Internationaler Handwerksmeister geht auf Auslandseinsatz
12. März 2019
Mit dem deutschen Wirtschaftswunder in den 1960er Jahren tauchte erstmals der Begriff der Globalisierung auf. Ein Wort, bei dem die meisten heute an Großkonzerne denken, wohl kaum aber an das Handwerk. Doch es gibt Ausnahmen. Auf die Idee, Internationaler Handwerksmeister zu werden, kam Uwe Mäusgeier aus dem hessischen Rotenburg an der Fulda, nicht selbst. „Es war ein spontaner Einfall von einem Freund“, erinnert er sich. Der Freund war der Geschäftsführer seiner zuständigen Handwerkskammer. Und der machte Uwe Mäusgeier bei der Überreichung der Urkunde zum 25-jährigen Dachdecker-Meisterjubiläum den Vorschlag zur „Internationalisierung“.
Weiterbildung Internationaler Meister: einmal über den Tellerrand schauen
Weder eine Midlife-Crisis noch Abenteuerlust waren für den 53-Jährigen Anstoß, sich vom Meister zum Internationalen Meister weiterzubilden. Und ganz sicher lag es auch nicht an fehlender Auslastung. Immerhin ist Mäusgeier angestellter Dachdeckermeister bei der Dachdeckerei Otto Gruß in Eichenzell, Mitgliedsbetrieb der Dachdecker-Einkauf Süd, und Sachverständiger für das Dachdeckerhandwerk. Es war wohl einfach die Neugier auf Neues und die „Lust, mal über den Tellerrand zu schauen.“
Die Fortbildung zum Internationalen Handwerksmeister bedeutete für den Vater von zwei Töchtern allerdings auch, an Wochenenden die Schulbank zu drücken und nach Geschäftsschluss im Betrieb noch lange nicht Feierabend zu haben. Dafür lockte im Zuge dieser Weiterbildung als Belohnung ein Auslandseinsatz. Denn ebenso wenig wie die duale Ausbildung in Deutschland nur aus grauer Theorie besteht, ist auch diese fast einjährige internationale Zusatzqualifikation auf das Wälzen von Lektüre begrenzt.
Mehr als Handwerk: Reise nach Ruanda
Zur Weiterbildung gehörte auch ein etwa einwöchiger Praxiseinsatz in einem Entwicklungs- oder Schwellenland. Im Ausland zu arbeiten war kein Neuland für Uwe Mäusgeier. Schon vor rund 20 Jahren war er als Lehrverleger in Israel aktiv. Doch Ruanda, sein erstes Ziel, ist ein – wenn auch aufstrebendes – Entwicklungsland im Osten des schwarzen Kontinents und nicht vergleichbar mit dem hochzivilisierten Nahoststaat Israel. Zusammen mit acht Handwerkskollegen und im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) trat er die Reise an. Learning by Doing heißt das Prinzip der Internationalen Meisterausbildung. Und so stehen auf dem Lehrplan auch Themen wie interkulturelle Kompetenz, interkulturelles Projektmanagement, das Bilden von Netzwerken, das Sammeln wichtiger Informationen über Land und Leute inklusive möglicher Gefahren, sowie über Impfungen und Materialbeschaffung.
„Wenn wir hier bei uns von einem Gerüst reden, kann das für die Handwerker in Ruanda eine Leiter oder eine abenteuerliche selbstgebaute Balken-Bretter-Konstruktion sein“, erinnert sich Uwe Mäusgeier. „Unsere Aufgabe ist es auch, soviel Sicherheitsbewusstsein wie möglich zu vermitteln.“ Darüber hinaus sollen ruandische Handwerker lernen, gute Arbeit zu leisten, betriebswirtschaftlich zu denken und ihr Wissen auch weiterzugeben.
250 Tote durch Blitzschlag pro Jahr
Warum gerade Ruanda? „Im letzten Jahr gab es dort 250 Tote durch Blitzschlag. Und das sind 250 zu viel“, so die trockene Antwort von Dachdeckermeister Mäusgeier. Sein Projekt für die GIZ, das er dort gestartet hat, heißt „Blitzschutz für Ruanda“. An den – auch in Ruanda – immer weiter verbreiteten Mobiltelefonen, Rechnern und anderen „Segen der modernen Zivilisation“ kommt es durch Blitzeinschläge zu teuren Überspannungsschäden, die nur durch einen konsequent ausgebauten Blitzschutz verhindert werden können.
Unterstützt wird Mäusgeier bei dem Projekt von einem Kollegen, der selbst als Elektromeister in Deutschland arbeitet – und in Ruanda geboren ist. „Das ist mehr als ein Glücksfall – der Kollege ist für unsere Arbeit Türöffner, Organisationstalent und ein Gesprächspartner auf Augenhöhe für unsere Kontakte dort.“
Friedliche Auslandseinsätze als Internationaler Handwerksmeister
Solche Auslandseinsätze sind kein reines Ehrenamt. Neben der Kostenübernahme für die Reisekosten und Unterbringung gibt es sogar noch etwas Geld von der GIZ aus dem Entwicklungshilfe-Etat. „Gut angelegtes Geld“, findet Uwe Mäusgeier. „Denn nichts ist effektiver als die Hilfe zur Selbsthilfe“. Allerdings kosten Uwe Mäusgeier seine Auslandseinsätze auch einen Teil seines wohlverdienten Urlaubs. Aber sowohl sein Arbeitgeber als auch seine Familie haben ihm dafür grünes Licht gegeben.
Sie interessieren sich für ehrenamtliches Engagement. Dann lesen Sie unseren Artikel über Mario Kunzendorf, der Dachdeckern in Uganda hilft.