Dachdecker: mit vorsichtigem Optimismus ins Jahr 2024
28. Dezember 2023
Wer viel mit einzelnen Betrieben spricht, wie unser Journalistenteam, der hört fast nichts von Krise, hingegen viel von vollen Auftragsbüchern bis weit ins Jahr 2024 hinein. Dachdecker machen weiterhin gute Geschäfte – unabhängig davon, dass der Neubau von Wohnungen stark rückläufig ist. Wir stellen wichtige Faktoren vor, welche die Geschäftsaussichten der Bedachungsbranche beeinflussen.
Energetische Dachsanierung und PV-Anlagen
Bestätigen kann diese Einschätzung Claudia Büttner, Pressesprecherin des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). „Wir erhalten bislang von unseren Betrieben keine Rückmeldungen, dass sie starke Auftragsrückgänge hätten.“ Es hat damit zu tun, dass der Neubau laut ZVDH-Betriebsumfragen zuletzt nur rund ein Viertel der Aufträge für Dachdecker ausmachte. „Zudem geht es mit energetischer Dachsanierung und PV-Anlagen weiter. Wir sind vorsichtig optimistisch“, erklärt Büttner. Und neben der Krise im Neubau gebe es gesamtwirtschaftlich auch Indizien für eine Verbesserung der Lage. Man müsse ja nur mal schauen, dass die Inflation bereits wieder sinke. Die Inflationsrate lag im September 2023 gerade noch bei 3,8 Prozent. Zuletzt verzichtete deshalb die Europäische Zentralbank auf eine weitere Erhöhung der Leitzinsen. Und das ifo-Institut geht davon aus, dass beim Bruttoinlandsprodukt die Talsohle erreicht ist und das Wirtschaftswachstum langsam wieder anziehen wird.
Herausforderung Fachkräftemangel
Probleme haben die Betriebe vor allem damit, die Anfragen und Aufträge der Kunden abzuarbeiten, denn vielerorts fehlen Azubis und Fachkräfte. Und das, wo doch die Dachdecker und Zimmerer, so wünscht es die Bundesregierung, maßgeblich die Energiewende mitgestalten sollen: einmal durch energetische Sanierung, um Energie einzusparen, und einmal durch die Installation von PV-Anlagen in Kooperation mit Elektrikern, um nachhaltig Strom gewinnen und die Abhängigkeit von Gas und anderen fossilen Brennstoffen weiter reduzieren zu können.
Ein Thema, das der Dachdecker-Meister und Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, gegenüber der FAZ an die Politik zurückspielte. „Das Problem dabei ist, dass die Photovoltaikanlagen nicht allein aufs Dach klettern und die Wärmepumpen nicht selbstständig den Weg in den Vorgarten oder den Heizungskeller finden. Dafür braucht es Menschen, viele Menschen. Handwerkerinnen und Handwerker, um genau zu sein. Denn nicht nur der Klimawandel ist menschengemacht, sondern auch die Energiewende.“
Energiewende wird von Menschen gemacht
Und damit diese gelingen kann, braucht es eben neben einem Bekenntnis auch die passenden Rahmenbedingungen für die Menschen, die es richten sollen: die Handwerker. Denn die wachsen nicht auf den Bäumen. Eine Lobby haben sie aber nicht in Politik und Gesellschaft und schon gar nicht in den Schulen. „Die Vorurteile gegenüber dem Handwerk sitzen tief und werden schon früh vermittelt. In der Schule fängt das bereits an. Handwerkliche Bildungsinhalte und deren praktische Anwendung finden sich in kaum einem Lehrplan. Und das hat Folgen“, erläutert der ZDH-Präsident.
Berufliche Bildung endlich aufwerten
Denn die Schülerinnen und Schüler passten sich an eine Welt an, in der das Verstehen der Photosynthese viel zähle, aber das Verarbeiten des dadurch entstandenen Holzes nicht Teil des Unterrichts sei. „Dadurch geht so viel verloren. Der Sinn fürs Haptische, die Freude daran, etwas zu erschaffen. Das Begreifen. Die fehlende Beratung über Berufs- und Karrieremöglichkeiten im Handwerk tut dann ihr Übriges“, meint Dachdecker Dittrich. Er fordert, endlich Ernst zu machen mit der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung. Das ist aber noch nicht in Sicht. „Während der Hochschulpakt auf über zwei Milliarden Euro aufgestockt wurde, gibt es für die Berufsbildungszentren und die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung keine vergleichbaren Steigerungen“, führt der Dachdeckermeister aus.
