Dachdeckerin Joyce Block: auf den Spuren des Vaters
5. Oktober 2021
Joyce Block will es wissen. Sie lernt beim eigenen Vater Dachdeckerin. Hier erzählt die 17-Jährige, warum sie die maximal hohen Anforderungen braucht und wie sie nach einem Praktikum in einer Arztpraxis doch aufs Dach gefunden hat.
Trotz eines Anstiegs von über zwölf Prozent ist die Zahl der jungen Frauen, die sich in diesem Jahr zur Dachdeckerin ausbilden, deutschlandweit weiterhin sehr gering. Joyce Block ist eine der gerade einmal 166 weiblichen Auszubildenden im Dachdeckerhandwerk. „Am Ende des Tages zu sehen, was man geschafft hat, ist schon eine tolle Sache“, meint die 17-Jährige, wenn man sie fragt, was ihr am Dachhandwerk gefällt.
Direkter Austausch mit dem Vater als Lehrmeister
Als Auszubildende im zweiten Lehrjahr erlernt sie das Handwerk von ihrem Vater, dem Dachdeckermeister Jens Block, in dessen Paderborner Betrieb Dachwunder, Mitglied der DEG Dach-Fassade-Holz eG. Mit Ehefrau und Mutter Sharlyn im Büro ist die Dachdeckerei in Paderborn ein echter Familienbetrieb. „Ich finde das super. Die Erwartungen meines Vaters an mich sind höher als an die anderen Mitarbeiter“, meint Joyce Block. „Aber dafür können wir uns auch sehr direkt und ungehemmt austauschen.“ Anderswo als im Betrieb ihres Vaters zu arbeiten, den wir bei DACH\LIVE bereits vorgestellt haben, kann sich die angehende Handwerkerin nicht vorstellen.
Praktikum als Schlüssel zur Berufswahl
Früher wollte Joyce Block eigentlich Medizinerin werden. „Ich habe sogar ein Praktikum in einer Arztpraxis gemacht, aber dann schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist“, erklärt die junge Frau. Was folgte, war ein Praktikum im Betrieb des Vaters. „Er hat mir oft von seinem Beruf berichtet und erzählt, warum er gerne Dachdecker ist. Das hat mich schon neugierig gemacht.“
Schon in den Ferien auf dem Dach gejobbt
Der Einblick in den Familienbetrieb gefiel Joyce Block so gut, dass sie in den Ferien regelmäßig beim Vater jobbte. Mit 15 stand fest, dass sie Dachdeckerin und nichts anderes werden wollte. „Die frische Luft, die tolle Aussicht, das hat mich sofort angesprochen“, berichtet die heute 17-Jährige. Normalität ist das für junge Frauen ihrer Generation bislang (noch) nicht. Auf der Berufsschule ist sie die einzige Auszubildende unter den männlichen Klassenkameraden.
Berufswunsch Dachdeckerin erzeugte ein geteiltes Echo
Als Joyce Block den Eltern von ihrem Berufswunsch erzählte, war Vater Jens begeistert – Mutter Sharlyn zeigte sich eher überrascht. Sie riet ihrer Tochter, sich das Berufsziel gut zu überlegen. Immerhin ist das Dachhandwerk auch bei modernsten Arbeitstechniken oft körperlich anstrengend. Auch die beste Freundin konnte sich ihre ehemalige Schulkollegin Joyce zunächst nicht als Dachdeckerin vorstellen. „Sie hielt mich für zu schüchtern, aber bei der Arbeit bin ich eher anspruchsvoll und nicht zurückhaltend.“
Joyce Blocks Entschluss stand fest, trotz leichter Bedenken zu Beginn ihrer Ausbildung. „Am Anfang hatte ich schon Zweifel, ob ich die körperliche Anstrengung schaffe.“ Doch Vater Jens, der ehrenamtlich als Meisterausbilder tätig ist, beruhigte seine Tochter und mahnte zur Geduld. Mit Erfolg: „Heute kann ich eine Schwarzbahn problemlos übers Dach tragen, das fällt mir nicht mehr schwer“, berichtet Joyce Block stolz.
Vorbild ist Miss Handwerk Sonja Theisen
Der Anteil der Dachdeckerinnen im Gewerk liegt immer noch bei weit unter drei Prozent. Das merkt Joyce Block auch im Alltag: „Aufgezogen werde ich von Kollegen eigentlich nicht, da gibt es eher Lob und Bestärkung dafür, dass ich mich in diese Männerdomäne vorwage. Frauen treffe ich auf dem Bau aber leider fast nie.“
Zu den seltenen Ausnahmen zählt eine Zusammenarbeit mit Dachdeckermeisterin Sonja Theisen aus Trier. Die ehemalige Miss Handwerk begeistert und inspiriert als Sunny Roofer auf Instagram zahlreiche junge Dachdeckerinnen und ist eine gefragte Botschafterin des Handwerks. „Sie ist wirklich ein Vorbild, so als junge Dachdeckermeisterin unter den ganzen männlichen Kollegen“, findet Joyce Block, die selbst nach der Ausbildung zur Meisterschule will und ebenfalls auf Instagram präsent ist.
Später einmal den Familienbetrieb übernehmen
Das größte Vorbild bleibt für Joyce Block aber der Vater. „Er hat mich wirklich für das Handwerk begeistert.“ Der Familienbetrieb gefällt der angehenden Dachdeckerin so gut, dass sie ihn später einmal übernehmen möchte. Auf die Frage, wann ein Arbeitstag mal nicht perfekt gelaufen ist, antwortet die ambitionierte Handwerkerin: „Wenn ich denke, dass ich die Arbeit noch ein bisschen präziser und sorgfältiger hätte erledigen können.“
Im Dachhandwerk genau an der richtigen Stelle
Überhaupt hat die Auszubildende einen hohen Anspruch an sich. „Ich habe schon das Gefühl, mich als Frau im Handwerk stärker beweisen zu müssen“, meint sie. Bis zur Übernahme des Familienbetriebs hat die junge Dachdeckerin noch ein paar Lehrjahre vor sich. Im August hat sie ihr zweites Ausbildungsjahr begonnen. Über eines ist sich Joyce Block aber heute schon im Klaren: „Ich kann mir absolut keine Alternative zum Dachhandwerk vorstellen. Hier bin ich richtig!“
Sie interessieren sich für das Thema Frauen im Dachhandwerk? Dann lesen Sie unsere besondere Story, in der Gesellin Larissa Würtenberger offen über ihren inneren Leistungsdruck spricht.