Knifflige Dachaufgabe mit wasserdurchlässigem Tonziegel
16. Dezember 2021
Manche Dachkonstruktionen und -eindeckungen sind von der Stange, andere jedoch so speziell, dass sie eine besonders knifflige Aufgabe darstellen. Ein solches Top-Projekt stemmt derzeit die Egon Föhner Dachdecker GmbH in Heidelberg: Eine Tonziegel-Eindeckung mit ungewöhnlichen Geometrien, die einen speziellen Aufbau erfordern.
Tonziegel-Projekt erfordert echte Handwerkskunst
Herausforderungen sind dazu da, gemeistert zu werden – niemand weiß das besser als Dachdecker und Zimmerer. Manchmal ist das ganze Können dieser Gewerke gefordert, wenn eine besonders auffällige und schöne Dacharchitektur realisiert werden soll. „Die Eindeckung der Elisabeth-von-Thadden Schule, gerade mal 500 Meter von unserem Firmensitz im Heidelberger Ortsteil Wieblingen entfernt, erfordert unsere volle Expertise“, sagt Juniorchef Jeremy Rimmler. „Solch ein Projekt macht man nicht jeden Tag. Da ist echte Handwerkskunst gefragt!“
Eine Schule als „Hingucker“
Die Elisabeth-von-Thadden-Schule ist ein privates christliches Gymnasium. Träger ist die Schulstiftung der evangelischen Landeskirche in Baden. Mit einem Schloss und einer Kapelle, einem schönen Park und vielen alten Gebäuden ist sie ein „Hingucker“ in Heidelberg-Wieblingen. Und das soll sie auch bleiben: Auf dem südwestlichen Teil des Schulcampus ist auf dem Sockel einer alten Gymnastikhalle ein neuer Komplex in Holzhybridbauweisen errichtet worden – mit acht Klassenzimmern, einer modernen Sporthalle und einem zentralen Raum für neue Pädagogikkonzepte.
„Wir haben dabei eng mit dem Architekturbüro AP88 aus Heidelberg zusammengearbeitet, und das nicht zum ersten Mal. Unsere örtliche Zeitung schrieb zum Schulbauprojekt, dass ,die Materialität und Kleinteiligkeit an den Gebäuden der Umgebung mit ihren Giebeldächern und Ziegelfassaden‘ stark im Entwurf berücksichtigt wurde“, sagt Jeremy Rimmler.
Preisgekrönter Entwurf für den Neubau
Weil Heidelberg noch bis 2022 Gastgeber der Internationale Bauausstellung IBA ist, die noch dazu unter dem Motto „Wissen schafft Stadt“ steht, hat der besondere architektonische Entwurf sogar einen Preis bekommen. Für die Zimmerer und Dachdecker bedeutet das etwas ganz anderes – nämlich die anspruchsvolle Außenfassade und die Dacheindeckung mit den architektonischen Vorstellungen ideal zusammenzubringen. Statt „Form folgt Funktionalität“ ging es diesmal andersrum: Die Funktionalität der Dacheindeckung musste stärker als sonst den Formvorgaben folgen.
Gute Abstimmung erforderlich
„Das hieß zunächst einmal: Intensive Gespräche mit Architektin und Planern“, sagt Rimmler. „Schon bei der Angebotserstellung haben wir auf die schwierige Unterkonstruktion hingewiesen, die durch die besondere Optik notwendig wird. Hier galt es, verschiedenartige Fluchten, Kanten und Neigungen zu realisieren.“ Die ins Gesamtkonzept integrierten Zeltdächer beispielsweise hätten durchgehend unterschiedliche Dachneigungen. „Kurzum: Hier erwartete uns ein sehr, sehr spezieller Dachaufbau.“ Und eine sehr intensive Kommunikation zwischen den Zimmerern, die die Holzbauarbeiten machten, und den Dachdeckern, die am Ende die finale Konstruktion und die Tonziegel einbringen.
Der Holzhybridbau, der die Schulräume und die Sporthalle später mal beherbergen soll, wurde als Mischung aus Beton- und Holzgeschossen gebaut. Als Unterbau wurden 20 Zentimeter dicke Brettstapeldecken als Tragelemente gewählt. Darauf kamen Sparren und eine Schalung mit aufliegender Unterdeckbahn, die Zwischenräume wurden mit Isofloc Einblasdämmung gefüllt. „Zwischen den Hauben auf dem Dach gibt es ein sehr individuelles Flachdach ohne rechte Winkel. Hier haben wir Bauder-Material und EPS-Gefälledämmung verarbeitet, um einen Gründach-Aufbau zu realisieren“, berichtet Rimmler. Die spätere Tonziegel-Deckung geht von der Dachdeckung ohne Unterbrechung in die Fassade über.