Wohnungsbau bricht weiter ein
Der Fachkräftemangel wird die Betriebe auf absehbare Zeit weiter begleiten. Ob und wie sich die Krise des Neubaus ab dem kommenden Jahr auf die Geschäfte auswirkt, ist schwer vorhersehbar. Einbußen wird es hier sicherlich geben. Schon für 2023 wird die Zahl der jährlich fertiggestellten Wohneinheiten deutlich unterhalb der angestrebten 400 000 Einheiten liegen. Das ifo-Institut geht von rund 245 000 Einheiten aus. Diese Zahl wird bis 2025 voraussichtlich auf ungefähr 200 000 schrumpfen, lautet die Prognose. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe sprach Anfang Dezember in seinem Konjunkturausblick von voraussichtlich 271 000 neuen Wohneinheiten für dieses Jahr und nur noch 235 000 Wohneinheiten für 2024.
Steueranreize und Förderungen
Um dem negativen Trend bei der Schaffung neuer Wohnungen entgegenzuwirken, hat jüngst die Bundesregierung nach dem Wohnungsbaugipfel ein Maßnahmenpaket geschnürt. Zentral ist dabei die Einführung einer degressiven AfA von jährlich sechs Prozent für neu errichtete Wohngebäude, was eine schnellere Refinanzierung der Investitionen ermöglicht. Wichtig: Diese Afa gilt bereits ab einem Effizienzstandard von EH 55. Der ZVDH kommentiert dazu eher nüchtern: „Schadet nicht, ist ein Baustein unter vielen, der in die richtige Richtung geht, wird aber nicht die ganz große Strahlkraft erreichen.“
KfW-Förderprogramme werden ausgeweitet
Hinzu kommt die vorläufige Rücknahme des KfW-Standards Effizienzhaus 40. Um die Baukosten zu senken, gilt jetzt nur noch der niedrigere Standard Effizienzhaus 55. Ein zweischneidiges Schwert laut ZVDH, denn so wird bei einem Neubau oder einer Sanierung natürlich weniger Energie eingespart. Dieser Baustein soll zusammen mit der Ausweitung der KfW-Programme „Klimafreundlicher Neubau“ und „Wohneigentum für Familien“ für mehr private Nachfrage sorgen. Letzteres Programm wurde bislang wenig nachgefragt. Jetzt werden die Obergrenzen deutlich erhöht: Familien können künftig mit einem zu versteuernden Einkommen von bis zu 90 000 Euro pro Jahr, bei einem Kind, die zinsvergünstigten Darlehen beantragen. Pro Kind kommen bis zu 10 000 Euro hinzu. Genau dies hatte der ZVDH bereits im Vorfeld angeregt.
Schneller planen und bauen
Einen Schub könnte es auch für Dachdecker bringen, wenn wie angekündigt Baubürokratie tatsächlich abgebaut wird. Ein einmal genehmigter Bautyp im seriellen und modularen Bauen soll nach dem Willen der Bundesregierung von allen Bundesländern gegenseitig anerkannt und die Dauer von allen Genehmigungsverfahren zeitlich begrenzt werden. Und Nutzungsänderungen von Dachgeschossen zu Wohnzwecken einschließlich der Errichtung von Dachgauben werden künftig unter bestimmten Bedingungen in allen Landesbauordnungen genehmigungsfrei sein. „Immerhin wird das Dach erwähnt, aber von der ZVDH-Forderung, den Ausbau von Dachgeschossen und Dachaufstockung auf Bundesebene intensiv zu fördern, ist das noch weit entfernt, obwohl hier schnell mehr Wohnraum geschaffen werden könnte“, sagt Pressesprecherin Claudia Büttner. Stutzig mache auch die vage Formulierung „unter bestimmten Bedingungen“.
Sanierungsquote bei Gebäuden unter einem Prozent
Der Ausbau von Dachgeschossen und die Dachaufstockung sind sicher für Dachdecker lukrative Geschäftsfelder – neben der energetischen Sanierung inklusive PV-Anlagen. Klar ist, wenn wir in Deutschland die Klimaschutzziele erreichen wollen, muss die Sanierungsquote in den nächsten Jahren steigen. Diese liegt zum Jahresende 2023 insgesamt bei nur 0,72 Prozent, für Fassade bei 0,54 Prozent, Dach bei 0,75 Prozent und Fenster bei 1,28 Prozent. Dies hat eine neue Marktdatenstudie der B+L Marktdaten Bonn im Auftrag des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle e.V. (BuVEG) ergeben. Damit liegt die Sanierungsquote sogar noch weit unter der bisherigen Annahme von einem Prozent, auf deren Grundlage die Politik eine Verdopplung auf zwei Prozent für die Erreichung der Klimaziele kalkuliert hatte. „Wenn weiter in diesem Schneckentempo in Deutschland energetisch saniert wird, brauchen wir noch annähernd 100 Jahre, um den Gebäudebestand zur Klimaneutralität zu führen. Es besteht dringender Handlungsbedarf, denn rund 30 Prozent aller Wohngebäude befinden sich in einem energetisch unzureichenden Zustand“, erklärt BuVEG-Geschäftsführer Jan Peter Hinrichs.
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