4,5 Tage: Bei Jacobi Dächer & Gerüste wird anders gearbeitet
12. September 2024
Angefangen hat alles mit einer Baustelle, die mehr als eine Stunde vom Firmensitz entfernt lag und auf der das Dachdeckerunternehmen Jacobi Dächer & Gerüste, Mitgliedsbetrieb der DEG Alles für das Dach eG, zwei Jahre lang gearbeitet hat. Für eine Montage lag sie zu nah, aber die Fahrt kostete eine Menge Zeit – viele Stunden, die für Familie und Freizeit fehlten.
So entstand die Idee für ein „Pilotprojekt“. Der Betrieb testete die 4-Tage-Woche. Das hieß, vier Tage länger arbeiten, aber dafür freitags gar nicht mehr, um die Fahrzeit zu reduzieren. Statt fünfmal hin und her, wurde auch nur noch viermal gefahren. Und wenn schon lange unterwegs, dann gleich richtig, dafür ein Tag mehr für Hobbys, Kinder und Familienleben.
Höhere Produktivität und geringere Kfz-Kosten
Der Effekt: Mehr Produktivität, messbar geringere Kfz-Kosten und außerdem zufriedenere und motiviertere Mitarbeiter. Das war Grund genug, über ein dauerhaft neues Arbeitszeitmodell nachzudenken, fand Juniorchef Frederik Jacobi. Die gesammelten Erkenntnisse aus zwei Jahren Pilotprojekt waren Grundlage für drei Modelle, die im gesamten Team vorgestellt und danach in zahlreichen Einzelgespräche vertieft wurden. „Ich habe so lange erklärt“, sagt Frederik Jacobi, „bis alle 56 Mitarbeiter die drei Varianten verstanden haben!“ Die größte Schwierigkeit bestand darin, Arbeitszeitgesetz, Tarifvertrag und betriebliche Abläufe sinnvoll und regelkonform in Einklang zu bringen.
1: Die Alles-bleibt-wie-es-ist-Variante
Es werden weiterhin von Montag bis Donnerstag 8,75 Stunden täglich gearbeitet und jeden Freitag 6,75 Stunden. So, wie immer!
2: Die Reine 4-Tage-Wochen-Variante
Dann läge die tägliche Arbeitszeit bei 9,5 bis 10 Stunden und insgesamt würde die Arbeitszeit um 5 Prozent reduziert. Weniger Zeit hieße in der Konsequenz allerdings auch fünf Prozent weniger Lohn. Zeit ist Geld, auch im Handwerk!
3: Die 9/10-Variante – 4,5 Tage-Woche
In dieser Variante werden abwechselnd eine Woche mit fünf Tagen und eine Woche mit vier Tagen gearbeitet bei durchgängig 9 Stunden an allen Arbeitstagen im Sommer, also an 9 von 10 Werktagen in zwei Wochen. „Auf diese Weise entsteht kein monetärer Verlust“, konnte Frederik Jacobi seinen Mitarbeitern erklären, „und jeder zweite Freitag ist frei.“
Brückentage urlaubsschonend eingerechnet
Dabei hat er in das Modell 4,5-Tage-Woche alle Brückentage, etwa bei Christi Himmelfahrt, als „freie Tage“ in einen Kalender eingetragen und so verteilt, dass die Beschäftigten im Betrieb an keinem dieser Tage Urlaub nehmen müssen und alle 27 Urlaubstage zusätzlich zur Verfügung stehen. Das sind nach dem Modell 27 an der Zahl, umgerechnet durch die 4,5-Stunden-Woche. Bei einer reinen 4-Tage-Woche wären noch 24 Urlaubstage geblieben, zusätzlich zu den freien Freitagen. Das zu erklären hat am längsten gedauert, am Ende haben es alle verstanden.
