Auf der Überholspur Richtung Meister: Zimmerin Valerie Gieseke

Auf der Überholspur Richtung Meister: Zimmerin Valerie Gieseke

17. August 2023

 · Knut Köstergarten

Wer wissen will, warum Valerie Gieseke schon als junge Zimmerer- und Dachdeckergesellin eine so gute Mitarbeiterin ist, braucht nur ihren Chef Bastian Westmann zu fragen. Warum also möchte er unbedingt, dass sie ab Sommer ihren Meister Vollzeit macht? „Valerie Gieseke ist eine Sensation, sie hat alle überholt und leitete schon im dritten Lehrjahr eigene Baustellen. Und wenn sie etwas nicht weiß, lernt sie noch freiwillig die jeweiligen Fachregeln.“ Der Geschäftsführer von Hannover Dachbau freut sich jedes Mal, wenn er unter seinen Azubis einen solchen Diamanten, wie er es selbst nennt, finden kann. 

Auch mit langen Fingernägeln voll angepackt

Bastian Westmann kann sich auch noch gut an ihren ersten Tag erinnern. „Sie kam geschminkt, mit Leggings und langen Fingernägeln, aber sie packte trotzdem gleich voll mit an. Und am nächsten Tag war sie dann in Arbeitsklamotten vor Ort.“ Der erste Eindruck kann also gewaltig täuschen. Denn da hat eine junge Frau genau den richtigen Job für sich gefunden. Sie selbst macht daraus keine große Sache. Im Gespräch wirkt sie so freundlich wie bescheiden. „Ich habe es geschafft, nach der Lehre übernommen zu werden, bleiben zu können in diesem tollen Team.“

Bild von Zimmerin Valerie Gieseke auf dem Dach
Eine mutige, anpackende Frau hoch oben auf dem Dach: Valerie Gieseke. (Alle Fotos: Hannover Dachbau/Gieseke)

Erster Berufswunsch Architektin

Dass Valerie Gieseke überhaupt Zimmerin geworden ist, verdankt sie auch einem Tipp ihrer Eltern. „Seit der sechsten Klasse wollte ich eigentlich Architektin werden. Ich fand die Idee super, gerade das Thema Design von schönen Häusern.“ Während sie das Fachabitur Bautechnik absolvierte, machte Valerie Gieseke dann zwei Praktika, einmal als Bautischlerin und einmal als Zimmerin. „Ich startete danach aber eine Lehre als Bauchzeichnerin, weil ich immer noch in Richtung Architektur gehen wollte.“ Das passte für die junge Frau aber gar nicht mit dem Sitzen im Büro und am Rechner. 

Lehre als Bauzeichnerin – dann gewechselt zur Zimmerei

„Doch da ich die Lehre nun mal angefangen hatte, wollte ich sie auch durchziehen“, erinnert sich Valerie Gieseke. Sie ist so ein Mensch, der nicht einfach aufgibt. Sie hat einen gesunden Ehrgeiz, sie will die Dinge gut machen, sonst ist sie nicht zufrieden. „Es waren dann meine Eltern, die fragten, ob ich nicht stattdessen Zimmerin lernen wolle“, berichtet Valerie Gieseke. Ihre Eltern kamen darauf, weil die Tochter während des damaligen Praktikums in einer Zimmerei immer so gut gelaunt war und viel gelacht hatte.

Bild von Zimmerin Valerie Gieseke auf dem Flachdach
Die 25-Jährige arbeitet sehr exakt und will immer genau wissen, wie welcher Arbeitsschritt funktioniert.

