Konjunkturbarometer: Was Dachdecker 2021 erwartet
29. Dezember 2020
Die Auftragsbücher sind meist noch gut gefüllt, die Zahl der gewerblichen Beschäftigten ist so hoch wie zuletzt 2001 und die Umsätze sind leicht gestiegen: 2020 ist trotz Corona ein unerwartet gutes Jahr für Dachdecker. Auch die ZEDACH-Gruppe liegt bei einem Umsatzplus gegenüber 2019 von aktuell sieben Prozent. Und Christian Birck, Chef der BMI Gruppe, spricht trotz der Belastungen durch Corona von einem sehr guten Jahr für sein Unternehmen mit den Marken Braas, Icopal, Vedag und Wolfin.
Konjunkturbarometer: rückläufiger Wirtschaftsbau wirft erste Schatten
Doch unser Konjunkturbarometer zeigt auch Schatten am Horizont. Bei den Dachdeckern gab es im Juli und August ein Umsatzminus gegenüber dem Vorjahr. Und bei den Auftragseingängen und Baugenehmigungen zeigt die Entwicklung nach unten, im öffentlichen Bau und vor allem im Wirtschaftsbau. „Wir haben hier Frühindikatoren, die darauf hindeuten, dass im Laufe des Jahres 2021 vor allem im Bereich Flachdach ein Rückgang der Tätigkeiten entstehen könnte“, erläutert Felix Fink, Bereichsleiter Wirtschaft und Unternehmensführung beim Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH).
Dachdecker und Zimmerer machen 2020 erneut Umsatzplus
Doch der Reihe nach: Während laut aktuellem Gutachten des Sachverständigenrates für 2020/21 das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr um 5,1 Prozent sinkt, vermelden die Dachdecker bis Ende August ein Plus von 3,6 Prozent, die Zimmerer sogar von 7,0 Prozent. Fink geht davon aus, dass am Jahresende immer noch ein Umsatzplus von über zwei Prozent steht. Was ihn trotz der Rückgänge im Juli und August positiv stimmt: „Gegenüber 2019 gibt es dieses Jahr im vierten Quartal drei Arbeitstage mehr, weil Feiertage auf einen Wochenendtag fallen. Dies macht bezogen auf die Jahres-Produktivtage ein Plus von rund 1,6 Prozent, das sich bei ähnlichen Witterungsbedingungen bemerkbar machen sollte.“
Konjunkturbarometer: Private Kaufkraft bislang von Corona wenig betroffen
Positiv sind bislang die allgemeinen Rahmenbedingungen. So geht das Statistische Bundesamt von einer Inflationsrate von minus 0,2 Prozent für 2020 aus. Das heißt: Aufgrund der dreiprozentigen Senkung der Mehrwertsteuer und stark gesunkener Energiepreise ist die private Kaufkraft in der Krise bislang wenig betroffen. „Und aktuell gibt es kaum lukrative Möglichkeiten der Geldanlage. Dann wird Geld in Beton angelegt. Die Leute sind mehr zuhause und das macht Lust zu sanieren. In Krisen wie dieser ist immer auch Psychologie im Spiel“, erklärt Bernhard Scheithauer, Vorstand Warenwirtschaft bei der ZEDACH-Gruppe und geschäftsführender Vorstand der Dachdecker-Einkauf Süd eG.
Konjunkturbarometer: Sorge um Lieferfähigkeit der Industrie
Was Scheithauer und der ZEDACH aktuell Sorgen macht, ist das Lieferthema. So hat zuletzt die DEG Dach-Fassade-Holz eG ihre Mitglieder darüber informiert, dass es bei einigen Industriepartnern längere Lieferzeiten gebe. Die Betriebe sollten das in ihre Planung einbeziehen. „Wir haben viel vorbestellt, haben gute Beziehungen und ein Gefühl für den Markt“, sagt Scheithauer dazu.
