
Zimmerin Annalena May: mit Liebe zum Holz ans Ziel
8. Mai 2025
Wer Zimmerin Annalena May kennenlernt, merkt schnell: Hinter der ruhigen, freundlichen Fassade verbirgt sich ein echter Tausendsassa. Allen Widerständen zum Trotz hat sie ihren Traumberuf Zimmerin erlernt, absolviert aktuell die Meisterschule, hat nebenher noch ein altes Fachwerkhaus renoviert, und teilt ihre Erfahrungen und ihre Arbeit auf ihrem Instagram-Kanal. Dafür wurde sie sogar für den Creaton Influencer Award in der Kategorie „Praxis“ nominiert und kam unter die Top 3. Und dass sie auch als fotogene Repräsentantin ihres Berufsstandes einiges hermacht, bewies sie zur Messe Dach+Holz 2024, für die sie in Überlebensgröße auf den Plakaten und Werbebannern lächelte.

Erste Berufsidee war Mechatronikerin
Dass sie eher Praktikerin ist, gerne kreativ und mit ihren Händen arbeitet, das wusste Annalena May schon früh. „Wir sind früher einmal im Jahr in den Urlaub geflogen“, erinnert sie sich. „Als Teenager war ich dann total fasziniert von den Maschinen. Ich dachte immer, später werde ich mal Fluggerätemechatronikerin oder so.“ Doch dann kam es ein bisschen anders: „Ich habe ein Praktikum bei einem Mechatronik-Betrieb für Feuerwehrschlauchprüfgeräte gemacht, und danach war mir klar: Handwerklich arbeiten ist toll, aber Metall ist nicht mein Material“, sagt die heute 31-Jährige und lacht.

Ihre Leidenschaft: Arbeiten mit Holz in luftiger Höhe
Die Alternative zum Metall lag fast schon auf der Hand: „Gleich um die Ecke gab es eine Zimmerei. Dort habe ich ein weiteres Praktikum absolviert und das hat gleich gezündet. Ich habe das gleich geliebt, das Gewusel auf der Baustelle, den Duft des Materials, die Arbeit oben auf dem Dach mit dem Holz – da hat alles gepasst“, erinnert sie sich. Trotzdem schloss Annalena May erstmal die Schule mit dem Abitur ab. 2011 hat sie dann angefangen, nach einem Ausbildungsplatz zu suchen. Und das sollte sich als beinahe größte Herausforderung entpuppen, größer jedenfalls als die Ausbildung selbst.

Keiner wollte eine Exotin im Männerberuf Zimmerer
„Mittlerweile ist es eigentlich ganz normal, dass Frauen auch im Handwerk arbeiten. Aber noch vor zehn, 15 Jahren war das total exotisch, da war ich eine Rarität. Ich habe bestimmt 50 Bewerbungen verschickt, zehn davon kamen mit einer Absage zurück – die übrigen 40 wurden kommentarlos einbehalten. Das war echt frustrierend!“, berichtet Annalena May. Immerhin seien einige Betriebe so ehrlich gewesen, ihr den Absagegrund mitzuteilen. „Die meisten wollten einfach keine Frau auf der Baustelle. Die konnten sich nicht vorstellen, dass Frauen auch diese Arbeit verrichten können.“

Auch von ihren Lehrern in der Schule hat sie keinerlei Zuspruch erfahren. „Da herrschte völliges Unverständnis, so als würde ich mein Leben wegwerfen, weil ich mit dem Abi in der Tasche nicht studieren gehen wollte. Und dann auch noch ein ‚Männerberuf‘, das fanden die meisten unmöglich.“
Umweg über Freiwilliges Soziales Jahr
Um etwas mehr Zeit zu gewinnen, eine Ausbildungsstelle zu finden, absolvierte Annalena May daher zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr als Gruppenleiterin in einer Behindertenwerkstatt bei der Paritätischen Lebenshilfe. „Ich habe die Woche mit den Bewohnern zusammen geplant, bin mit den Menschen in die Stadt gegangen, Einkaufen fürs gemeinsame Backen und so weiter. Das hat mir in Sachen Verantwortungsgefühl, Planung, Offenheit für Menschen und Konfliktlösungspotenzial viel gebracht“, meint die Zimmerin.

Start in den Traumberuf nach zwei Jahren Bewerbungsmarathon
Doch die Hartnäckigkeit von Annalena May sollte sich auszahlen: In ihren Traumberuf startete sie nach einem Bewerbungsmarathon mit zwei Jahren Suche schließlich bei einem befreundeten Betrieb. „Ein Freund meines Lebensgefährten hat dort gearbeitet und den Kontakt zu seinem Chef hergestellt. Der hat mich zwei Wochen zur Probe arbeiten lassen, mich dabei kennengelernt und erkannt, dass ich für die Zimmerei brenne – und er hat mir eine Chance gegeben.“
Ihr Herz schlägt für Dachstühle
Und die hat Annalena May genutzt. 2015 beendete sie ihre Ausbildung erfolgreich, anschließend standen ihr die Türen schon ein bisschen weiter offen als direkt nach der Schule. So hat sie nach der Lehre den Betrieb gewechselt und dann neun Jahre dort gearbeitet. „Die Arbeit hat mir großen Spaß gemacht, das Team war super und ich habe an vielen spannenden Bauprojekten mitgewirkt.“ Insbesondere Dachstühle haben es ihr angetan: „Wenn wir morgens zur Baustelle kommen, stehen da nur nackte Mauern. Wenn wir abends oder am Tag darauf wieder gehen, steht da ein Haus. Das ist das Tolle an meinem Beruf: Man sieht sofort das Ergebnis seiner Arbeit.“

Mit altem Fachwerkhaus einen Traum erfüllt
Parallel zu ihrer Arbeit, zu der neben Dachstühlen auch energetische Sanierungen, Dacharbeiten ganz allgemein sowie Anbauten gehören, hat sie sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Mit ihrem Partner, der Dachdecker ist, hat sich Annalena May ein altes Fachwerkhäuschen gekauft. „Wir haben das Haus von Grund auf saniert. Durch unsere Berufe können wir alles am Haus selbst machen, das ist super. Wir teilen die Liebe zum Handwerk, das verbindet. Es macht mega Spaß, zusammen zu arbeiten und aus diesem alten Haus ein gemütliches Zuhause zu machen.“

Meistertitel 2026 in Arbeit
Nach einigen Jahren als Gesellin wollte Annalena May allerdings mehr erreichen. Sie absolviert aktuell in Vollzeit die Meisterschule für Zimmerer in Hannover, 2026 wird sie ihren Meister abschließen. „Durch die Fortbildung war ein Betriebswechsel unausweichlich, denn mein letzter Arbeitgeber war zu klein für einen weiteren Meister“, erzählt sie. Seit November 2024 arbeitet sie beim Innungsbetrieb Marcel Kröger Holzbau in Bad Oeynhausen. Hier wird sie sich nach ihrem Abschluss an der Meisterschule vor allem um die Arbeitsvorbereitung, aber auch um die Umsetzung kümmern. Denn: „Ich liebe es einfach, auf dem Dach zu stehen und dort oben zu arbeiten!“
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