Thailändischer Tempel: ein Dachstuhl der sehr besonderen Art
24. August 2023
Die Bot ist das heiligste Gebäude auf einem buddhistischen Tempelgelände in Thailand. Die Mönche nutzen es für ihre religiösen Zeremonien, wie etwa Ordinationen. Laien haben keinen Zutritt. Das Gebäude ist, wenn möglich, nach Osten ausgerichtet, denn in dieser Richtung saß der historische Buddha als er Erleuchtung erlangte. Ein solches Bauwerk errichtet gerade die Organisation Wat Pah Puritattaram in Gießen und mittendrin ist Zimmerermeister Patrick Schötz. Er hat den Dachstuhl konstruiert und realisiert – die architektonisch größte Herausforderung.
Vier Dachstühle mit verschiedenen Höhen und Längen
Um das zu verstehen, muss man wissen, worauf sich Patrick Schötz mit seinem Team eingelassen hat. Bei einem Bot-Tempel gibt es nicht nur einen Dachstuhl, sondern gleich mehrere hintereinander in unterschiedlichen Höhen und Längen. Sie ragen sehr steil nach oben und machen zusammen das sehr besondere Erscheinungsbild aus. Beim Gießener Tempel gibt es vier verschiedene Dachstühle, die vom vorne gelegenen Dachstuhl in der Höhe ansteigen, um dann mit dem letzten Dachstuhl wieder abzufallen.
Patrick Schötz traut sich das besondere Projekt zu
Viele Zimmerer aus der Region wurden für das Projekt angefragt. „Doch keiner habe sich das nach Rücksprache mit dem Architekten zugetraut“, berichtet Schötz. Denn der Architekt sei da auch nicht fachkundig gewesen, er habe nur die Baugenehmigung grob abgewickelt und konnte wenig dazu sagen, wie die Konstruktion aussehen solle. Patrick Schötz hatte zu Beginn nur eine Vorlage des Statikers. „Der Bauleiter gab mir noch die Zeichnungen der Thailänder und sagte, ich solle mal ein Angebot machen“, erinnert sich der Zimmerermeister. Irgendwie weckte das sein Interesse und er stieg ein in die Planung. Denn die Frage ist ja, wann gibt es noch einmal ein so spezielles Projekt im Berufsleben eines Zimmerers.
Bei den Thailänder biegen die Hölzer die Schalung
Schnell wurde Patrick Schötz klar, dass die Thailänder ganz anders bauen. „Die Unterkonstruktion bei der ursprünglichen Konstruktionsart ist gerade. Es handelt sich um eine Koppelpfettenkonstruktion, die so angeordnet ist, dass die darauf befestigte Schalung gebogen wird beim Verschalen.“ Der Statiker hat dann die ursprünglichen Pläne quasi eingedeutscht. „Wir arbeiteten mit vorgebogenen Bindern. Dadurch wird der Aufbau höher und die Geometrie muss geändert werden. Die verschiedenen Dachstühle dürfen nicht ineinanderlaufen. Es geht darum, die Mindestabstände einzuhalten“, erläutert der Zimmerermeister. Er zeichnete die Pläne der Thailänder nach und merkte, es geht so nicht. „Die Dachstühle hätten sich überschnitten, ich musste einiges ändern bei Krümmung und Radius.“
Freie Hand für die eigene Dachstuhl-Planung
Das Hauptthema war es, die passende, umsetzbare Konstruktion zu finden. Die Auflagenhöhe war vorgegeben, was passt damit zusammen? „Ich habe mich mit dem Bauleiter kurzgeschlossen. Er hat mir freie Hand gegeben. So konnte ich es machen, wie ich es mir vorstelle. Die Hauptsache war, dass es funktioniert“, erzählt Patrick Schötz. „Auch die Thailänder selbst waren da sehr tolerant. Der neue Dachstuhl sollte einfach gut aussehen, das Erscheinungsbild richtig sein am Ende.“
Abstand zwischen Dachstühlen leicht vergrößert
Patrick Schötz traute sich also heran an diese Herausforderung. „Ich war immer im Gespräch mit dem Statiker, wir haben uns die Bälle hin und her gespielt bis es passte.“ Die Lösung lag dann darin, in der Konstruktion den Abstand zwischen den drei übereinander liegenden Dachstühlen leicht zu vergrößern, so konnten wir die Mindestabstände zwischen den Bögen einhalten.“
Eine weitere Herausforderung: Anfangs ging die Konstruktion der Dachstühle viel zu weit nach oben. „Am Ende lagen wir einen Meter höher als geplant, aber das ging, wir haben die Baugenehmigung dafür erhalten“, erläutert Patrick Schötz. Er machte auf Basis seiner neuen Planungen ein Angebot für Konstruktion und Bau nach genauen Maßen und aktualisierten Materialpreisen. Das Holz für den Dachstuhl lieferte die Niederlassung Limburg der DEG Alles für das Dach eG zuverlässig in den Betrieb und zur Baustelle. Bei der DEG ist der Betrieb Zimmerei Schötz in Weilmünster Mitglied.
