
Oster Dach: Wie eine Betriebsübergabe in der Familie gelingt
12. September 2023
Es ist eine unangenehme, gerne auf Morgen vertagte Aufgabe: Für das Schlimmste Vorkehrungen zu treffen und nicht nur das gelingende Leben zu planen, sondern sich auch der Möglichkeit schwerer Erkrankung oder eines viel zu frühen Todes zu stellen. Im Betrieb sollte der Notfallordner eigentlich immer angelegt und griffbereit sein.
Im Betrieb lief bis 2013 alles bestens
In dem von den Dachdeckermeistern Franz-Josef und Karin Oster 1986 gegründeten Dachdeckerbetrieb lief bis 2013 alles bestens. Das Familienunternehmen Franz-Josef Oster Zimmerei und Bedachungen in Bernkastel-Kues an der Mosel, Mitglied der DEG Alles für das Dach eG, war stetig und bot rund ums Dach alle Arbeiten aus einer Hand an. Das Ehepaar Oster hatte drei Kinder großgezogen, Madeleine, Laurin und Simeon und sie früh in die Belange des Unternehmens Einblick nehmen lassen. Die beiden ältesten waren dabei, sich auf eine Betriebsübernahme in fernerer Zukunft vorzubereiten.

Tochter Madeleine, damals 25 Jahre alt, hatte nach dem Abitur im elterlichen Betrieb eine Zimmererausbildung und anschließend die Meisterschule in Kassel absolviert und studierte Holzingenieurwesen an der FH Aachen. Ihr Bruder Laurin, damals 22, hatte gerade die Zimmerer-Ausbildung im elterlichen Betrieb abgeschlossen und sich ebenfalls für die Meisterschule in Kassel entschieden. Der jüngste Bruder, Simeon, war erst 15 Jahre jung und peilte das Abitur an. Da bekam der damals 52-jährige Firmengründer Franz-Josef Oster eine Krebsdiagnose.
Hoffen auf Genesung des Vaters
Es begann eine lange Phase des Hoffens und Bangens. Madeleine Peterson-Oster (34), inzwischen verheiratet, Mutter einer vierjährigen Tochter, erinnert sich an die Haltung ihres Vaters. „Ihm war es wichtig, dass wir Kinder unsere Ausbildungen zu Ende machen. ‚Geht weiter euren Weg, ich kümmere mich um mich‘, hat er uns gesagt.“ Noch ein gutes Jahr vor seinem Tod lässt sich Franz-Josef Oster als Vorstandsvorsitzenden der Dachdecker-Innung Bernkastel-Wittlich für eine weitere Amtsperiode wiederwählen. Die Organisation einer Betriebsübergabe steht nach der Diagnose zunächst nicht im Fokus. „Du hast halt die Hoffnung bis zum Schluss,“ erklärt Madeleine Peterson-Oster. Doch dann zeichnet sich um die Mitte des Jahres 2015 ab, dass der Krebs letztlich siegen wird.

Weichen stellen für die Betriebsübergabe
Jetzt plant Franz-Josef Oster gemeinsam mit Frau Karin und den Kindern resolut die bestmögliche Betriebsübergabe. Sie suchen nach vielen Seiten hin Beratung und Unterstützung. „Es ist nicht einfach, die passenden Leute zu finden,“ sagt Madeleine Peterson-Oster. „Nicht nur die fachliche, sondern auch die menschliche Ebene muss stimmen. Wir haben da Glück gehabt, sonst kann das auch in Hose gehen. Wir bekamen sehr viel Unterstützung von einem langjährigen Betriebsberater, mit dem wir ein Konzept für eine reibungslose Übertragung erarbeitet haben. Auch Beratungen der Kammern können in Anspruch genommen werden. Alles muss genau überlegt sein und es gibt nicht die eine richtige Lösung für alle Betriebe.“

Bei einer Veranstaltung vom Wirtschaftskreis Bernkastel-Wittlich e.V. lernt Franz-Josef Oster zudem einen Coach für Führungskompetenz, Persönlichkeitsentwicklung und Team-Building kennen. „Auf ein Coaching zu setzen war sehr ungewöhnlich für meinen Vater,“ findet Tochter Madeleine. „Aber dieser eine Coach, Markus Ries, hatte ihn beeindruckt. Er legte uns ans Herz, diesen Menschen zu kontaktieren, wenn wir uns danach fühlen sollten. Unser Vater hatte großes Vertrauen, dass er ein wichtiger Wegbegleiter und Mentor werden würde“, erinnert sich Peterson-Oster. „Schon früh nach der Betriebsübergabe entschieden wir, die Hilfe von Markus Ries in Anspruch zu nehmen, zuerst für uns als Familie gemeinsam, dann für individuelle Gespräche. So hatten wir Kinder vom ersten Tag an jemanden, der uns im Prozess der Betriebsübernahme begleitet hat. Das hat mein Vater sich noch gewünscht.“ Im März 2016 starb Franz-Josef Oster mit nur 55 Jahren.

