Dachdecker: Ein Quereinsteiger findet seinen Wunschjob
17. Juli 2018
Als Dachdecker muss man schwindelfrei sein, um obenauf zu bleiben. Beim Aufzählen der vielen Berufe, in denen Dennis Krückemeyer schon gearbeitet hat, kann einem allerdings schon schwindelig werden. Doch jetzt hat der 34-Jährige seine Berufung gefunden. Seit Mitte letzten Jahres macht er in Bremen seine Ausbildung zum Dachdecker, zunächst im Meisterbetrieb von Reiner Horvat und inzwischen bei Friedrich Schmidt Bedachungen GmbH. Auf dem Dach fühlt er sich seither pudelwohl. Das war nicht immer so.
Nach der Hauptschule absolvierte er eine Lehre als Maler und Lackierer. Den sportlich versierten und disziplinierten jungen Mann interessierte schon immer die handwerkliche Arbeit und die damit verbundenen Ergebnisse, die er dabei vor Augen hatte. Sein Stiefvater war Maler, sein Vater arbeitete als Dachdecker. Dessen Handwerkskleidung gefiel ihm bereits in jungen Jahren. „Seine Kluft machte was her, das fand ich damals toll. Und dann konnte er auch meistens an der frischen Luft arbeiten. Das hat mich begeistert“, sagt Krückemeyer.
Viele Berufe ausprobiert – keine Berufung gefunden
Trotz des Interesses am Handwerk wollte er damals nicht Malergeselle bleiben und absolvierte erstmal seinen neunmonatigen Dienst bei der Bundeswehr. „War auch nicht schlecht“, meint Krückemeyer heute. Die Zeiten für eine langfristige Arbeit waren danach nicht besonders gut. Aber Arbeitsamt und Stütze sind nichts für jemanden, der klar sagt: „Wer arbeiten will, findet auch Arbeit.“
So landete er bei Zeitarbeitsfirmen und bekam einen Einblick in zahlreiche interessante Betriebe und Berufe, etwa in den Bereichen Druckerei, Postabfertigung und Lagerlogistik.
„Die Bezahlung war auch ganz gut, aber du kommst nie an den richtigen Beruf heran und bleibst immer Hilfsarbeiter auf Zeit“, erklärt der heutige Umschüler. Allerdings änderten sich dann einige Zeitarbeitsgesetze, die seinem Arbeits- und Fleißwillen entgegenkamen. Krückemeyer wurde Teamleiter bei der Spedition Schenker, verdiente gut bei Rhenus, noch besser bei Mercedes.
Dachdecker heißt: Am Abend sehen, was ich am Tag geleistet habe
Er blieb aber eigentlich immer unter seinen Möglichkeiten und hatte auch mit den fertigen Produkten, an deren Herstellung er beteiligt war, wenig zu tun. „Jeder ist seines Glückes Schmied, und es ist nie zu spät, danach zu greifen“, sagte Krückemeyer sich und fand als Umschüler seinen Ausbildungsplatz, wo er mit dem Meister und einem Gesellen über den Dächern von Bremen arbeitet. „Das ist es“, findet er, „hier kannst du anpacken, vieles lernen und am Abend immer sehen, was du geleistet hast.“
Unter den Auszubildenden aus der zweiten Berufsschulklasse ragt er als reifer und kräftiger Mann heraus. Der „Alte“ unter den Azubis muss nur zwei Jahre lernen und hat sich den Stoff des ersten Jahres gemeinsam mit seinen Kollegen eingepaukt. Der Altersunterschied zu den anderen in der Berufsschule machte ihm erst zu schaffen. Allerdings hat er schnell gemerkt, dass er die „jugendlichen Macken“ einiger anderer längst hinter sich gelassen hat. Sein Handy bleibt während des Unterrichts aus, sodass er konzentriert folgen kann. „Ich mach mein Ding. Denn die Disco-Zeit habe ich ja auch hinter mir. Zuhören und Aufpassen ist alles. Und, na klar, dann schaffst du die Prüfung“, erklärt er selbstbewusst.
Direkt vom Meister lernen – Ausbildung zum Dachdecker
Am eher kleinen Ausbildungsbetrieb gefällt ihm die Möglichkeit, immer direkt mit Meister Rainer Horvat zusammen auf dem Dach zu stehen und alles aus erster Hand von der Pike auf zu lernen. „Wir machen gerade eine Umdeckung, ansonsten Flachdach, Steildach oder Fassade. Alles, was du dir denken kannst, und es macht sehr viel Spaß. Du bist an der frischen Luft, gegen Kälte gibt es beste Kleidung und ich sehe auf jeden Fall mehr von der Welt als der Maler, der meist in den vier Wänden bleibt.“ Für alle Baustellen hat der Betrieb entsprechendes Gerät und einen Kran, sodass schweres Schleppen von Ziegeln und anderen Bauteilen entfällt. „Und wenn Not am Mann ist, fährt und bedient Frau Horvat den Kran und arbeitet auch sonst auf der Baustelle mit“, erzählt Krückemeyer, dem die Abwechslung in seiner vielseitigen Ausbildung besonders gefällt.
Nicht stehen bleiben im Leben – Meister oder Fachberater werden
Ans Heiraten denkt der Familienvater noch nicht, der mit Lebensgefährtin und Kind „auch so“ ganz gut zusammen lebt. Ob er nach der Ausbildung zum Dachdecker übernommen wird, weiß er nicht. Ist auch momentan nicht sein Thema. Im Beruf bleiben möchte er auf jeden Fall sehr gerne, vielleicht Meister werden, sich spezialisieren. Ob man diesen Beruf mit 67 Jahren noch machen könne? Dabei muss er an seinen Vater mit zwei kaputten Schultern denken und meint, dass ein guter Dachdecker später ja auch als Fachberater für Industrie oder Handel einsetzbar wäre.
Wichtig sei doch, im Leben niemals stehen zu bleiben, „nicht zu verblöden, weiterzugehen, sich weiterzubilden und in einem Beruf zu arbeiten, in dem ich fast jeden Tag etwas anderes machen kann.“ Wichtig sind ihm heute neben seiner Umschulung vor allem seine Familie, ein bisschen Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff und der Kraftsport, um fit zu bleiben.
Auf die Frage, warum heutzutage kaum noch jemand einen handwerklichen Beruf erlernen will, antwortet Krückemeyer: „Junge Leute wollen heute so wenig wie möglich körperlich arbeiten, sich nicht die Hände schmutzig machen und gleichzeitig viel Geld verdienen. Eigentlich reicht es doch, so viel Geld zu haben, um gut davon leben zu können, um sich ein paar Träume zu verwirklichen und ohne dabei ausgebeutet zu werden.“ Und genau das bietet die Ausbildung zum Dachdecker.
Interesse geweckt an der Ausbildung zum Dachdecker? Wer da richtig gut ist, kann auch am bundesweiten Leistungswettbewerb der Dachdeckerjugend teilnehmen. Was da so auf einen zukommt, lesen Sie im Bericht über Jonas Fangmann.