Deutliche Mehrheit für 4,5-Tage-Woche
Bei einer Abstimmung unter allen 56 Mitarbeitern von Jacobi Dächer & Gerüste sprach sich eine deutliche Mehrheit für die Variante mit der 4,5-Tage-Woche aus. Es wurde eine Vereinbarung dazu erstellt, die alle Mitarbeiter unterschrieben, auch die, die eine andere Variante vorgezogen hatten. Seit Januar 2024 arbeitet Jacobi Dächer & Gerüste nach diesem neuen Modell. Vor allem ein paar ältere Beschäftigte waren anfangs dagegen. Inzwischen finden sie es alle klasse, dass sie Familienzeit und Freizeit besser organisieren können. In jeder zweiten Woche laufen auch sie inzwischen lächelnd über die Baustellen. Auch das anfängliche Murren darüber, dass ein Freitag etwas länger geworden ist, war bald verstummt.
Mehrfacher Gewinn für Mitarbeiter und Betrieb
Effektiv ist es bei der gleichen Arbeitszeit geblieben. Der Gewinn liegt in der besseren Verteilung der Zeit. Für den Betrieb bringt es den Vorteil einer höheren Produktivität, weil die Summe aller Fahrstrecken um zehn Prozent geringer ausfällt und der Betrieb auf diese Weise nachweisbar effektiver arbeitet. Das, so Frederik Jacobi, „stand nicht im Vordergrund, sondern hat sich so ergeben.“ Die wesentliche Änderung gegenüber dem Pilotprojekt ist, dass die Regelung nicht mehr baustellenbezogen gilt, sondern auf Dauer für den gesamten Betrieb.
Kunden haben kein Problem mit 4,5-Tage-Woche
Die Kunden haben damit kein Problem, hat der Betrieb festgestellt. „Klar“, sagt Jacobi, „die Rohbauer arbeiten auf den gleichen Baustellen sechs Tage durch. Das war schon immer mehr, als wir gearbeitet haben.“ Ein externer Bauleiter, erinnert er sich, habe sich beschwert. „Aber schließlich gibt so viele Faktoren, wie das Wetter, Materiallieferungen oder anderes, die eine Rolle spielen auf großen Baustellen. Es sind ohnehin nicht immer alle zur gleichen Zeit da.“
Höhere Wechselfreudigkeit bei Dachdeckergesellen
Jacobi erkennt einen Trend am Arbeitsmarkt für Dachdecker. Es sei viel Druck zu spüren. Die Erwartungshaltung habe sich geändert und die Wechselfreudigkeit der Gesellen sei größer als früher. Für die Arbeitnehmer habe sich viel geändert. „Jüngere wollen was erleben, gehen mal für eine Zeit ins Ausland, beispielsweise in die Schweiz. Loyalität gegenüber einem Betrieb war früher stärker ausgeprägt“, erläutert der Geschäftsführer. Innerhalb der Branche wird hart und aggressiv abgeworben. „Lehrlinge gibt es gerade jetzt wieder genug, aber je jünger sie sind, desto geringer ist die Bindung an den Betrieb. Gleichzeitig ist die Leidensfähigkeit etwas gesunken, was zusätzlich zu höheren Wechselquoten führt“, meint Frederik Jacobs.
4,5-Tage-Woche macht Betrieb attraktiver für Mitarbeiter
Es ist schließlich aktuell kein Problem, mal ein Jahr arbeitslos zu sein. Die Dachdecker wissen, dass sie jederzeit wieder einen neuen Arbeitsplatz finden und gehen mit der Arbeitssituation insgesamt wesentlich entspannter um. Es ergibt sich immer etwas. „Was immer mehr zählt, ist auch im Dachdeckerhandwerk die Work-Life-Balance“, erklärt der Juniorchef von Jacobi Dächer & Gerüste. So ist das neue Modell 4,5-Tage-Woche gleichzeitig ein Mittel, um gegen den Wechseltrend zu arbeiten und den Betrieb und das Arbeitsklima attraktiver für junge sowie altgediente Mitarbeiter zu gestalten. Selbstverständlich interessieren sich inzwischen auch Kollegen anderer Firmen für das „Modell Jacobi“.
Jacobi Dächer & Gerüste geht auch ansonsten gerne innovative Wege. Lesen Sie hier mehr über die Gründung einer eigenen PV-Firma mit einem Elektrobetrieb als Partner: BonnSolar.
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