Bauspenglerei Wagner: Von der Nietenzange zur Metallmanufaktur
12. Januar 2022
Vom Automechaniker zum Spenglermeister: Ziya Önkurtulus hat die Bauspenglerei Wagner im Münchener Umland aufgebaut, die auch Großprojekte stemmt. Hier erzählt er seine Geschichte.
Eigentlich hatte dem 22-jährigen Ziya Önkurtulus damals nur eine Nietenzange für eine Reparatur gefehlt. „Geh‘ doch mal zum Schmied-Sepp und frag‘ einfach, ob er Dir eine leiht“, war der Tipp von Freunden. Gesagt, getan, geliehen und am nächsten Tag brachte der junge Spengler Önkurtulus die Nietenzange wieder zurück zum Sepp ins oberbayerische Lohkirchen im Landkreis Mühldorf am Inn. Ein paar Monate und ein paar Spenglerarbeiten für den alteingesessenen Ein-Mann-Betrieb von „Sepp“ Wagner später war Önkurtulus Mitinhaber der Bauspenglerei Wagner – unter der Bedingung, Wagners Stieftochter künftig mit einer Leibrente zu unterstützen.
Nach der Meisterschule noch auf die Baustelle
Die Bauspenglerei Wagner hatte, auch Dank der Zufriedenheit der Kunden mit der Qualitätsarbeit des jungen Spenglergesellen, bald zwei Mitarbeiter. Das verschaffte Ziya Önkurtulus die Zeit, in Landshut seinen Meister zu machen. Morgens in aller Frühe schnell in den Betrieb, danach auf die Meisterschule und dann noch kurz auf die Baustelle, das war sein normaler Alltagswahnsinn. 1993 ging Sepp Wagner in den wohlverdienten Ruhestand und Önkurtulus, der ursprünglich mal Automechaniker und erst dann Spengler gelernt hatte, war von da an Alleininhaber. „Gut war mir eigentlich nie gut genug“, nennt er seine Philosophie, die den Betrieb wachsen ließ.
Reduzierte Belegschaft wegen Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel und die seit Jahren vergeblichen Bemühungen, Auszubildende zu finden, führten jedoch dazu, dass die Bauspenglerei Wagner den Mitarbeiterstab auf sechs gewerbliche Mitarbeiter, eine Bürokraft und die Bürounterstützung durch seine Ehefrau reduzieren musste. Die Hoffnung, irgendwann einmal auf Eltern von Jugendlichen zu treffen, die eine Handwerkslehre nicht als minderwertiger ansehen als eine Auszeit nach dem Abitur, hat er dennoch nicht aufgegeben. Ziya Önkurtulus gehört bis heute zu den – auch finanziellen – Förderern der Hauptschule an seinem heutigen Standort Ampfing.
Bauspenglerei Wagner: Sohn Emre steht als Nachfolger bereit
Nur sechs Jahre nach der Betriebsübernahme erblickte Sohn Emre das Licht der Welt und bald auch die Kabine des betriebseigenen Krans, von denen es heute vier gibt. „Ich wollte trotz aller Arbeit auch einen guten und intensiven Kontakt zu Emre haben“, erklärt Ziya Önkurtulus fast entschuldigend: die Work-Life-Balance eines Perfektionisten. Es kam, wie es kommen musste, und zwar nicht auf Drängen der Eltern, sondern aus Freude am Handwerk. Der Realschüler Emre Önkurtulus erlernte das Spenglerhandwerk. Die beste Ausbildung gibt es natürlich bei einem Perfektionisten: im elterlichen Betrieb der Bauspenglerei Wagner.
