Asbest in Bitumen: Was Betriebe wissen sollten
23. Oktober 2018
Asbest ist ein hochgefährlicher Baustoff, buchstäblich für die Gesundheit der Mitarbeiter aber auch für Betriebe und ihre Auftragsplanung. In Berlin und Brandenburg beginnt aktuell die nächste Krise im Bereich Entsorgung – diesmal wegen Asbest in Bitumen-Abdichtungen. Auch in Hessen hat der Landesinnungsmeister Ludwig Held das Thema auf dem jüngsten Landesverbandstag aufgegriffen. Es geht um Dachsanierungen von Häusern, die im Westen vor 1979 und in den neuen Bundesländern vor 1993 gebaut wurden. Bis dahin war vom Gesetzgeber eine Nutzung von Asbest erlaubt.
Asbest in Bitumen: Die Panik bei den Entsorgern führte zu Annahmestopp
Das Problem ist hochgekocht aufgrund einiger Fälle von Asbest in Bitumen-Bahnen vor ein paar Monaten. Los ging das Ganze mit einer Information der Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin (SBB) an die Entsorgungsunternehmen. Diese sollten die anliefernden Dachdeckerbetriebe in die Nachweispflicht nehmen, dass teerhaltiger und bituminöser Dachpappenabfall frei von Asbestfasern ist. „Dadurch wurde ein panischer Annahmestopp bei den Abfallentsorgern verursacht. Die Erfüllung der Nachweisführung führte dazu, dass landesweit die zuständigen Labore entweder gar nicht oder nur begrenzt Analysen durchführen konnten. Die Wartezeit staute sich für die Dachdecker auf bis zu sechs Wochen an“, beschreibt es Anke Maske, Geschäftsführerin des Landesinnungsverbandes der Dachdecker in Brandenburg. „Zudem wollen einige Entsorger solche Probenanalysen generell bei der Anlieferung von Bitumenabfällen haben, auch wenn es sich um nach 1979/1993 verbautes Material handelt.“
Industrie bestätigt: Kein Asbest mehr in Bitumen-Bahnen
Ein Grund zur Panik bei den Entsorgern besteht eigentlich nicht. Denn die Sachlage ist klar, wie auch die Stellungnahme des Industrieverbandes Bitumen-Dach- und Dichtungsbahnen (vdd) zeigt. Nach 1979/1993 wurde Asbest von ausnahmslos allen Mitgliedsunternehmen aus der Produktion von Bitumen-Bahnen ausgeschlossen, teilweise sogar schon vorher. Trotz dieser guten Nachricht gibt es noch viele alte, vor 1979 im Westen und 1993 im Osten gedeckte Dächer, die Asbest beinhalten können und deren fachgerechte Entsorgung sichergestellt werden muss. „Eine kategorische, heißt pauschale Verweigerung der Annahme von Abrissmaterial kann unserer Meinung keine Lösung sein“, erklärt Rainer Henseleit, Geschäftsführer des vdd. „Vielmehr ist hier lösungsorientiert und mit Bedacht und Weitblick zu agieren.“
Asbest in Bitumen: Runder Tisch des Zentralverbandes in Berlin
Die Prioritäten für das bundesweite Vorgehen wurden in einer Expertenrunde gesetzt, zu der der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) Anfang August in Berlin den vvd und den Zentralverband des Deutschen Bedachungsfachhandels (ZDBF), dem die ZEDACH-Gruppe angehört, eingeladen hatte. Um betroffenen Dachdeckerunternehmen schnelle Unterstützung zukommen zu lassen, soll kurzfristig eine Entsorgungsmöglichkeit für asbesthaltige Bitumen-Bahnen ausgearbeitet werden. Anschließend sollen zu vorhandenen Analysemethoden Schnelltests entwickelt werden, um verlässlich Asbest oder Asbestfreiheit in Altdächern nachweisen zu können. Langfristig ist es der Bitumen-Bahnen-Industrie zudem wichtig, gemeinsam mit dem Dachdeckerhandwerk tragbare Entsorgungswege für asbesthaltige Abfälle zu finden und sie aus dem Stoffkreislauf sicher auszuschleusen.
