Eine Frau ist Bundessiegerin der Dachdecker
11. Dezember 2018
Für ihren Ausbilder Hartmut Berner war schnell klar, dass Julia Peetz viel praktisches Talent hat als Dachdecker. „Sie hat an kleinen Schieferfassaden begonnen selbstständig zu arbeiten. Das lief von Beginn an gut.“ Wohl auch deshalb, weil die junge Frau viel Spaß an der Arbeit mit dem Material Schiefer hatte. „Du brauchst da einen Blick für das Bearbeiten, wie es später aussehen soll. Und das ist immer individuell. Die Rundungen beim Schiefer sind die eigene Handschrift“, berichtet Peetz. Und im dritten Lehrjahr hat die junge Frau dann eigenverantwortlich gearbeitet auf dem Flachdach. „Da ist ein Mitarbeiter wegen Krankheit ausgefallen und ich konnte mit meinem Lieblingskollegen ein Team bilden. Der hat mich selber schweißen lassen und nicht mehr groß nach mir geschaut. Es hat gut gepasst und wir sind immer noch befreundet.“
Bundeswettbewerb der Dachdecker: Eine Kür mit vollem Risiko
Ihr praktisches Talent konnte sie zuletzt beim Bundeswettbewerb der besten Auszubildenden im Berufsbildungszentrum Mayen unter Beweis stellen. Hier trafen sich die Landessieger an zwei Tagen zum Wettbewerb am Modell. Wie hat sich Peetz darauf vorbereitet? „Ich habe viel geübt, noch nach Feierabend und an den Wochenenden. Mein Ausbildungsbetrieb Fink Bedachungen in Illingen hat mir zudem einen dreitägigen Kurs Biberkehle in Doppeldeckung in Thüringen ermöglicht. Das hat mir sehr geholfen, um hier eine Grunderfahrung zu bekommen.“ Nach der Gesellenprüfung kehrte sie in den eigenen Familienbetrieb Peetz Bedachungen in Tübingen zurück. Vom Vater wurde sie für einen einwöchigen Kurs in Karlsruhe freigestellt, um für den Bundeswettbewerb die eingebundene Biberkehle in Kronendeckung weiter trainieren zu können.
„Das ist eine komplizierte Eindeckung, der Anspruch ist sehr hoch. Ist eine Kreuzfuge drin, sorgt das für Undichtigkeit. Dann hast Du verloren“, erklärt Peetz. Sie setzte dann am ersten Wettbewerbstag bei der Arbeitsprobe nach Wahl, der Kür, dennoch auf die eingebundene Biberkehle. Das Risiko wurde belohnt mit dem Bundessieg der Dachdecker. Denn auch die beiden Überraschungsaufgaben am zweiten Wettbewerbstag meisterte die Junggesellin tadellos.
Das Team war stolz auf ihre Erfolge
Für Hartmut Berner war das keine Überraschung. „Sie hatte ja schon im Bezirk Karlsruhe die beste theoretische Prüfung der Lehrlinge aller Gewerke abgelegt und dafür den Preis der Werner-Stober-Stiftung gewonnen.“ Die junge Dachdeckerin verfügt über einen gesunden Ehrgeiz und möchte beste Leistungen abliefern. Dazu gehört auch, sich voll in ein Team zu integrieren. „Sie hat immer Wert darauf gelegt, dass wir sie nicht schonen. Also schippte sie auch den Kies, machte alles mit, auch im Sommer während der heißen Tage“, berichtet ihr Chef. So war das Team auch begeistert von den Erfolgen der Auszubildenden und stolz darauf, einen Teil dazu beigetragen zu haben. „Als Julia Peetz damals Landessiegerin wurde, habe ich zur Festveranstaltung zwei Vorarbeiter mitgenommen“, erzählt Berner. „Es braucht ein gutes Team, damit sich die Lehrlinge entwickeln können.“ Deshalb hat der Chef vor Beginn der Ausbildung auch seine Leute gefragt, ob sie eine junge Frau dabei haben wollen.
Rückkehr als Gesellin in den eigenen Familienbetrieb
Im eigenen Familienbetrieb will Julia Peetz zunächst als Gesellin arbeiten, um Praxiserfahrungen auf dem Dach sammeln zu können. Damit schließt sich ein erster beruflicher Kreis. Schon während der letzten drei Schuljahre vor dem Abitur jobbte sie in den Ferien im Familienbetrieb. „Davor hatte ich beruflich eher an einen Bürojob gedacht, doch das Arbeiten draußen macht mir einfach viel Spaß.“ Nach dem Abitur wollte sie aber noch was etwas anderes machen und absolvierte in einer Grundschule ihren Berufsfreiwilligendienst (FSJ). „Ich habe da ein halbes Jahr die Kinder am Nachmittag betreut. Das war eine interessante Erfahrung.“
Meisterschule und Dachdecker-WM als nächste Ziele
Und was ist jetzt der nächste Schritt? Julia Peetz wird auf jeden Fall ihren Meister machen und danach mit in die Führung des Familienbetriebs einsteigen. 2020 könnte es soweit sein. Ein Jahr, indem eine weitere Herausforderung wartet: Die Dachdecker-WM in Peking. „Eigentlich fliege ich nicht so gerne und so weit, aber diese Erfahrung will ich auf jeden Fall mitnehmen.“ Und wenn sie am Ende auch dort hervorragend abschneidet, wäre das keine wirkliche Überraschung mehr.
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