Dachbegrünung unter extremen Wind-Bedingungen
11. August 2022
„Hier oben an der Küste weht ein anderer Wind als bei euch im Binnenland“, so die Weser-Wohnbau, Auftraggeber für den Neubau des Jobcenters in Bremerhaven. Im wahrsten Sinne des Wortes müssen Planer und Dachdecker dort mit anderen Voraussetzungen rechnen, gerade dann, wenn auf das Flachdach in 30 Metern Höhe auch noch eine Dachbegrünung kommen soll. Sind dann die Windsogberechnungen unter Dach und Fach und alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen, sorgen zusätzlich witterungsbedingte Arbeitsunterbrechungen nicht selten für eine verlängerte Bauzeit.
Dachbegrünung nicht vom Winde verweht
„Mit solchen Problemen können wir umgehen“, sagt Karsten Kröff, Dachdeckermeister und Chef der Kröff-Bedachungen in Stuhr bei Bremen. „Schließlich wollen wir hier nach Fertigstellung des Flachdaches für eine ordentliche Dachbegrünung sorgen. Dazu bedarf es jedoch intensiver Planung inklusive spezieller Berechnungen, damit das Substrat nicht vom Winde verweht wird.“
Gemeint sind hier 1 200 Quadratmeter Flachdach, verteilt auf mehrere Baubereiche sowie eine tiefer liegende Dachterrasse. Dampfsperre, Grundplatten, Gefälleplatten sowie fachgerechte Abdichtung aus kalt-selbstklebender Dachbahn von Wolfin vervollständigen den Dachaufbau. Zusätzlich erfolgt der Einbau mehrerer Brandschutzbrücken aus Mineralwolle über die gesamte Dachbreite.
Windsog als Herausforderung an der Wesermündung
Der Windsog an der Wesermündung in die Nordsee erfordert entsprechende Vorkehrungen. „Wegplatten müssen verklebt werden. Die Attika befestigen wir nicht nur einfach, sondern verschrauben sie fest mit speziellen Klemmschienen. Damit sie bei Sturm kein Spiel mehr hat“, sagt Dachdeckergeselle Mirko Klotz.
Die Gesellen Nico Grell und Justin Besing tragen ihre PSA Schutzausrüstung, da für diese aktuellen Arbeiten an der Dachbegrünung weder Geländer noch Gerüst vorhanden sind. Fast täglich kommt die BG-Bau vorbei und überprüft die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien. Nico Grell: „Hier pustet es ziemlich stark und du musst aufpassen, dass keine Werkzeuge und Materialien vom Dach fliegen. Du darfst hier nicht einfach was rumliegen lassen. Musst alles abdecken oder fixieren.“ Justin Besing ergänzt: „Aber die Aussicht und das Klima hier oben sind einmalig.“ In regelmäßigen Abständen werden Sicherheitshalterungen eingebaut, zur Absicherung bei späteren Arbeiten auf dem Dach.
Extensive Dachbegrünung kommt zum Einsatz
Nach dem Abwägen verschiedener Windlastextreme entschied man sich für eine Dachbegrünung mit Sedum-Belag. Zum Einsatz kommt eine extensive Dachbegrünung mit Zinco-Matten Floradrain FD 25. Ebenso wie alle anderen Produkte wird auch dieses Material von der Dachdecker-Einkauf Nordwest eG geliefert, bei der Kröff Mitgliedsbetrieb ist. „Für dieses Objekt ist die extensive Begrünung besonders geeignet, da sie flach bleibt und mit wenig Wartung und Pflege auskommt. Ein bis zwei jährliche Begehungen reichen und die Wasser- und Nährstoffversorgung erfolgt weitgehend über natürliche Prozesse“, erläutert Karsten Kröff.
Schichtenaufbau der Dachbegrünung
Auf der obersten Dachhaut bringen die Dachdecker dazu ein wassersaugendes Vlies an, gefolgt von Dränagematten. Wegen des Windes müssen diese mit Split beschwert werden. Dieser wird per Kran aufs Dach gebracht und dort mit Eimern verteilt. Ein dünnes Filtervlies bildet dann als weitere Aufbauschicht die Grundlage für die vorkultivierten Sedummatten mit drei Zentimeter Systemerde. Alle Produkte müssen mit dem Kran in kleinen Paletten auf das Dach transportiert werden. Das Substrat verteilten die Mitarbeiter dann mit Schaufeln auf die Felder des Flachdachs.
Sedummatten mit Kabelbindern zusammenbinden
Dachdeckergeselle Mirko Klotz erklärt, dass die Sedummatten bei diesen Windverhältnissen zunächst alle mit Kabelbinder verbunden werden, damit sie in Ruhe an- und zusammenwachsen können. „Insgesamt ist dieses Projekt sehr arbeitsintensiv“, sagt Mirko Klotz. Vier Tage lang seien jeweils sechs Handwerker damit beschäftigt gewesen.
Aktiv nicht nur auf dem Dach
Zwischendurch ist Vorarbeiter und Geselle Patrick Göbel von Kröff unten am Fundament des Gebäudes dabei, einen Schacht abzudichten, da man Eintritt von aufsteigendem Wasser festgestellt hat. Das geschieht mit einem Flüssigkunststoff, der vor Ort angerührt und auf die Mauern aufgetragen wird. Bevor die Erde wieder aufgeschüttet wird, dämmen die Dachdecker den oberen Teil der Grundmauern rundherum.
Kies für die Randstreifen kommt per Gebläse auf das Dach
Auf den Flächen ohne Begrünung wird zunächst ein Vlies auf die Wolfin-Bahn gelegt. „Wichtig dabei ist, das Vlies am besten gleich von der Rolle zu schneiden und diese dazu nicht auf die PVC-Bahn zu legen. Ein versehentlicher Schnitt in den Untergrund sorgt später für verheerende Folgen und Wasserdurchlässigkeit“, so Mirko Klotz. Danach verteilt eine von Kröff beauftragte Firma groben Kies auf diesen unbegrünten Flächen, der mit Hilfe eines Gebläses durch ein Rohr auf das Dach kommt.
Den Terrassenbelag unterhalb des Hauptdaches fertigten ebenfalls die Mitarbeiter von Firma Kröff, mit Steinplatten auf einer Aluminium-Unterkonstruktion aus Rechteckprofilen. Die dortigen Beete legt danach ein Gärtner an. Die Chefin des Job-Center macht dort ab und an Mittagspause. Bei dieser herrlichen Aussicht zeigt sie sich sehr zufrieden mit dem neuen ökologischen Dach und seiner nachhaltigen Wirkung für Umwelt und Vegetation.
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