PV-Boom: Dachdecker leisten ihren Betrag zur Energiewende
22. August 2023
Der Photovoltaik-Boom sorgt weiterhin für Aufträge bei den Dachdeckern. Das Interesse bei den Privatkunden gehört dabei zu den wichtigsten Treibern. Denn deren Nachfrage nach PV-Systemen und Solarspeichern hat sich zwischen 2019 und 2022 mehr als verdreifacht. Das geht laut einer Pressemeldung des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) aus den Auswertungen des Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur hervor.
Zwei Drittel der Immobilieneigentümer wollen sich eine Solarstromanlage anschaffen, jeder sechste in den kommenden zwölf Monaten. Allein bei Dach- und Balkonanlagen im Bereich Eigenheim und Mietwohnungen wurden im ersten Quartal 2023 mit rund 159 000 PV-Systemen mehr als doppelt so viele Anlagen in Betrieb genommen als im Vorjahreszeitraum.
Interview mit Karl-Heinz Krawczyk
DACH\LIVE hat Dachdecker-Meister Karl-Heinz Krawczyk dazu befragt, wie das Handwerk die vielen Aufträge umsetzen kann und welche Herausforderungen es gibt. Er führt einen Betrieb in Freiburg, ist Landesinnungsmeister in Baden-Württemberg, bietet Coaching und Vorträge an und macht den „Dachdecker-Podcast“ mit seinem Kollegen Michael Zimmermann. Zunächst spricht er über die Erfahrungen bei der PV-Kooperation mit den Elektrikern im „Ländle“.
Sie sind in Baden-Württemberg Vorreiter, wie lautet Ihr erstes Fazit?
Wir haben uns sehr gefreut über die Bereitschaft der Betriebe mitzuziehen. Sie haben erkannt, dass die Kooperation mit den Elektrikern bei PV-Anlagen jetzt sinnvoll ist, obwohl ja bislang der Konkurrenzgedanke normal war. Es ist unseren Betrieben in Baden-Württemberg klar, dass wir nach der Einführung der Solarpflicht durch die Landesregierung nur im Schulterschluss mit den Elektrikern den Boom meistern können.
Sie sind ja auch auf Verbandsebene sofort aktiv geworden oder?
Ja, wir waren als Landesinnung der Dachdecker sehr schnell im Gespräch mit den Verbandskollegen der Elektriker. Und seitdem sind wir im regen Austausch. Das ist auch ein Signal an die Politik: Wir wollen über die Gewerke hinweg gemeinsam unseren Beitrag zur Energiewende leisten. Um das klar zu machen, führen wir auch regelmäßig Lobbygespräche mit politischen Entscheidungsträgern oder Energieversorgern.
Wie unterstützen die Verbände die Kooperation der Betriebe vor Ort konkret?
Wir Dachdecker wollten es von Beginn an nicht bei Absichtserklärungen belassen. Stattdessen haben wir mit den Elektrikern tatsächlich ganz klare Absprachen und Regelungen getroffen für die Kooperationen vor Ort. Dafür haben wir die PV FAQ entwickelt, also einen Leitfaden für alle wichtigen Fragen und Antworten rund um das Thema und mögliche Unterstützung durch die beiden Verbände.
Wie sorgen Sie dafür, dass die Infos auch bei den Betrieben ankommen?
Jeder Verband geht über alle verfügbaren Infokanäle auf die eigenen Betriebe zu. Wir haben das Thema etwa in den Fokus gerückt auf unserem jüngsten Landesverbandstag in Konstanz. Mein Eindruck ist, dass die Dachdecker, die PV-Anlagen verstärkt machen wollen, entweder bereits Elektrikerbetriebe als Partner haben oder in Gesprächen sind.
Wo sehen Sie aktuell die Herausforderungen?
Zum einen sehe ich hier das Problem, dass unsere Betriebe nicht genügend Fachkräfte haben, um dem aktuellen PV-Boom gerecht werden zu können. Denn das normale Geschäft füllt die Kapazitäten bereits voll aus. Wachstum mit neuen Geschäftsfeldern braucht Mitarbeiter. Das benötigt Zeit und geht nicht sofort. Dabei brauchen wir Vollgas beim Klima und wollen der Politik Druck machen. Wir müssen junge Leute ins Dachdecker-Handwerk holen nach dem Motto: montieren statt demonstrieren.
Gibt es weitere Hindernisse?
Wir haben ein Problem bei der Materialverfügbarkeit. Ich mache als Betrieb die Dachsanierung, aber dann ist die PV-Anlage nicht verfügbar. So viele Privatleute wollen jetzt eine PV-Anlage, das treibt die Preise hoch. Und in Verbindung mit der hohen Inflation und steigenden Zinsen sorgt es dafür, dass viele Kunden sagen: Ich kann mir nicht mehr beides leisten, Dachsanierung und PV-Anlage.
Und das heißt?
Dass es sinnvoll ist, erst das Dach zu sanieren und dann eine Solaranlage zu montieren, ist klar. Wenn wir bei einer Sanierungsrate von rund 1,5 Prozent in Deutschland aber erst einmal abwarten wollen, bis alle Dächer saniert sind, kommen wir überhaupt nicht voran. Spricht sich der Kunde also gegen eine Sanierung, aber für eine Solaranlage aus, und das Dach ist dafür geeignet, sollten wir uns diesem Wunsch nicht verschließen.
PV-Umfrage des ZVDH unter Mitgliedsbetrieben
Dass die Dachdecker von der Wichtigkeit einer festen Kooperation mit Elektrikern überzeugt sind, zeigt sich auch in einer Umfrage des ZVDH zum Thema Photovoltaik, an der sich 1.161 Betriebe beteiligt haben. 75 Prozent gaben an, Leistungen im Bereich PV-Anlagen anzubieten. Hauptgründe dafür, dass diese Zahl nicht höher ist, liegen für die Betriebe im Personalmangel, fehlendem Know-how und ohnehin hoher Auslastung. 40 Prozent bieten das Rundum-Sorglos-Paket an, in der Regel mit einem Elektrobetrieb als Partner. Und rund 15 Prozent der Befragten haben bereits eine Kombination von Photovoltaik und Gründach umgesetzt.
Mehrheitlich werden weiterhin Aufdachanlagen verbaut, aber auch Indach-PV und Solarziegel sind inzwischen mehr als ein Nischenprodukt. Die Materialsituation bleibt schwierig: Bei den PV-Modulen zeigt sich, dass diese bei 90 Prozent der Dachdecker-Betriebe nach höchstens acht Wochen zum Einsatz vorliegen. Länger warten sie jedoch auf Wechselrichter und Stromspeicher. Hier geben ein Drittel Lieferfristen von bis zu sechs Monaten an.
Sie interessieren sich für das Thema Photovoltaik? Dann lesen Sie unsere Story über ein Praxisprojekt auf einem Einfamilienhaus.