Gebogene Sonderträger aus Brettschichtholz
Patrick Schötz hat alle Holzelemente für den Dachstuhl mit seinem Team in den eigenen Räumen vorgefertigt. Bis auf die gebogenen Sonderträger als Brettschichtholz, welche die DEG über ihren Lieferanten Hasslacher aus Österreich bestellt hatte. Diese Sonderträger wurden dann einzeln vor Ort vorbereitet für die Montage, jede Klaue dabei geschnitten. Die Umsetzung auf der Baustelle war ansonsten gegenüber der Planung, die viel Nachdenken erforderte, eher normaler Standard. Nach einer Woche stand der Dachstuhl. „Wir haben zusätzlich noch Bohlen geschnitten und angebracht, die den Mönchen als Flächen für die spätere Verzierung dienen.“
Komplette Holzelemente mit dem Kran hochgezogen
Die Herausforderung bei der Montage war die Dachhöhe von zehn Metern. „Wir haben zuerst die Deckenbalken zwischen den Mittelpfetten befestigt und diese Fläche dann zugeschalt. Das ganze Element wurde dann am Stück mit dem Kran hochgezogen“, berichtet der Zimmerermeister. „So hatten wir ein geschlossenes Podest, auf dem wir arbeiten konnten.“ Firstpfetten, Firstpfosten und die vorgebogenen Sparren wurden erst danach aufgebaut.
Wegen der Höhe des Dachstuhls musste er sich auch mehr Gedanken als sonst in Sachen Arbeitssicherheit machen. „Es sollte ja keiner meiner Leute dort oben abschmieren.“ Für das Tempelprojekt war der ganze Betrieb auf der Baustelle versammelt, Patrick Schötz und sein Vater Frank, auch Zimmerermeister, sowie die vier Gesellen.
Familienbetrieb seit 90 Jahren
Den Familienbetrieb gibt es seit inzwischen 90 Jahren, mit Patrick Schötz in der vierten Generation. „Wir machen viel Bauen im Bestand, Altbausanierung und Dachaufstockung.“ Und auch historische Gebäude, wie der Limburger Dom oder das Weilburger Schloss, hat die Zimmerei schon saniert. Gerne übernimmt das Team kompliziertere Projekte. „Wir wollen uns da einen Ruf aufbauen“, erklärt Patrick Schötz. Die Kernkompetenz liegt im Holzbau. Wie beim Tempelprojekt in Gießen übernehmen Dachdecker als Kooperationspartner die Eindeckung. „Eine Hand wäscht die andere, wir wollen uns gegenseitig unterstützen und Aufträge vermitteln“, so sieht der Zimmerermeister das Miteinander der Gewerke. Mit der Auftragslage zeigt er sich zufrieden. Das gilt auch für die Größe des Betriebs. „Die hatten wir eigentlich immer schon, wachsen wollen wir nicht, das passt so“, benennt Patrick Schötz die Philosophie, die er mit dem Vater teilt.
Tiefenentspannte Mönche erlebt
Und wie hat der Zimmerermeister, der bislang keine Berührungspunkte mit dem Buddhismus hatte, den Kontakt mit den Mönchen beim Tempelprojekt erlebt? „Das war sehr angenehm. Die Mönche waren tiefenentspannt. Als wir ihr Auto auf der Baustelle zugeparkt hatten, saßen sie ruhig im Wagen und warteten ab, was passieren würde. Die hatten keinen Stress.“ Nachdem das Dach eingedeckt wurde, sind sie selbst an der Reihe. Die Mönche werden die Verzierungen vornehmen, sehr gelassen sicherlich. Auch deshalb, weil Patrick Schötz mit seinem Team beste Vorarbeit geleistet hat.
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