Betriebsübergabe Dachdecker: frühzeitig Planung starten
Betriebsübergabe

Betriebsübergabe: frühzeitige Planung sorgt für sichere Zukunft

20. August 2020

 · Henning Höpken

Vor dem Haus steht der rote Ford Pick-up, um den Dachdeckermeister Carsten Ahrnsen nicht nur von der Feuerwehr beneidet wird. Im Farbton RAL 3000 mit auffälligem Schriftzug und dem dynamischen Leiteraufsatz ist das Fahrzeug inzwischen zum Markenzeichen der Rüchel Bedachungs GmbH mit Sitz in Barßel im Oldenburger Münsterland geworden. Und wenn der neue 38-jährige Betriebsinhaber auch so einiges vom Vorbesitzer Roland Rüchel übernommen hat, so existierte dieses Fahrzeug zu Zeiten der Betriebsübergabe jedoch noch nicht.

Auf Anregung von Siegfried Schatke, ehemals Dachdecker-Einkauf Nordwest eG Niederlassungsleiter in Hesel, treffen wir uns im Besprechungsraum des modern ausgestatteten Dachdeckerbetriebes, um etwas zur Übergabe und den damit verbundenen Anforderungen zu erfahren. Ahrnsen kam drei Jahre nach der Gesellenprüfung im Jahr 2000 zum Dachdeckerbetrieb mit Bauklempnerei nach Barßel. Der aus Bochum stammende Betriebsgründer Rüchel erkannte schnell die versierte Fachkompetenz des jungen Dachdeckers. So befasste sich der heute 60-Jährige insgeheim schon zeitnah mit dem Gedanken, sich den Mitarbeiter als seinen Nachfolger vorzustellen.

Betriebsübergabe: Roland Rüchel, Sarah und Carsten Ahrnsen (v.l.n.r.)
Gründer Roland Rüchel (links) und der heutige Inhaber Carsten Ahrnsen mit Ehefrau Sarah freuen sich über die gelungene Betriebsübergabe. 

Bereits 2008 startete der Prozess der Betriebsübergabe

„Irgendwann haben wir das Thema mal angesprochen. Und als Carsten zielstrebig und ehrgeizig die Meisterprüfung anging, kam die Hoffnung auf, mit ihm den richtigen Mann an meiner Seite zu haben,“ erinnert sich Rüchel. Gleichzeitig erwähnt er aber seine damaligen Überlegungen, „was macht er dann, wird er bleiben, wechseln oder sich alleine selbstständig machen.“ 2008 absolvierte Ahrnsen die Meisterprüfung und er blieb. Damit war der Zeitpunkt gekommen, ernsthafter über die  gemeinsame Zukunft im Betrieb und eine Übernahme zu reden. Langsam angehen lassen und nichts überstürzen, lautete die gemeinsame Losung. Es galt, alle Kraft in die Leistungsfähigkeit des Betriebes zu stecken und einen fließenden Prozess in Gang zu setzen.

Betriebsübergabe: Chemie und Kaufpreis müssen stimmen

Auf Hilfe von außen, wie etwa von der Handwerkskammer oder anderen Institutionen wurde bewusst verzichtet. Eher folgten zahlreiche Arbeitssitzungen und Diskussionen mit den jeweiligen Steuerberatern. Diese setzten sich mit der Finanzplanung auseinander, wobei Streitigkeiten nicht ausblieben. Das Konzept für einen Fünf-Jahresplan wurde zunächst wieder gekippt, da eine fachliche Einigung schwer fiel. „Unsere Wünsche standen im harten Kontrast zur steuerlichen und gesetzlichen Machbarkeit. Dann mussten wir die Sache von einer anderen Perspektive angehen. Das war nicht nur einmal so“, berichtet Dachdeckermeister Rüchel.

Betriebsübergabe: Zum Markenzeichen geworden: Der Ford-Pick-up in sattem Rot
Zum Markenzeichen des Betriebs geworden: Der Ford-Pick-up in sattem Rot.