Arbeit mit einem wasserdurchlässigen Tonziegel
Die Eindeckung erfolgt durch die gewünschten „Nordic“-Tonziegel der ABC Klinkergruppe. „Mit diesem Tonziegel hatten wir erstmals zu tun“, sagt Rimmler. „Die Besonderheit dabei ist, dass der Ziegel undicht – also wasserdurchlässig – ist. Denn er hat keine Seiten- und Kopfverfalzung, sondern wird lediglich gestoßen.“ Deshalb musste ein wasserdichtes Unterdach her. Doch alle gängigen Hersteller, die so etwas anbieten, winkten hinsichtlich einer Gewährleistung ab: „Ohne geschlossene Verfalzung würde das Unterdach immer wieder einer UV-Strahlung ausgesetzt. Und was die über die Zeit anrichtet, weiß jeder Dachdecker.“
Wasserdichtes Unterdach: Die gute alte Bitumenbahn
Wunschlösung diffusionsoffen, wasserdicht, UV-stabil – was tun? „Wir landeten schließlich bei der guten alten Bitumenbahn“, sagt Rimmler. „Aber die ist ja nicht diffusionsoffen. Deshalb wurde durch den Zimmermann noch eine weitere Belüftungsebene eingezogen. Um trotzdem den exakten Übergang des Grates in die Gebäudeaußenecke zu gewährleisten, mussten an jeder der unterschiedlich geneigten Zeltdachflächen verschieden hohe Konterlatten montiert werden.
Auf diese Konterlattung kam dann eine weitere Schalung. Hierauf schweißte die Dachdeckerei Föhner, Mitglied der Dachdecker-Einkauf Süd eG, dann die Bitumenbahnen. „Damit nicht genug: Auch darauf haben wir dann nochmal senkrecht Konterlatten im Bereich der Sparren geschraubt, die wir dann mit einem Schleppstreifen eingeschweißt haben.“
Traglattung mit Aluminiumprofilen
Darauf nun wieder wurde – auch das eine Besonderheit – eine horizontale Traglattung mit Aluminium-Hohlkammerprofilen befestigt. Das Metall widersteht der Wassereinwirkung, die die durchlässigen Tonziegel zwangsläufig mit sich bringen. „Ganz schön viel Aufwand, bis schließlich die Tonziegel draufkommen“, lacht Jeremy Rimmler. Die Nordic-Ziegel von ABC werden im westfälischen Hörstel nur auf Bestellung produziert, wie beispielsweise für dieses Projekt.
Vorab das Tonziegel-Material getestet
„Diese rostroten Tonziegel hatten wir bislang noch nicht verarbeitet“, sagt Jeremy Rimmler. „Sie sind relativ klein mit dem Format 400x250x30 und werden übereinandergelegt.“ Um nicht einfach „blind was hinzuschrauben und hinzunageln“, habe man mit dem Material bereits vor der heißen Phase auf dem Dach herumprobiert und sich Gedanken gemacht, wie es am besten zu verarbeiten ist. „Wir agieren lieber, statt nur zu reagieren. Es gibt auf dem Schulgebäude sehr viele Unterbrechungen der Dachfläche, wir müssen also viele Ziegel bearbeiten. Mit Tests haben wir die besten Werkzeuge und Strategien gefunden, damit es dann auf dem Dach gut und schnell vorangeht.“
Lieferverzögerungen bei Dämmstoffen
Die Föhner GmbH hatte bislang ständig drei bis vier Mann auf der Baustelle, dazu eigene Kranfahrer, die beispielsweise die Lamilux-Oberlichter in das Flachdach der Halle und in die Zeltdächer gehoben haben. Fertig werden soll das Gebäudedach im Frühjahr 2022, was nicht nur zwischenzeitlichen Änderungen bei den Plänen, sondern auch Lieferverzögerungen geschuldet ist. „Die A1-Dämmung von Rockwool, die wir bei der Verbindung von Altbau zum Neubau brauchen, gibt’s im Moment gar nicht.“ Insgesamt sei der Neubau für die angesehene Schule eine „richtig gute Sache – aber wir sind dann auch froh, wenn’s fertig ist.“
Angesehener Betrieb in vierter Generation
Die Dachdeckerei Egon Föhner GmbH gibt es seit 1964. Damals hatte der Namensgeber in der Heidelberger Altstadt den 1946 gegründeten Dachdeckerbetrieb seiner Schwiegereltern übernommen. 1974 zog das erfolgreiche Unternehmen nach Heidelberg-Wieblingen um, wo ein neuer, größerer Firmenstandort entstand. Seit 1987 leitet Petra Rimmler – die Tochter von Egon Föhner – den Betrieb zusammen mit ihrem Mann Walter Rimmler. Die vierte Generation ist auch schon kräftig mit dabei. Die Söhne Jeremy, Steven und Kevin arbeiten seit Jahren emsig mit. Das angesehene Familienunternehmen bietet Komplettlösungen mit Planung und Ausführung von A bis Z für alle Arten von Dächern, Terrassen und Fassaden sowie Zimmererarbeiten und Photovoltaik an.
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