Eine neue Rechtsform als Basis
Kurz zuvor, zum Jahreswechsel 2015/2016, wird aus Franz-Josef Oster Zimmerei und Bedachungen die Oster Dach + Holzbau GmbH mit den GesellschafterInnen und GeschäftsführerInnen Karin, Madeleine und Laurin Oster. Madeleine Peterson-Oster steht zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Abschluss ihres Studiums und hat parallel noch die Prüfung zur Dachdeckermeisterin abgelegt. Laurin Oster schließt kurz darauf die Meisterprüfungen als Zimmerer und Dachdecker erfolgreich ab. Der jüngere Bruder Simeon Oster steht kurz vorm Abitur und soll seine Berufsentscheidungen frei treffen können. Würde er sich für den Familienbetrieb entscheiden, gäbe es die Option, ebenfalls Gesellschafter zu werden und später wie seine Geschwister geschäftsführend in die Verantwortung zu gehen.

Nestwärme als Markenkern
Der Coach Markus Ries begleitet die Geschwister, die Mutter und auch das inzwischen rund 30-köpfige Team der Oster Dach + Holzbau GmbH bis heute ganzheitlich, auch im Bereich des Marketings. 2018 erhält der Betrieb einen neuen Markennamen: OsterNEST. Inzwischen hat sich auch der jüngste der Oster-Geschwister, Simeon, für das Zimmererhandwerk und eine Ausbildung im Familienbetrieb entschieden.

Gemeinsam haben die Oster-Kinder den Familienbetrieb heute so weiterentwickelt, dass sie mit ihrer Mutter dort ihren Platz finden können, jede und jeder mit geballter Kompetenz. Die fließt in die Stärkung der Markenkerns: OsterNEST macht aus individuellen, gerne auch komplexen Wohnträumen in verlässlicher, kalkulierbarer Weise ein reales, behagliches Zuhause. OsterNEST steht für das Versprechen, sich so engagiert für das Projekt der Kunden und Kundinnen einzusetzen, „als ginge es um das eigene Zuhause“, schreiben die Geschwister auf der Webseite.

Die besten Lösungen maßgeschneidert
„Wir machen nichts von der Stange“, unterstreicht Madeleine Peterson-Oster. „Wir haben sehr gute Handwerker im Team und beraten intensiv. Wir sind kein Generalunternehmen, sondern arbeiten partnerschaftlich mit anderen, sehr guten Handwerksunternehmen zusammen. Für die Planung und Umsetzung der speziellen Wünsche brauchen wir Ideen und Know-how der anderen Gewerke, sonst wird es sehr standardmäßig. Für Großprojekte mag das gut sein, aber für unsere individuellen Projekte will ich das pragmatisch-quadratisch Abwaschbare nicht. Wir suchen immer die beste Lösung.“

Sanierung großer alter Winzerhäuser
Die vom Weinbau geprägte Region um Bernkastel-Kues ist bei Urlaubern beliebt. Es wird daher viel in Gästehäuser und Ferienwohnungen investiert. Auch kehren viele junge Leute mit ihren Familien in die Heimat zurück. OsterNEST hilft bei der Sanierung, Modernisierung sowie der neuen räumlichen Aufteilung der oft großen alten Winzerhäuser, unter Beachtung von Denkmalschutz und Energieeffizienz. Aber auch moderne Neubauten, Wohnraumerweiterungen, Gewerbe- und Sozialbau sowie die Sanierungen großer historischer Bauten hat die Oster Dach + Holzbau GmbH im Portfolio. Der Betrieb verfügt über eine große Fertigungshalle, eine Abbundanlage und einen gut bestückten Maschinenpark, aus dem auch verliehen wird.

Alle Osters unter einem Dach
Simeon Oster ist inzwischen Zimmerer und ebenfalls Gesellschafter der GmbH. Er hat einen Bachelor of Engineering im Holzingenieurwesen und setzt gerade mit einer vertieften Fortbildung in kaufmännischer Betriebsführung an der Handwerkskammer Koblenz das i-Tüpfelchen auf seine umfangreichen Kompetenzen. Er wird, wie seine Geschwister, seine ganze Schaffenskraft in das Familienunternehmen einbringen und perspektivisch die Mutter im Betriebsmanagement entlasten sowie die Kompetenzen im konstruktiven Ingenieurholzbau ausbauen.

Grundlegende Werte vereinen die Geschwister
Wie gelingt die Zusammenarbeit und die Aufgabenteilung, so dass alle aus der Oster-Familie den angemessenen Platz für sich und für das Ganze finden? Vieles haben die Eltern früh angelegt. Sie haben die individuellen Interessen und Begabungen der Kinder respektiert und gefördert. Sie haben sie zum Studium ermutigt und zur Rückkehr in den Familienbetrieb. „Sie haben selbst immer auf Weiterentwicklung gesetzt. Dabei haben sie die Vereinbarkeit von Selbständigkeit und Familienleben vorgelebt“, erinnert sich Madeleine Peterson-Oster.

Die Eltern hätten sie früh einbezogen und eingebunden. „Wir hatten viele Pflichten und im Gegenzug haben unsere Meinungen gezählt. Als Geschwister haben wir vielleicht auch Glück, denn wir passen in den Gemeinsamkeiten und Unterschieden ganz gut zusammen. Wir haben unterschiedliche Begabungen, Vorlieben und Abneigungen und schauen, dass es für uns alle passt“, erläutert Peterson-Oster. „Und in unseren grundlegenden Werten stimmen wir überein: Fairness, Vertrauen, Verlässlichkeit, Respekt.“
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