebnis“. Mecke baut eine Dachdecker-Abteilung auf und führt sie. Die junge Dachdeckermeisterin lernt in vielen Bereichen dazu: Ausbildung, Teamführung, Auftragsabwicklung, Personalmanagement und -führung, Zimmererhandwerk. „Da war ich dann sehr weit aufgestellt.“

Nur noch einen Kugelschreiber halten?

Als sich Marion Mecke und ihr Mann trennen, orientiert sich die Dachdeckermeisterin beruflich neu. „Da rief der Außendienst!“ Drei Jahr verkauft Mecke Icopal Produkte. „Ich kannte das Material und bin redegewandt. Ich konnte Wissen, handwerkliches Know-how und Kommunikation verbinden.“ Rückblickend sagt sie: „Es war gut und schön, aber ich war völlig aus dem Handwerk raus. Ich konnte mit meinen Händen, außer einen Kugelschreiber zu halten, ja nicht mehr viel machen“, klagt sie rückblickend.

Wenn Du das nicht machst, enterbe ich Dich!

Da schrieb 2014 die Dachdecker-Innung-Kassel die Stelle des Ausbildungsmeisters aus: „Ich bin damit zwei Tage schwanger gegangen“, erzählt die heutige Leiterin. „Ich hab mit niemandem geredet, außer mit dem Mann, den ich demnächst heiraten werde. Was macht der Kerl?“, fragt sie, die Geschichte erzählend. „Er ruft meinen Vater an und der wiederum bei mir: ‚Wenn Du das nicht machst, enterbe ich Dich! Bewirb Dich!‘ So bin ich 2014 in meinem, mich sehr erfüllenden Traumberuf gelandet.“

Bild von Ausbilderin Marion Mecke mit Motorrad
Fährt zum Ausgleich leidenschaftlich gerne Motorrad: Marion Mecke mit ihrem zukünftigen Mann.

Der schönste Lohn für Marion Mecke

Gerade haben die Prüfungen stattgefunden, erst für die Gesellen, dann die Meisterprüfungen. „All diesen frischgebackenen Gesellen und Meistern die Hand zu schütteln, macht mich glücklich. Ich ernte die Lorbeeren für das, was ich über drei Jahre oder über ein paar Monate hinweg so rein gegeben habe“, resümiert Marion Mecke. „Es ist das Schönste, wenn ich sehe, wie sich die jungen Menschen entwickeln.“

Sie interessieren sich für starke Frauen im Handwerk? Dann lesen Sie unsere Story über Dachdeckermeisterin Sabrina Wollscheid. Sie meistert nicht nur ihre Rolle als Juniorchefin mit Bravour, sondern bezieht auch klar Stellung zum Thema Nachwuchswerbung.

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