Super zufrieden im Betrieb Hannover Dachbau  

Also schrieb sie 16 Bewerbungen und erhielt zwei Zusagen für ein Praktikum als Probe für eine spätere Ausbildung. Sie landete in einem Holzbaubetrieb, der ein Jahr später insolvent ging. Ihr heutiger Chef Bastian Westmann war damals angestellter Meister dort und nahm sie und weitere Mitarbeiter mit, als er vor fünf Jahren Hannover Dachbau gründete. „Ich bin super zufrieden hier im Betrieb“, sagt Valerie Gieske. „Es ist super, so was Schönes zu machen, auf dem Dach zu stehen, abreißen und neu machen. Mädels sollten es einfach mal ausprobieren und mutig sein, falls sie Interesse haben.“

Dachdeckerlehre noch oben draufgepackt

Weil sie gerne lernt und immer besser werden möchte, hat die Zimmerin noch in vier Monaten Vollzeit auf der Dachdeckerschule in St. Andreasberg eine Dachdeckerlehre draufgesattelt. „Ich war die einzige Frau und einzige Zimmerin in diesem Kurs, in dem vor allem langjährige Helfer ihren Gesellenabschluss machten. „Ich habe die Materie besser kennengelernt, konnte da ganz viel lernen, wir hatten gute Lehrer“, erinnert sich Valerie Gieseke. Sie freut sich, dass ihr Betrieb die Schulungen fördert und sie sich weiterbilden kann. Sie ist einfach wissbegierig. Ein Beispiel: Als während des Interviews einer der Meister vorbeikommt, nutzt sie die Chance, um ihm gleich eine Fachfrage zum Regelwerk zu stellen.

Valerie Gieseke (vorne links neben den beiden Kindern) fühlt sich sehr wohl im Team von Hannover Dachbau.

Altgeselle Henning ist ihr Vorbild

Das neue Know-how kann sie dann direkt anwenden auf den Baustellen. „Ich bin sehr ehrgeizig, wenn ich Aufgaben nicht gleich schaffe, werde ich richtig sauer. Es ist aber schon besser geworden“, fügt Valerie Gieseke mit einem Lächeln hinzu. Dabei lernt die 25-Jährige auch gerne von den erfahrenen Kollegen. „Henning ist unser Altgeselle, bei ihm habe ich schon gelernt. Er hat mir so viel beigebracht und ist mein Vorbild. Was er alles drauf hat, möchte ich auch einmal können.“

Nächster Schritt: Meisterschule für Dachdecker

Auch nach dem Dachdeckermeister, den Valerie Gieseke im August 2022 für neun Monate in Vollzeit begonnen hat, möchte sie unbedingt weiter draußen bleiben auf den Baustellen und Erfahrungen sammeln. Ich habe so viel zu lernen und noch längst nicht alles gemacht“, erklärt Valerie Gieseke. Da fällt ihr der Einbau von  Dachfenstern ein. „Davor habe ich viel Respekt und lasse das lieber die anderen machen. Als Meisterin müsse sie doch aber auch im Büro arbeiten oder? „Ja, vielleicht einen Tag am Schreibtisch“, sagt die 25-Jährige.

Bild von Zimmerin Valerie Gieseke an der Kreissäge
Ob Zimmerer- oder Dacharbeiten, Valerie Gieseke ist immer voll motiviert bei der Sache.

Als junge Gesellin ist Valerie Gieseke schon Vorarbeiterin 

Besonders gerne richtet Valerie Gieske Dachstühle. „Was gibt es schöneres, wenn dabei die Sonne scheint. Oder eine Balkenlage realisieren, das macht mich glücklich.“ Bauspengler-Arbeiten gefallen ihr auch. Als junge Gesellin ist sie schon Vorarbeiterin, verantwortet gerade ein Neubauprojekt eines Mehrfamilienhauses. „Wir dichten dort 39 Balkone ab, dazu decken wir ein Steildach ein und machen ein Hauptflachdach.“ Valerie Gieseke arbeitet gerne auf dem Flachdach, gerade mit Kunststoff und Flüssigkunststoff, dazu Mauerabdeckungen und Blecharbeiten mit Zink. Die Abwechslung bei den Tätigkeiten gefällt ihr. „Wenn ich eine Woche auf den Knien Balkone abdichte, dann arbeite ich auch gerne wieder auf den Füßen.“