Junior Wagner mit Prüfungsnote 1,1
Das Ergebnis war die Prüfungsnote 1,1, der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm. „Nächstes Jahr steht die Meisterschule auf dem Programm“, freut er sich schon und damit auch auf den vollständigen Einstieg in die Geschäftsführung der Bauspenglerei Wagner. Das Credo seines Vaters, „Mein Beruf zeigt, was ich kann“, hat Emre Önkurtulus übernommen. Das bestätigen auch die Kunden des kleinen, aber feinen Bauspenglerei- und Dachdeckerinnungsbetriebs, der 2016 in Ampfing ein Areal erworben und einen komplett neuen Firmensitz aus dem oberbayerischen Kiesboden gestampft hat. Ampfing liegt nur wenige Kilometer südlich des Ur-Stammsitzes der Bauspenglerei Wagner in Lohkirchen, wo bis heute das zweigeschossige Materiallager beherbergt ist.
Mit den treuen Kunden stimmt die Chemie
Die Kunden kommen zur Bauspenglerei Wagner und nicht umgekehrt, denn die meisten von ihnen sind dem Betrieb schon lange treu: von „handverlesenen“ Bauträgern über Architekten, bei denen die gemeinsame „Chemie“ einfach stimmt. Die Kunden wissen, dass alles auf der Welt – und besonders im Ampfinger Teil der Welt – seinen Preis hat: den Preis von Önkurtulus. „Wir machen nicht einfach das, was Standard ist“, betont Ziya Önkurtulus. „Wir machen, was machbar ist.“ Und das nicht um der Aufträge Willen zu jedem Preis, sondern nur zu ihrem Preis. Mit so viel Herzblut bei der Metallsache zu sein, verdient eigentlich eher die Bezeichnung Manufaktur – Bauspenglerei ist schlichtweg eine Untertreibung.
Neues Großprojekt: Siedlung mit 48 Doppelhäusern
Das aktuelle und eines der größten Projekte der Bauspenglerei Wagner entsteht im oberbayerischen Poing – eine ganze Siedlung mit 48 Doppelhäusern. Terrassen und Kies- sowie Gründächer sind made by Önkurtulus. Das Prinzip bei den meisten seiner Angebote: Das Leistungsverzeichnis ist für andere da. Bei Önkurtulus setzen sie sich auch mal an die Planungssoftware, um Details auszuarbeiten und dann ihren Gesamtpreis zu machen.
Und der ist nicht verhandelbar. Klingt gnadenlos, ist aber ein optimaler Weg zu einem partnerschaftlichen und ehrlichen Vertragsverhältnis zwischen Bauherr, Planer und Auftragnehmer. „Meine Großmutter hat mir beigebracht, immer so durch eine Tür zu gehen, dass ich jederzeit wieder zurückkommen und den anderen ins Gesicht sehen kann.“
Zu wenige Handwerker kalkulieren richtig
Nach Ziya Önkurtulus‘ Meinung sind viel zu wenige Handwerker auch gute Betriebswirtschaftler und Kaufleute. „Da werden Aufträge angenommen, nur weil der Betrieb den Auftrag will oder braucht, anstatt mal richtig zu kalkulieren.“ Ganz klar hat dieser kaufmännische Blick auch dazu geführt, dass die Bauspenglerei Wagner Mitglied bei der Dachdecker-Einkauf Süd eG ist: „Mit jedem Einkauf generieren wir selbst einen Teil unserer Ausschüttung.“
Der Erfolg gibt dem 50-Jährigen Recht. Neben seiner „Handwerkskunst mit der Vielfalt von zehn Metallen“, wie er es ausdrückt, verleiht er auch regelmäßig seine vier Kräne. Drüber hinaus lässt er in seinem angrenzenden „Waschpark Ampfing“ Autos durch seine moderne Waschstraße und auf SB-Waschplätzen wieder in neuem Glanz erstrahlen. So ganz nebenbei hat er damit drei weitere Arbeitsplätze geschaffen. „Wenn Kunden zufrieden sind, geht es dem Betrieb gut. Und wenn es dem Betrieb gut geht, soll es auch den Mitarbeitern gut gehen“, ist die (vielleicht einzig richtige) Argumentationskette eines Unternehmers. Ziya und Emre Önkurtulus jedenfalls sind damit im dritten Jahrzehnt erfolgreich. Zusammen mit dem Ehrgeiz, aus Metall zu machen, was man aus Metall machen kann.
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