Dachdeckermeister Markus Berg hat preisverdächtig restauriert
21. November 2023
Markus Berg reichte im April 2022 seine Unterlagen für eine beschränkte Ausschreibung auf ein interessantes Projekt in Andernach ein. Zusammen mit zwei anderen Innungskollegen bekam der Betrieb „Berg Dach + Schiefer“ aus Erden/Mosel den Zuschlag für die Sanierung der neobarocken „Villa Michels“, einem Gebäude aus dem Jahr 1897 in unmittelbarer Lage am Rhein, umgeben von einem parkähnlichen Grundstück.
Die ursprüngliche Aufgabe, eine Reparatur der Mansarde, war aufgrund der hohen Schäden am Dachstuhl nicht wirtschaftlich realisierbar, sodass Dachdeckermeister Berg ein Angebot für die Sanierung von 270 Quadratmetern altdeutscher Schieferdeckung abgab. Bei der Villa Michels handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude, dessen Charakter und Aussehen erhalten bleiben musste. Dabei sollte aus dem hochherrschaftlichen Wohnsitz eine Eventlocation werden, verbunden mit einem Innovationszentrum für Start-ups. Neues und zeitgemäßes Gewerbe in alten und erhabenen Mauern – zugleich ein Raum für Menschen, die kreativ sind, Neues wagen, also bewusst „aus dem Rahmen fallen“.
Mehr als eine routinemäßige Dachsanierung
Aus dem Rahmen einer routinemäßigen Dachsanierung denken musste schließlich auch Unternehmer Markus Berg. Mehrere Jahre stand das Gebäude ungenutzt, jahrelang hatte der Regen Wege ins Innere des Daches gefunden und Balken, Mauerwerk, Dachkonstruktion sowie Schieferdeckung durchnässt: mit schädlichen Folgen bis zur Bildung von Hausschwamm, der zunächst fachgerecht vom Zimmermann beseitigt werden musste.
Über ein Jahr Arbeitszeit
Bereits der Start verlief anders als geplant. Es stand schon ein Gerüst mit Notdach, weshalb die bei Berg mittlerweile üblichen 3-D-Aufnahmen mit Drohne nicht möglich waren. Das Erste, was es zu tun galt, waren Notabdichtungen in großem Umfang, um Schadensverläufe zu unterbrechen und weitere Beschädigungen zu verhindern. Die Mansarde wurde eingehaust, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Dann folgten Abrisse. Im Verlauf der Arbeiten kam also alles anders und wurde fast alles neu. Mehr als ein Jahr Arbeitszeit von acht Mitarbeitern und zwei Auszubildenden sollten die Arbeiten an der Villa schließlich in Anspruch nehmen.
Rinnen selbst gefertigt und gekantet
Eine besondere Herausforderung war die Rinnenkonstruktion. Selbst gefertigt und gekantet wurden Kastenrinnen aus Edelstahl. In dieser Dimension war das eine echte Herausforderung, die Rinneisen hatten eine Länge von rund 1,20 Metern. Geselle Mario Bergner-Obenaus erinnert sich vor allem an viele Lötarbeiten, viele Ecken und viele Zuarbeiten. „Nicht jeden Tag“, schildert Markus Berg, „trifft man auf solch ein Gebäude mit unglaublich vielen Rundungen und derart vielen Kehlen.“ Der junge Geselle Sean Conner-Müllers weiß von unzähligen Gauben zu erzählen, alle ausgekehlt. Seine ersten Schritte in den Bereich der Schieferdächer und auch auf der Baustelle gerieten sehr anspruchsvoll.
Kehlen sind ein Spezialgebiet
Kehlen haben es Markus Berg schon immer angetan. Bereits sein Meisterstück im Jahr 2014 war eine Kehle in Altdeutscher Deckung. Sie war die Krönung seiner Zeit an der Meisterschule am BBZ in Mayen, die er nicht nur als Dachdeckermeister, sondern auch als Fachleiter für Dach-, Wand- und Abdichtungstechnik abschloss. Vor diesem Hintergrund wurde die Villa Michels zur sportlichen Herausforderung, die nur dank fachlicher Sicherheit zu lösen war: Für den gesamten Betrieb kein Problem!
Langjährige Erfahrung mit historischen Dächern eingebracht
Nach der Meisterprüfung war Markus Berg damals zurückgekehrt in seinem Lehrbetrieb. Er arbeitete als Baustellenleiter deutschlandweit auf den Dächern historischer Gebäude. Das war mindestens so lehrreich wie eine lange Walz und macht sich in solchen Momenten bezahlt. Seit inzwischen zehn Jahren ist er zusammen mit seiner Frau Anne Katrin Berg als Inhaber der Firma Berg Dach + Schiefer, Mitglied der DEG Alles für das Dach eG, selbstständig. Die in vielen Jahren gesammelten Erfahrungen konnte er in diesem Projekt jetzt auf einzigartige Weise einbringen. Dabei kooperierte der Betrieb mit der Firma Bohn, zuständig für die Klempnerarbeiten des Hauptdaches und der Gaubendeckel in Aluminium, und der Firma Andreas Petry, zuständig für Rinnenverkleidung mit vorbewittertem Zink.
10 000 Steine und 85 Meter Rinnen
Die größten Herausforderungen waren Rinnen wie Riesenbadewannen sowie Übergänge von 35 Grad bis auf 90 Grad. Rundungen mussten durchgedeckt werden, Kehlen waren nicht nur 90 Grad geknickt, sondern teilweise deutlich stärker abgewinkelt. „Die Jungs waren schwer gefordert“, erklärt der mutige und selbstbewusste Unternehmer. Eigentlich sollten die Mansarde und der Schiefer erhalten werden, tatsächlich galt es aber dann, große Teile der Dachkonstruktion zu erneuern. Hand in Hand mit der Firma Bohn entstanden schnell neue Konstruktionen, wie die Gaubendeckel. Schließlich wanderten etwa 9 Tonnen Schiefer – über 10 000 Steine – für 270 Quadratmeter Schiefer und 85 Meter Rinne auf die Baustelle oder wurden dort hergestellt.
Nur zwei Prozent des Dachmarktes entfallen auf solche Schieferdächer und die wenigsten sind mit diesem Schwierigkeitsgrad verknüpft. Das Know-how dafür lernt man weder in der Ausbildung noch in den Meisterkursen, sondern nur in vielen Jahren vielfältiger Praxis. Deshalb, so ist zu vermuten, ist einem großen Teil der Betriebe solch ein Auftrag noch nicht begegnet.
Das Ergebnis ist ein wahres Meisterstück
Nach Abschluss gab es nicht nur die Anerkennung der Bauherren und Auftraggeber, sondern auch der vielen Nutzer des Gebäudes. Schließlich ist die Schiefermansarde die optische Besonderheit und damit das Alleinstellungsmerkmal der Villa Michels. Ein Dach, unter dem es sich sicher und behütet arbeiten lässt. Zu guter Letzt gab es noch einen Preis für dieses besondere Dachprojekt, die Dachkrone.
Für Markus Berg ist der erfolgreiche Abschluss und die vorzeigbare Ausführung mehr als eine Referenz, die man beiläufig nennt. Das Dach der Villa in Andernach ist quasi sein wahres Meisterstück. Was nicht heißt, dass nicht noch viele neue Herausforderungen warten und damit weitere Meisterstücke. Der Betrieb ist gewappnet und aktuell für den Denkmalpflegepreis im Saarland für mehrere Gebäude nominiert – zu Recht!
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