Wachstumsmarkt Dachbegrünung – Chancen für Dachdecker
5. Mai 2022
Städte haben ein Problem: ihre Dächer. In den meisten Fällen sind sie leer und schützen schlicht nur vor Wind und Wetter – im besten Fall erzeugen sie nebenbei noch elektrischen Strom und sehen schick aus. Dabei gibt es genug Probleme zu lösen, unter anderem: höhere Temperaturen als im Umland, Anfälligkeit für Starkregen und eine schlechtere Luftqualität. Dächer können helfen, indem sie sich ein grünes Gewand überwerfen. Dachbegrünung wird immer wichtiger und populärer in Zeiten des Klimawandels und hat sich inzwischen als echter Zukunftsmarkt mit guten Chancen auf Profit für Dachdecker entpuppt.
Verdoppelung der Dachbegrünung in den letzten zehn Jahren
Der Marktreport Gebäudegrün 2021 des Vereins Bundesverband GebäudeGrün (BuGG), in dem über Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung in Deutschland berichtet wird, zeigt klar in eine Richtung: aufwärts. Durchschnittlich wuchs die Fläche der extensiven Gründächer während der vergangenen 13 Jahre um knapp sieben Prozent und intensiv um gut zehn Prozent pro Jahr. Doch auch wenn der Trend klar erkennbar ist, blieben indes 2020 weiterhin noch 92 Prozent aller neu geschaffenen Flachdachflächen pflanzenfrei. Dennoch: Gegenüber 2008 hat sich die Gesamtdachfläche der extensiven Bepflanzung mehr als verdoppelt oder bei den Dachgärten gar vervierfacht.
Anforderungen beachten
Gründächer bringen allerdings einige Anforderungen mit sich, die vor ihrer Anlage geklärt sein müssen: Im Bebauungsplan muss eine Dachbegrünung erlaubt sein. Bei Altbauten muss die Genehmigung eingeholt werden. Die Last der Begrünung (Substrat, Wasser, Pflanzen) muss statisch berücksichtigt werden. Das Flachdach muss fachgerecht abgedichtet sein und mit einer durchwurzelungsfesten Folie versehen sein. Zur Entwässerung bietet sich bei Extensivbegrünung eine leichte Dachneigung von bis zu 25 Grad an. Jedoch sind ab zehn bis 15 Grad Dachneigung besondere Maßnahmen zur Rutschsicherung notwendig. Bei einer intensiven Begrünung sollten es nicht mehr als fünf Prozent sein.
Fördermittel für Dachbegrünung
Spannend wird das Thema ähnlich wie bei der Solartechnik auch durch Förderungen des Bundes und anderer Akteure. So ist Dachbegrünung zum Beispiel unter bestimmten Voraussetzungen im Zuge der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) förderfähig – entweder über einen Förderkredit mit Tilgungszuschuss von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder durch einen Zuschuss vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Der Antrag auf Förderung muss jedoch vom Kunden der Dachdecker vor der Auftragserteilung gestellt werden. Zudem ist die Einbindung eines sachverständigen Energieberaters Pflicht. Obendrein lohnt es sich, nach regionalen Förderprogrammen zu suchen. Denn verschiedene Bundesländer, Städte oder Kommunen haben bereits eigene Förderprogramme aufgelegt, um die Dachbegrünung zu belohnen.
Konkurrenz oder Partner: Der GaLaBauer
Eine Besonderheit bei Dachbegrünung für Dachdecker die Konkurrenz oder auch eine denkbare Partnerschaft mit Betrieben des Garten- und Landschaftsbaus (GaLaBau). Gerade bei extensiver Begrünung von Flachdächern braucht es heute für Dachdecker kein umfangreiches Know-how, um diese lukrative Zusatzleistung mit anbieten zu können. Eine Partnerschaft mit einem GaLaBauer ist eher dann wichtig, wenn es um intensive Dachbegrünung bis hin zu Dachgärten geht. Da macht es Sinn, im eigenen Netzwerk einen solchen Gartenbauexperten zu haben, um Flachdachaufträge aus einer Hand anbieten zu können.
