Sturmschäden am Opernhaus: Dachdecker im Nachteinsatz
24. August 2021
„Sagt der Wetterdienst eine stürmische Nacht voraus, stellen wir uns schon darauf ein, dass auch für uns die Nacht eher unruhig wird“, erklärt Andreas Nolte, Dachdeckermeister und Bauleiter der Firma Maier Dach GmbH, Mitglied der Dachdecker-Einkauf Süd eG. Überrascht war er daher nicht, als ihn der Zugführer der Stuttgarter Feuerwehr gegen 23 Uhr wegen Sturmschäden am Opernhaus anrief. „Ich habe dann in aller Eile versucht, ein Team zusammenzustellen, und auch vier Mitarbeiter erreicht, die sich gleich fertiggemacht haben. Wir sind schnell zum Lager gefahren, haben Planen, Dachlatten und unser Werkzeug geholt und uns damit auf den Weg in die Innenstadt gemacht“, erinnert er sich.
Mit dem Leiterwagen der Feuerwehr aufs Dach
Die Anfahrt hat allerdings etwas länger gedauert. Überall auf den Straßen lagen Bäume, abgerissene Äste und allerlei Unrat, den das extreme Unwetter mitgerissen hatte. Am Einsatzort angekommen verschafften sich Andreas Nolte und seine Kollegen erstmal einen Überblick in Sachen Sturmschäden am Opernhaus. „Wir sind mithilfe eines von zwei Leiterwagen der Feuerwehr aufs Dach hochgestiegen. Das sah schon wüst aus!“
Sturm knüllt historisches Kupferdach wie Papier zusammen
Wie Papier hat der Sturm das Kupferdach, das noch original aus dem Jahr 1912 stammte und immerhin zwei Weltkriege überstanden hatte, zusammengeknüllt. Ein Teil war heruntergeweht worden und lag vor dem Opernhaus, ein anderer Teil hing noch auf dem Gebäude. Es hatte sich beim Sturm um zwei steinerne Figuren am Dachsims gewickelt. Eine Figur war sogar heruntergestürzt und zerbrochen.
Sturmschäden am Opernhaus: zehntausende Liter Regenwasser dringen ein
Verletzt wurde dabei zum Glück niemand, auch keiner der 250 Zuschauer, die sich zum Zeitpunkt des Geschehens anlässlich eines Liederabends im Gebäude befanden. Sie dürften die Zerstörung des Daches allerdings gehört haben, denn die abgetragene Dachpartie befand sich genau über dem Foyer im obersten Rang. Da es nicht nur stürmte, sondern auch noch heftig regnete, drangen durch das offene Dach im Laufe der Nacht mehrere 10.000 Liter Regenwasser ein. Schmuckdecken und Gipswände saugten sich voll, der Schaden kann bis heute noch nicht beziffert werden.
Dachdecker bis vier Uhr früh mit dem Notdach beschäftigt
Bis vier Uhr früh waren die Dachdecker damit beschäftigt, das kaputte Dach des Littmann-Baus, wie das Opernhaus nach seinem Erbauer Max Littmann auch genannt wird, mit Planen und Latten zu befestigen. „Zum Glück war die Feuerwehr mit ihren beiden Hebebühnen vor Ort, sodass wir auf einer stehen und arbeiten sowie mit der anderen, mithilfe der Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks, das Material nach oben schaffen konnten“, berichtet Nolte. „Gegen den Wasserschaden können wir natürlich nichts tun, aber die rund 500 Quadratmeter Dachfläche, die haben wir mit unserem Notdach erstmal verschlossen.“
Trotz voller Auftragsbücher: Nachteinsatz war Ehrensache
Gerne hätte er mit seinem Team auch das Übergangsdach gebaut, das für die kommenden Monate das traditionsreiche Haus schützen soll, bevor voraussichtlich in der Sommerpause der Oper die finale Erneuerung des Kupferdaches ansteht. „Der Nachteinsatz wegen der Sturmschäden am Opernhaus war Ehrensache, aber wir hatten einfach keine Kapazitäten mehr frei für dieses riesige Projekt.“ Denn die Auftragslage beim Innungsbetrieb Maier Dach ist gut: „Wir machen recht viel für die Stadt Stuttgart und die Uni, aber auch für Architekten und private Bauherren“, erzählt der Dachdeckermeister. Die Stuttgarter Firma ist dabei nur eine von dreien, die dem geschäftsführenden Gesellschafter Oliver Bihler gehören. Zwei weitere Dachdeckerbetriebe sind in Pforzheim und Baden-Baden beheimatet.
Sturmschäden am Opernhaus: was mit dem alten Kupferdach passieren soll
Doch was geschieht nun eigentlich mit dem alten Kupferdach, das vom Sturm abgerissen wurde? Die deformierten Teile werden zunächst auf dem Grundstück des Zentrallagers der Staatstheater eingelagert. Das historische Dach wieder zu restaurieren und einzusetzen, diesen Plan haben die Verantwortlichen mittlerweile verworfen. Trotzdem soll das originale Kupferdach nicht einfach entsorgt werden. Aktuell denken der Oberbürgermeister der Stadt, einige Kommunalpolitiker sowie engagierte Bürger über eine zweite Verwendung des Dachstücks als Denkmal nach.
Die Verantwortlichen ordnen die Sturmschäden am Opernhaus „als Ausdruck der Folgen des weiter fortschreitenden Klimawandels“ ein, wie es in einer Erklärung heißt. Das Kupferdach wäre zudem als Denkmal eine „soziale Plastik“, die für den Einsatz der Rettungskräfte in jener Nacht stehe. Dachdeckermeister Andreas Nolte findet das eine gute Idee: „Wäre doch schade, wenn man so ein historisches Stück einfach einschmilzt!“
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