Aber etwa im Bereich Holz, bei Weichfaserplatten oder Dämmstoffen dauere es schon mal sechs Wochen. Oder auch beim Schrägdach, wo es Fittings, Formteile wie Firstziegel oder Ortgänge sind. „Das Thema wird uns bis zum Jahresende begleiten, danach wird die Winterpause für eine Entspannung sorgen“, erläutert Scheithauer. Für die Genossenschaften rückt damit der ursprüngliche Auftrag, eine Versorgungssicherheit für die Mitglieder herzustellen, noch einmal verstärkt in den Blick. „Wir sorgen für Liefertreue, etwa mit einer ausreichend hohen Lagerbevorratung in den Niederlassungen.“
BMI Gruppe gerät bei der Lieferfähigkeit für Dachziegel an die Grenzen
Christian Birck von der BMI Gruppe sagt, dass sein Unternehmen die Belastung spürt. „Wir freuen uns natürlich sehr über die verstärkte Nachfrage, aber bei der Lieferfähigkeit für Dachziegel sind wir nun an unsere Grenze geraten. Bei manchen Modellen müssen die Kunden leider etwas Geduld mitbringen.“
Positiv sei, dass die Werke und Mitarbeiter bisher gut geschützt werden konnten, aber die Produktion von Dachziegeln sei ein komplexer Prozess mit erheblichem Planungsvorlauf. „Unsere Öfen laufen rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche“, berichtet Birck. „Alle Mitarbeiter versuchen, selbst Unmögliches möglich zu machen.“
Insgesamt sei es nach wie vor eine kritische Zeit mit bundesweiten Corona-Ansteckungszahlen auf hohem Niveau. „Es wird sicherlich eine Hängepartie, bis es einen Impfstoff gibt“, erklärt Birck. „Die Frage ist: Wie geht es nächstes Jahr weiter, insbesondere hinsichtlich des Investitionswillens der privaten und gewerblichen Bauherren?“
Konjunkturbarometer: Unternehmen sind bei Investitionen zurückhaltender
Tatsächlich sind Unternehmen in vielen Branchen vorsichtig und warten ab in Sachen Investitionen. Sie wollen sehen, wie sich 2021 ihr Geschäft in Corona-Zeiten entwickeln wird. Bereits seit März 2020 wird der Auftragseingang im Gewerbebau deutlich weniger. „Wir haben ein Minus von 20 Prozent bei Büro- und Verwaltungsgebäuden sowie Fabriken und Werkstätten. Nur im beim Bereich Lager und Handel gibt es ein leichtes Plus“, erklärt Felix Fink vom ZVDH. Die Logistik boomt aktuell, ansonsten herrscht in der Industrie Zurückhaltung.
Gerade im Flachdachbereich, wo es viele sehr aktive Dachdecker-Betriebe gibt, droht laut Fink mittelfristig ein signifikanter Rückgang bei den Aufträgen, den wir 2021 schon merken werden.“ Das Positive waren in Corona-Zeiten die zuvor relativ hohen Auftragsbestände der Betriebe, die nun aber deutlich abschmelzen. Deshalb würden mehr Betriebe versuchen, in den öffentlichen Bereich zu wechseln, um dort neue Aufträge zu generieren.
Das Quarantäne-Schwert schwebt über allem
Was natürlich weiter bei möglicherweise im Winter ansteigenden Corona-Zahlen über allem schwebt, ist laut Bernhard Scheithauer das Quarantäne-Schwert. „Wenn Mitarbeiter sich infizieren sollten, kann es sein, dass wir die ganze Niederlassung schließen müssen. Da entsteht eine völlig andere Verantwortung.“ Hat etwa jemand leichten Schnupfen, wird vorsorglich getestet und schon ist er ein paar Tage nicht da.
Deshalb gilt es für die ZEDACH mit ihren fünf Einkaufsgenossenschaften, weiterhin wachsam zu sein. „Es gibt die täglichen Maßnahmen in den Niederlassungen, den Corona-Alltag mit Homeoffice, abgetrennten Theken und Plexiglas sowie Maskenpflicht für die Kunden zu gestalten. „Wir setzen im aktuellen Lockdown mit unseren Mitarbeitern, die alle super mitziehen, die Vorgaben von Bund und Ländern um. Die Sicherheit und Gesundheit der Menschen muss immer im Vordergrund stehen“, sagt Scheithauer.
Konjunkturbarometer: Staatliche Förderung als Korrektiv gegen Auftragsrückgänge
Wie er die Aussichten für 2021 einschätzt? Im Bereich Großprojekte sieht auch Scheithauer erste negative Anzeichen, gerade die private Wirtschaft sowie auch die öffentliche Hand halten sich etwas mehr zurück. Betriebe könnten das aber womöglich regional mit Sanierungsprojekten kompensieren. „Es gibt aktuell noch Anreize, wie etwa bei der staatlichen Förderung von Photovoltaik und energetischer Sanierung.“ Auch deshalb rechnet Scheithauer mit eher geringen Auftragsrückgängen in 2021.
Und dann bleibt da für unser Konjunkturbarometer noch die Frage, was passiert, wenn der harte Lockdown über den 10. Januar 2021 hinaus verlängert wird. Es bleibt hier eine Ungewissheit, wie bei den neuen Impfstoffen von BioNTech und Pfizer sowie von Moderna, deren Auslieferung in diesem Jahr starten soll. Vielleicht sorgen die Impfstoffe für den Anfang vom Ende der Corona-Krise.
Sie interessieren sich für Branchen-News? Dann lesen Sie unseren Artikel über die Corona-Prämie für Dachdecker.