Entsorger ziehen Preise für Bauabfälle exorbitant an
Verlässliche Entsorgungswege sind wichtig für die Betriebe, die ja das Asbest nicht verbaut haben. „Sie sind nicht die Verursacher, die Bauherren sind verantwortlich“, erklärt Anke Maske. Aktuell kämpfen einige Betriebe mit den Kosten von Aufträgen, für die sie im Frühjahr die Angebote abgegeben haben. Denn im Zuge des Annahmestopps für Bitumen-Bahnen mit Asbest haben die Entsorger auch die Preise exorbitant gesteigert. „Das waren vorher 150 Euro pro Tonne und sind aktuell bis zu 1.500 Euro. Die Preissteigerungen können wir nicht hinnehmen“, sagt Maske. Den Betrieben rät sie, bei Arbeiten an seit 1993 nicht mehr sanierten Dächern die tatsächlichen Kosten sauber zu kalkulieren. Das heißt: Immer zwei Angebote abgeben. Eines kalkuliert die Kosten ohne Asbest, eines mit Asbest inklusive Prüflabor und höherer Preise der Entsorger. Ansonsten tragen die Betriebe selbst das Risiko mit allen Folgen.
Auch Maske hat bereits einen ersten Runden Tisch in Brandenburg organisiert, bei dem das zuständige Landesministerium, die Sonderabfallgesellschaft Brandenburg/Berlin und das Institut Fresenius als Vertreter der Prüflabore dabei waren. Im Ergebnis wurde zwar festgehalten, dass es für Bauabfälle ab 1993 keine Asbest-Prüfung braucht. Doch in der Praxis würden einige Entsorger laut Maske dennoch die Annahme weiter verweigern. „Es kann nicht sein, dass Entsorger auch für Bauabfälle ab 1993 eine Beprobung auf Asbest verlangen. So eine Probe kostet 300 bis 400 Euro.“
Asbest in Bitumen-Bahnen: Verfahren für Proben wird vereinfacht
Einen ersten Lichtblick gab es hingegen in Sachen Probenentnahme bei einem weiteren Runden Tisch Mitte September auf Einladung der Berliner Landesinnung. Teilnehmer waren Josef Rühle vom ZVDH, Berend Wilkens von der SBB, Ulf Berger von der Senatsverwaltung für Umwelt, Martin Peters von der Handwerkskammer Berlin, Rainer Henseleit vom vdd, Landesinnungsmeister Jörg-Dieter Mann und Landesgeschäftsführer Ruediger Thaler.
Die Expertenrunde einigte sich laut Thaler vorläufig darauf, das bestehende Verprobungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dies soll dadurch geschehen, dass die Probeentnahme bei Abrissdächern nunmehr auch durch die Dachdeckerbetriebe selbst erfolgen kann. Bislang musste das ein Vertreter des Prüflabors übernehmen. Weiter wurde den Dachdeckern zugestanden, dass nur noch eine Probe pro Abfallcharge zum Labor muss. Bislang hatten die Entsorger darauf bestanden, jeden einzelnen Container einer Charge zu beproben. Diese beiden Erleichterungen sollen sofort in Kraft treten und den Abfallentsorgern kommuniziert werden.
„Anschließend soll von der SBB ein einheitlicher Asbest-Grenzwert festgelegt werden. Hier wurde von allen Seiten gefordert, dass dieser nicht unter 0,1 Prozent liegen dürfe. Auch soll von der SBB geprüft werden, ob das derzeit angewandte vertiefte Analyseverfahren weiter erforderlich ist oder vereinfacht werden kann“, erläutert Thaler.
ZEDACH-Gruppe steht an der Seite der Betriebe
Die ZEDACH-Gruppe wird sich über den Verband ZDBF weiter in die bundesweite Lobbyarbeit einbringen, um eine für die Betriebe verlässliche Entsorgungssituation in Sachen asbesthaltige Bitumen-Bahnen durchzusetzen. „Vor allem ist nicht erklärlich, warum seit der HBCD-Krise die Preise für die Entsorgung von Dämmstoffen und jetzt auch von Bitumen-Bahnen oben bleiben oder automatisch steigen. „Das tut den Betrieben weh, obwohl sie nicht die Verursacher der Abfälle sind“, erläutert Stefan Klusmann, geschäftsführender Vorstand der Dachdecker-Einkauf Ost eG.
Anke Maske fordert von der Politik, auf die Problematik Asbest in Bitumen zu reagieren. „Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine Altlastenförderung für Bauherren. Damit die Bauherren einen Anreiz erhalten, auch möglicherweise asbesthaltige Dächer zu sanieren.“ Ein gesellschaftliches Problem sollte nicht auf die Schultern von Hausbesitzern oder von Dachdeckern und Zimmerern abgewälzt werden.
Sie interessieren sich für weitere Informationen zum Thema. Dann lesen Sie unseren aktuellen Artikel vom Mai 2019 über Asbest in Bitumen.