Schiefertafel-Fund auf Kirchturm: Fenster in Vergangenheit

Schiefertafel-Fund auf Kirchturm: Fenster in die Vergangenheit

28. Februar 2023

 · Gerald Weßel

Weit oben über den Dächern Dietkirchens angekommen, staunte Rene Kissel nicht schlecht. Denn was der Dachdeckergeselle im Nordturm der St. Lubentius Stiftskirche entdeckte, war alles andere als alltäglich. Bei Sanierungsarbeiten legte er eine alte Schiefertafel frei, die sich bei näherem Hinsehen als etwas wahrhaft Kurioses entpuppte.

Bild von eingerüsteter Stiftskirche
Mit einer Kirchensanierung fing die Detektivgeschichte an. (Fotos und Titelbild: Kissel Bedachung & Spenglerei GmbH)

Schiefertafel als Zeitkapsel

Es war eine Zeitkapsel, die für Wagemut und Handwerk am Limit steht. Zwei Namen wurden vor Jahrzehnten dort eingeritzt, einer sollte zur Lösung des Rätsels beitragen: Peter Zinsius. Daneben der Ausspruch: „Kreuz gesichert am 18.12.1989“. Rene Kissel nahm Geschichte und Schiefertafel mit in den Feierabend. Hier hätte die zeitgeschichtliche Spurensuche enden können, abgetan als Kuriosum während eines Routineauftrages. Doch es kam anders.

Bild von Schiefertafel
Rene Kissel legte die geheimnisvolle Schiefertafel frei.

Suche nach Hinweisen

Rene Kissel begann nach Hinweisen zu suchen, die Licht in die Vergangenheit bringen könnten. Eine Herausforderung, denn schließlich waren seit den damaligen Arbeiten am Nordturm mehr als 30 Jahre vergangen, Zinsius und sein Kollege heute demnach alt oder gar bereits verstorben. Dann fand sich jedoch eine Spur im gemeinsamen Freundeskreis von Kissel und seiner Frau Nadine. Sie ist Dachdeckermeisterin und Chefin des Familienbetriebes Kissel Bedachung & Spenglerei GmbH.

Bild von eingerüsteter Stiftskirche
Während der Sanierung der St. Lubentius Stiftskirche wurde die historische Schiefertafel entdeckt.

Hilfe aus dem Freundeskreis

Denn als Nicole Beer, Mitarbeiterin der örtlichen Tagespflege, die Geschichte hörte, wurde sie hellhörig: „Peter Zinsius?“, versicherte sie sich des Namens. „Der wohnt doch bei uns in der Wohnstadt!“ Konnte das sein? Ein Besuch sollte Klarheit bringen: Rene Kissel machte sich mit der in einem Bilderrahmen eingefassten Schiefertafel auf den Weg.

Bild von Dachdecker Peter Zinsius mit den Schiefertafel
Peter Zinsius war einst Dachdecker und 1989 tatsächlich an der Stiftskirche tätig.

Schiefertafel erhält neuen Ehrenplatz

Das Erhoffte trat ein: Peter Zinsius war einst Dachdecker und 1989 tatsächlich an der Stiftskirche tätig. Nach einer kleinen Gedächtnisstütze durch seinen Sohn war die Freude groß. Nach mehreren Jahrzehnten über den Dächern des Ortes nahe Limburg hat die Schiefertafel nun eine neue Heimstatt in Zinsius´ Wohnung gefunden: als Fenster in die eigene Vergangenheit – ein Lebensabschnitt, in dem er Beachtliches geleistet hatte, wie Nadine Kissel betont.

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Waghalsig hinauf auf den Kirchturm

Denn obwohl hier die eigentliche Geschichte des Funds durch den Mitgliedsbetrieb der DEG Alles für das Dach eG endet, beeindruckt das Werk. Das Handwerker-Duo begab sich dabei wahrscheinlich in ernsthafte Verletzungs- oder gar Lebensgefahr. „Das war ganz oben am Turm, man musste durch ein Ausstiegsfenster raus hinauf zum Kreuz“, schildert Nadine Kissel, „über eine fast senkrechte Dachfläche.“ 

Bild von Kirchturm
Heute wird hier natürlich mit Gerüst gearbeitet, früher wohl nur mit einem Seil irgendwie als Absicherung.

Arbeitsauftrag am Risikolimit 

Das sei wirklich ein Arbeitsauftrag am Limit gewesen. „Da hing man sicherlich nur in irgendeinem Seil drin“, schwant ihr. Heutzutage würde so etwas kein normaler Dachdecker, sondern ein speziell ausgebildeter und gesicherter Kletterer übernehmen. Das Risiko könnte sie niemandem ihrer Leute zumuten. „Doch damals war vieles anders“, blickt Nadine Kissel anerkennend zurück.

Sie interessieren sich für persönliche Geschichten rund ums Dachdeckerhandwerk? Dann lesen Sie unsere Story über einen Dachklempner, der die Dächer der Welt besteigt.

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