Denn: „Natürlich ist der Kaufpreis ein wichtiger Punkt. Aber vor allem kommt es darauf an, dass die Chemie zwischen allen Beteiligten stimmt; da hilft Vertrauen zueinander“, sagt Carsten Ahrnsen. „Und man muss sorgfältig überlegen, da alles, insbesondere auch steuerlich wasserdicht und für beide Partner zukunftssicher sein muss. Das gilt sowohl für den Betrieb des einen als auch für den gesicherten Ruhestand des anderen.“ Dieser Prozess kann einige Jahre dauern, aber es zahlt sich am Ende aus, die Betriebsübergabe ohne Zeitdruck und einvernehmlich realisieren zu können. Carsten Ahrnsen wurde Anfang Januar 2015 zunächst zweiter Geschäftsführer und zum Jahresbeginn 2018 kaufte er den 1990 gegründeten Betrieb. Dabei einigten sich beide auf ein Stufensystem, in dem Ahrnsen 2014/2015 einen Anteil von 49 Prozent und in 2017/2018 die weiteren 51 Prozent der GmbH übernommen hat. 2019/2020 gingen die Gebäude in den Besitz des neuen Inhabers über.

Betriebsübergabe: Ehefrau gibt Job im öffentlichen Dienst auf

Ehefrau Sarah Ahrnsen kam aus dem öffentlichen Dienst und stieg mit in das Büromanagement ein. „Kurz überlegen musste ich schon. Aber bald war klar, dass mir die vielseitige Arbeit im eigenen Familienbetrieb mehr geben würde als ich es von meinem bisherigen Job her gewohnt war“, sagt die Mutter einer Tochter. Die anfängliche Skepsis Rüchels gegenüber der „Beamtin“ legte sich aufgrund ihres selbstsicheren und fachlich versierten Auftretens sehr schnell.

Betriebsübergabe: die Generationen agieren unterschiedlich

Um sein unternehmerisches Wissen mit praktischen Sachkenntnissen zu fundieren tauschte Carsten Ahrnsen in den letzten zwei Jahren vor der Übernahme oft den Schreibtisch mit dem Dachstuhl auf der Baustelle. „Es gehört Mut dazu, aber ich hatte ja einen exzellenten Geschäftspartner, der mir jederzeit den Rücken stärkte“, resümiert der neue Inhaber. Und der jetzige Ruheständler Rüchel bestätigt gerne, dass sein Nachfolger ja „durch seine Praxis auf den Baustellen durchaus noch etwas mehr drauf hat. Ich selbst wäre manche Dinge lieber etwas vorsichtiger angegangen.“ Aber dabei mache sich eben der Generationsunterschied bemerkbar, und es sei das Recht der Jugend etwas stürmischer zu agieren.

Betriebsübergabe: Roland Rüchel, Sarah und Carsten Ahrnsen und Ex-DENW-NL-Leiter und Freund, Siegfried Schatke (v.l.n.r.)
Roland Rüchel, Sarah und Carsten Ahrnsen und Ex-DENW-NL-Leiter und Freund, Siegfried Schatke (v.l.n.r.)

Betriebsübergabe: einige Pluspunkte gegenüber einen Gründung

„Alles aus einer Hand“, lautet der Leitspruch von Rüchel-Bedachungen. Zehn angestellte Handwerker, einschließlich Auszubildender auf dem Dach und im Büro sorgen für zufriedene Kunden, vornehmlich im Einfamilienhausbau und bei der Sanierung. Bereits frühzeitig informierte man den Kundenstamm über die Nachfolge. Dass er hier einen florierenden Betrieb mit treuem Kundenstamm und besten Lieferanten-Beziehungen als Mitglied der Dachdecker-Einkauf Nordwest eG übernimmt, wurde dem neuen Chef mit der Zeit immer klarer. „So sind es doch einige Pluspunkte mehr, als mit einem Betrieb bei null anzufangen“, sagt Carsten Ahrnsen, bevor er mit seinem roten Pick-up zum nächsten Kundentermin startet. Roland Rüchel schaut ihm nach und verabschiedet sich mit den Worten: „Die Sache ist reibungslos gelungen. Alles ist gut.“ Man glaubt es ihm aufs Wort.

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