Papierloses Büro optimiert betriebliche Abläufe
11. September 2018
Papier ist geduldig, sagt der Volksmund. Dass auch eine Menge Geduld Voraussetzung dafür ist, das Papier aus dem Betriebsalltag zu verbannen, weiß der Geschäftsführer des Miltenberger Dachdeckerbetriebs Klemens Ott GmbH, Peter J. Ott, nur zu gut aus eigener Erfahrung. „Schon 1985 haben wir mit der EDV-gestützten Kalkulation begonnen“, erinnert er sich. Damit gehörte er zu den ersten 50 Anwendern, die damals mit „Interdach“ arbeiteten. Bald wurde der „Kollege Computer“ auch für die Lohn- und Finanzbuchhaltung eingesetzt. Für den klassischen Handwerker auch 20 Jahre nach der ersten Landung eines Menschen auf dem Mond durchaus noch keine Selbstverständlichkeit. Inzwischen wurde diese Software durch einen anderen Branchenanbieter – HAPAK – abgelöst.
Papierloses Büro: Erste Schritte mit Loggern und Software
Ende der 1990er Jahre rüstete der unterfränkische Dachdeckermeister seinen gesamten Fuhrpark mit sogenannten Loggern aus. Die registrierten nicht mehr und nicht weniger als die Zeiten, in denen die Zündung der betreffenden Fahrzeuge ein- oder ausgeschaltet waren. Ausgehend von der Annahme, dass die Insassen eines stehenden Fahrzeugs am Arbeiten sind, war dies der erste Schritt zur elektronischen Arbeitszeiterfassung. Diese Logger, die insgesamt 15 Jahre im Einsatz waren, wurden mit den Baustellen verknüpft – der nächste Schritt zur Digitalisierung war gemacht.
Der Versuch einer Ausweitung der digitalen Anwendungen mit ELO Digital Office, einem Unternehmen, das aus der Leitz-Gruppe hervorging, scheiterte. „Nach einem Jahr haben wir den Irrweg erkannt“, so Peter J. Ott. Nach seiner Erfahrung war die ELO-Version, für die man sich entschieden hatte, schlichtweg mit den Datenmengen und der Komplexität der nötigen Verknüpfungen überfordert. „Zumindest die ELO Office-Version mag ein erster Schritt für kleinste Betriebe sein – ein Unternehmen wie wir mit 40 Mitarbeitern ist einfach ein paar Nummern zu groß für diese Version.“ So ergaben sich etwa Probleme bei der Verschlagwortung der digitalisierten Dokumente. Wer hier nicht buchstabengetreu das Schlagwort zur Suche eingibt, wird Schwierigkeiten haben, sein Dokument jemals wiederzufinden.
Expertise einer Mitarbeiterin bringt Digitalisierung des Workflows voran
Als Glücksfall, Fügung des Schicksals – oder, wie es Ott sagt: Volltreffer – erwies sich die damals noch befristete Einstellung von Sandra Schüssler vor wenigen Jahren. Die IT-affine Studentin entwickelte im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit in Wirtschaftspsychologie nicht nur ein Betriebshandbuch und das Kompetenzmanagement-System für die Klemens Ott GmbH – sie war es auch, die den Anstoß für die Optimierung des Workflows in Richtung papierloses Büro gab. Das Dokumentations-Managementsystem Docuware wurde eingeführt. „Weniger suchen, schneller finden, effektiver arbeiten – nur so macht Digitalisierung Sinn“, erklärt Sandra Schüssler, die inzwischen halbtags ihren festen Arbeitsplatz bei Ott hat.
Schon beim Einscannen der Lieferantenrechnungen – auch von der Dachdecker-Einkauf Süd, bei der die Klemens Ott GmbH seit Jahrzehnten Mitglied und Kunde ist, zeigen sich die Docuware-Vorzüge: Ein intelligentes Indexing lernt permanent dazu und erkennt Rechnungen, deren Absender und Feldzuordnungen wie Rechnungsnummer, Auftragsnummer oder Artikelnummern. Farbliche Markierungen zeigen, ob alle Felder korrekt erkannt wurden (grün), eine Prüfung empfohlen wird (gelb) oder die Software erhebliche Zweifel an der Erkennung/Zuordnung hat (rot). Und selbst Skontomöglichkeiten und -fristen werden erkannt.
