Mehr Durchblick im Holzrahmenbau: AR-Brille für Vorfertigung
1. August 2023
Um in eine völlig virtuelle Welt eintauchen zu können, setzen sich Gamer eine VR-Brille auf. Wenn hingegen die reale Umgebung mit virtuellen Inhalten ergänzt wird, spricht man von Augmented Reality (AR). Eine bekannte Anwendung ist beispielsweise das Anzeigen der Höchstgeschwindigkeit in der Frontscheibe im Auto, das sogenannte Headup-Display. Dieses „Einblenden“ hat jetzt den Weg in die Vorfertigung im Holzrahmenbau gefunden.
Baupläne im Brillen-Display statt auf Papier
Der Schweizer Maschinenhersteller Woodtec Fankhauser GmbH entwickelte eine Software, die die technischen Zeichnungen vor das Auge des Mitarbeiters bringt. Dazu setzen sich die Zimmerer eine AR-Brille auf. Sie tauchen dabei aber nicht komplett ins Virtuelle ab, die reale Umgebung bleibt im Display immer mit sichtbar. Die ersten Feedbacks von Zimmereien und Holzbaubetrieben, die diese AR-Brille in der Vorfertigung für den Holzrahmenbau getestet haben, sind positiv.
Zeitersparnis und Fehlerminimierung
Zwei zentrale Vorteile dieses digitalen Hilfsmittels sind Zeitersparnis und Minimierung von Fehlern. Der Mitarbeiter muss sich nicht mehr vorab in den Plan einlesen und die Bauteile hinlegen. Des Weiteren sieht er auch alle Einzelteile und verdeckte Kanten oder Ständer, die ohne AR-Brille nicht sichtbar wären. Zudem kann der Mitarbeiter über diese AR-Brille zu jeder Zeit auf alle relevanten Informationen zu seiner jeweiligen Aufgabe zugreifen. Er muss im Zweifel also keine Dokumente suchen oder bei Kollegen nachfragen.
Zimmerer kann alle Infos über AR-Brille aufrufen
Der Zimmerer sieht alles so wie auf einem Papierplan. Meint: Alle Bohrungen, Ausschnitte und Schraffuren sind so, wie auf dem Plan und er sieht zusätzlich, wo sich die nicht sichtbaren Ständer befinden. Es ist also kein händisches Messen mehr nötig. Ein weiterer Vorteil: Änderungen werden sofort im Display angezeigt. Doch mit der Hololens ist viel mehr möglich. Über die Kameras können Bauteile mit einem QR-Code markiert werden. Wird ein Teil gescannt, zeigt einem die Brille, wo das Bauteil hinkommt und ob ich es in diesem Arbeitsschritt benötige.
AR-Brille gegen Fachkräftemangel
Gerade im Hinblick auf den aktuellen Facharbeitermangel, auch im Holzrahmenbau, macht die AR-Brille Sinn. Denn sie kann nicht nur Fachkräfte, sondern auch ungelerntes Personal, Lehrlinge oder Wiedereinsteiger beim Vorfertigen unterstützen und diesen einen einfachen und schnellen Einstieg in die Branche ermöglichen.
Sinnvolle digitale Unterstützung für Zimmereien
Hinter dem Woodtec-Projekt steckt Geschäftsführer Benjamin Fankhauser. „Wir haben uns die Frage gestellt, welche Möglichkeiten die Digitalisierung für kleine und mittlere Handwerksbetriebe bietet“, erläutert der Schweizer die Ausgangslage. Große Firmen haben ihre Produktlinien automatisiert und setzen Roboter ein. Doch was machen die anderen? Die Firma Woodtec hat zwei Möglichkeiten herauskristallisiert. Die Robotik macht die Mitarbeiter in Zimmereien oder Holzbaubetrieben überflüssig oder sie unterstützt diese. Fankhauser und sein Team haben sich für das Zweite entschieden.
Bis die jetzt auf dem Markt erhältliche Lösung fehlerfrei lief, verging einige Zeit. Zuerst haben die Schweizer mit Beamern experimentiert. Fankhauser: „Den Elementplan wollten wir im Maßstab 1:1 auf die Fläche projizieren. Der Aufwand war viel zu groß. Dann haben wir uns entschieden, den großen Schritt zu gehen.“
Durchbruch mit neuer AR-Brille von Microsoft
Der große Schritt war der Einsatz der Hololens 2, einer AR-Brille von Microsoft. „Die Brille hat mehr Möglichkeiten, als wir mit einem Beamer jemals gehabt hätten“, sagt Benjamin Fankhauser. Der komplette Plan aus Papier wird ersetzt. Der Facharbeiter wird gut durch den ganzen Arbeitsprozess begleitet und geleitet.
Integrierte Kameras erkennen Handbewegungen
In einem ersten Step sucht sich die AR-Brille den Nullpunkt. Anschließend kann sich der Arbeiter frei bewegen und der Plan bleibt immer der Standposition angepasst. „Das war sehr beeindruckend für uns“, sagt Fankhauser. An der Brille sind Kameras angebracht. Dadurch können die Hände wie eine Maus am Computer verwendet werden. Die Brille erkennt die Gesten und öffnet weitere Menüs oder zeigt im Display an, welche Aktionen auszuführen sind. Angeklickt werden die Menüs mit dem Finger, wie auf einem Touchmonitor. „Die Benutzer lernen sehr schnell, damit zu interagieren“, berichtet Fankhauser.
Jedes Bauteil im Display drehen oder zoomen
Der Zimmerer kann sich auch das herzustellende Bauteil als reduziertes 3D-Modell einblenden lassen, es drehen und zoomen im Display. So kann er alles sehen, beispielsweise wo der Giebel hinkommt sowie die Lage der Stromleitungen. Auch lassen sich die Infos filtern. Es besteht die Möglichkeit, sich für jeden Arbeitsschritt einen dazugehörigen Layer anzeigen zu lassen, was die Anzeige im Display übersichtlicher macht. Die Reduzierung von Informationen schützt den Zimmerer vor Überfrachtung.
Passende Software für Holzrahmenbau entwickelt
Die Firma Woodtec hat für die Hololens 2 die passende Software für den Holzrahmenbau programmiert, die nun als TimberPlan xR in der Version 2.0 auf dem Markt erhältlich ist. Die Software ist so aufgebaut, dass die technischen Zeichner ihre Pläne nicht mehr drucken oder plotten, sondern digital auf die Brille spielen. „Das benötigte Dateiformat beherrschen die gängigen CAD-Programme“, so Fankhauser. Auch kann der technische Zeichner dem Zimmerer zusätzliche Infos in den Plan schreiben. Diese bekommt er dann ebenfalls 1:1 angezeigt.
Interessierte Zimmereien können Testprojekt vereinbaren
Die Firma Woodtec hat schon Ideen für die Weiterentwicklung der Software. Eine davon ist, dass die AR-Brille im Holzrahmenbau auch bei der Montage auf Baustellen zum Einsatz kommt. Dazu muss sie die Pläne vertikal und schräg anzeigen können. Interessierte Firmen können die Hololens 2 samt dazugehöriger Software testen. Dazu wird ein kleines Projekt zusammen mit Woodtec realisiert.
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