Gründach: Hut der Schwammstadt
Ein besonderes Konzept, innerhalb dessen Gründächer eine besondere Rolle spielen, ist die sogenannte Schwammstadt. Wasser soll hierbei nicht wie in der klassischen Stadt möglichst schnell durch die Kanalisation fortgeleitet, sondern lokal gespeichert werden. So können Überflutungen bei Starkregenereignissen vermieden, das Stadtklima verbessert und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen gefördert werden. Durch Elemente grüner Infrastruktur wie Bäume, Fassadenbegrünung und Dachbegrünung kann auch ein größerer Teil des Wassers verdunsten und so zur Kühlung der Stadt beitragen.
Testprojekt intelligente Dachbegrünung
Gerade vor diesem Hintergrund findet sich seit Kurzem ein spezielles Gründach in Hamburg: Es wird nicht nur bald Heimat für Pflanzen sein, sondern kann Wasser im Übermaß speichern, kann in die Zukunft schauen – und weiß so sogar, wann es besonders durstig sein muss. Es ist laut Betreiber Hamburg Wasser ein „smartes Retentionsdach“. Klingt etwas seltsam? Verständlich, doch dieses wenige Quadratmeter große und auf dem dortigen Betriebsgelände auf einem Schalthäuschen realisierte Retentionsdach dient als Testbett für eine Idee: automatische Wasserabgabe vor Starkregenereignissen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Gründächern wurde hier eine zusätzliche Speicherschicht auf dem Dach eingebaut.
Smart Flow Control für intelligente Wasserspeicherung
Auf dem Dach kann Regenwasser (etwa 800 Liter) so dezentral zwischengespeichert werden, verdunsten oder verzögert an eine nahe Versickerungsmulde abgegeben werden. Diese Abgabe wird nicht manuell ausgelöst, sondern die smarte Drossel – ein „intelligentes“ Wasserablassventil – ist mit einer Wetterapp verbunden und öffnet sich automatisch, wenn große Regenmengen durch die Wetterdienste angekündigt werden. „So entstehe in der Speicherschicht Raum für neues Wasser, während das alte Wasser sicher versickern könne“, sagt Ole Braukmann, Pressesprecher von Hamburg Wasser. Das Dach musste jedoch zunächst durch eine Unterkonstruktion für das Retentionsgründach vorbereitet und abgedichtet werden. Das Gründach wird in den nächsten Wochen bepflanzt.
Monitoring zur Bewertung
Die Zukunft wird auch zeigen, ob die Idee taugt und das smarte Gründach auch für größere Dächer infrage kommt. „Da die Starkregensaison von Mai bis September geht, und wir das Dach erst letzten Winter in Betrieb genommen haben, können wir hierzu noch keine fundierte Aussage treffen“, so Braukmann. Der Betrieb des Dachs werde durch ein Monitoring begleitet. Dazu haben sie neben dem Häuschen eine Wetterstation aufgebaut. Diese dient vor allem dazu, die gefallenen Mengen an Regen mit den Vorhersagen, von denen die Drossel für die korrekte Leerzeit ja abhängig ist, abzugleichen. Hinzu kommen Messwerte vom Dach selbst, wie die Feuchte und der Abfluss. Valide Ergebnisse dazu sollen im vierten Quartal dieses Jahres vorliegen.
Idee mit Potenzial für Dachbegrünung
Das Konzept könnte bei Erfolg großflächig eingesetzt werden und so zahlreiche Dächer verschiedener Abmessungen – die passende Statik vorausgesetzt – zu intelligenten Wasserspeichern machen und so helfen, Hamburg vor Starkregenereignissen zu schützen. Denn jeder Liter, der auf den Dächern zwischengespeichert wird, hilft gegen Überschwemmungen. Deshalb ist das smarte Retentionsdach auf dem Betriebsgelände von Hamburg Wasser auch Teil des RISA-Projekts. Die Abkürzung steht für RegenInfraStrukturAnpassung. Hinter diesem Titel steht das Vorhaben von der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) sowie von Hamburg Wasser, Konzepte und Lösungen für einen zukunftsfähigen Umgang mit Regenwasser umzusetzen. Das Ziel: Schwammstadt.
Sie interessieren sich für Dachbegrünung? Dann lesen Sie unsere Story über fünf Häuser mit 39 Wohnungen im Wiesbadener Stadtteil Kohlheck direkt am Waldrand, die von der Flachdach- und Begrünungsbau GmbH mit dazu passenden Gründächern versehen worden sind.