Intelligente Software macht papierloses Büro effektiv
Zum einen werden alle relevanten Daten sortiert nach Projekten komplett an Firmenchef Peter J. Ott zur Einsicht gesandt. Parallel dazu erhalten die Bauleiter die ihre Baustellen betreffenden Daten zur Einsicht, Prüfung und Freigabe mittels eigener digitaler Stempel. Dabei werden die Daten der Eingangsrechnungen auch mit einem Klick mit der Bestellung verglichen. So können Mengen- und Preisabweichungen, aber auch Preisschwankungen gegenüber früheren Bestellungen, sofort entdeckt und bei Bedarf nachgefragt werden. Erst nach Freigabe durch Bauleiter und Firmenleitung wird die Rechnung an die Buchhaltung weitergeleitet. So können Anwendungen für das papierlose Büro die Prozesse optimieren und dem Betrieb einen konkreten Nutzen bringen.
Inzwischen werden auch Anfragen von Kunden und solchen, die es werden wollen, entsprechend in digitalen Ordnern abgelegt. Auch die Bauleiter organisieren so ihren digitalen Schriftverkehr selbst und ordnen ihn den entsprechenden, für sie individuell freigegebenen Projektordnern, zu. Dafür wurden mittlerweile alle Bauleiter mit Tablets ausgerüstet, um auch auf der Baustelle Zugriff auf die relevanten Daten zu haben und um Details der Ausführung mit Digitalfotos zu dokumentieren. „Unsere Zukunftsvision ist die Ausrüstung aller Mitarbeiter mit Tablets mit individuell begrenzten Zugriffsrechten“, sind sich Peter J. Ott und Sandra Schüssler einig. „Auch die visuelle Kommunikation muss besser werden.“
Logistik und Zeiterfassung auf der Baustelle – digitale Erfassung für alle Prozesse
Der Lagerbestand bei Ott wird bereits mit Handscannern erfasst, in Bits und Bytes hinterlegt und ist so stets auf dem aktuellen Stand. Außerdem kann pro Artikel ein Mindestbestand festgelegt werden. Bei Unterschreitung gibt das System eine Meldung heraus. Das optimiert die Bereitstellung der benötigten Materialien in den Fahrzeugen für den nächsten Einsatztag und -ort.
Derzeit wird der nächste Schritt auf dem Weg zum papierlosen Büro gegangen. So soll die insgesamt zur Verfügung stehende produktive Arbeitszeit aller Beschäftigten mit der tatsächlichen Produktivität anhand der Zeiterfassung verglichen werden. Damit kann eine noch bessere Planung für mögliche Projekte erstellt werden. Schon heute finden die regelmäßigen Bauleiterbesprechungen nicht ausschließlich am papiergefluteten runden Tisch beim Chef, sondern digital visualisiert vor dem Großbildmonitor statt.
Datensicherheit steht nicht erst seit Einführung der neuen Datenschutzgrundverordnung ganz oben bei Ott. „Zu den Daten hat nur Zugriff, wer diesen Zugriff auch benötigt und auch nur soviel Zugriff wie nötig und gesetzlich geregelt“, erklärt Sandra Schüssler. Und die gesamte Datenspeicherung erfolgt auf dem betriebseigenen Server mit zusätzlicher Verschlüsselung und doppelter Spiegelung aller Daten.“
Komplett papierloses Büro erst in der nächsten Generation
Die Umstellung auf einen wenigstens papierreduzierten Betrieb ist eine Sache der Gewohnheit – und der Abkehr von alten Ritualen. So müssen die Bauleiter schon mal daran erinnert werden, dass Pläne auf dem Tablet nicht nochmal ausgedruckt werden müssen. Und auch Peter J. Ott hat die Digitalisierung inzwischen „im eigenen Kopf verfestigt“. Schmunzelnd gibt er zu, dass auch er anfangs E-Mails noch ausgedruckt hat, dann im nächsten Schritt mit Duplex-Druck den eigenen Papierverbrauch schon fast halbiert hat. Und heute denkt und handelt er weitgehend digital. „Das ist schneller, sicherer und ermöglich ein besseres Feedback an die Mitarbeiter und von den Mitarbeitern.“ Doch ein komplett papierloses Büro wird nach seiner Meinung wohl erst die nächste Generation der Betriebsführung erleben.
Ob er den einst eingeschlagenen Weg bereut? „Nein, aber ich kann mich durchaus als desillusioniert bezeichnen“, so Peter J. Ott. Für seine Heimatstadt Miltenberg vergingen rund 800 Jahre, bis sie im heutigen Glanz erstrahlt. Die „Voll-Digitalisierung“ des Handwerks wird ganz sicher weniger Zeit beanspruchen. „Wie auch immer – das Dachdeckerhandwerk wird aber immer ein Handwerk bleiben“, ist sich Ott sicher.
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