Einer muss auf der Baustelle den Hut aufhaben

Wie ist das, Verantwortung für ein eigenes Team zu haben? „Es war eine schnelle Entwicklung, wie ein Sprung ins kalte Wasser. Aber bei Bedarf kann ich immer unsere Meister fragen, wenn ich Hilfe brauche.“ Valerie Gieseke lernt schnell in ihrer Rolle als Führungskraft. „Es ist viel zu machen und zu bedenken, es gibt viele Absprachen. Wenn Fehler passieren, muss ich das retten.“ Sie sieht sich dabei vor allem als Teamplayerin. „Es ist schön, wenn das Team mitzieht und wir ein tolles Ergebnis sehen am Ende.“ Schon während der überbetrieblichen Ausbildung hat Valerie Gieske gelernt, dass „wir in einer Gruppenarbeit als Team nur Aufgaben lösen konnten, wenn einer den Hut aufhat und die Verantwortung übernimmt“.

Bild von Schmuckstücken, die Zimmerin Valerie Gieseke gefertigt hat
Schöne Schmuckstücke aus Epoxidharz fertigt Valerie Gieseke in ihrer Freizeit.

Ihr Hobby: Schmuckstücke mit Epoxidharz

Zur Entspannung in der Freizeit lässt Valerie ihre kreative Ader spielen. „Ich bastele einfach gerne Weihnachtsschmuck“, sagt sie. Wobei das schon wieder Understatement ist, gerade wenn man die Kollegen fragt, wie Büromitarbeiterin Nicole Droll. Die sagt: „Das sind richtige kleine Kunstwerke.“ Und sie holt gleich ein schönes Exemplar aus ihrem Büro. Valerie Gieseke fertigt ihren Schmuck mit Epoxidharz, den sie auf unterschiedliche Weise in verschiedene Formen gießt. „Ich brauche eine Beschäftigung in der Freizeit, ich will nicht nur vor dem TV sitzen.“ Die Arbeit an den anspruchsvollen Formen entspannt Valerie Gieseke, sie kommt dabei zur Ruhe. Und es gibt noch einen weiteren Grund, warum sie diese Unikate herstellt. „Ich verschenke gerne persönliche Sachen.“

Sie interessieren sich für Storys über junge Dachdecker und Zimmerer. Dann lesen Sie unsere Geschichte über Pascal Frauendorf, den deutschen Meister der Zimmerer.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Auftragseingang im Bauhauptgewerbe steigt im Februar 2024 erstmals wieder an

Der reale, also preisbereinigte Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Februar 2024 gegenüber Januar 2024 kalender- und saisonbereinigt um 1,8 Prozent gestiegen. Das gilt auch für die Umsätze, die sich sogar um 2 Prozent erhöhten. Der Auftragseingang nahm im Hochbau um 0,5 und im Tiefbau um 2,9 Prozent zu. Auch gegenüber dem Februar 2023 gibt es eine Steigerung um 0,9 Prozent.

25. April 2024

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024

Beschäftigung auf Rekordniveau: Arbeitsmarkt zeigt sich 2023 widerstandsfähig

Im Dezember 2023 waren rund 2,6 Millionen Menschen arbeitslos. Im Vergleich zum November stieg die Arbeitslosenquote saisonbedingt um 0,1 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Staatssekretärin Leonie Gebers, Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Erfreulich ist, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 35,1 Millionen im Oktober erneut einen Höchststand erreicht hat und die Nachfrage nach neuen MitarbeiterInnen im Dezember trotz weiterhin schwacher Konjunktur wieder leicht gestiegen ist. Der Arbeitsmarkt erweist sich als verlässlich und widerstandsfähig.“

8. Januar 2024

Dachdecker gilt als am wenigsten durch Künstliche Intelligenz gefährdeter Beruf

Die meisten Büroberufe halten viele Menschen nach einer repräsentativen Umfrage der Marktforscher von YouGov für akut gefährdet, durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt zu werden. Besser sind die Zukunftsaussichten für die handwerklich geprägten Berufe, bei denen sich die menschliche Komponente nur sehr schwer ersetzen lässt. Den Beruf des Schreiners halten 64 Prozent der Befragten für wenig oder gar nicht gefährdet, 65 Prozent den Beruf Maler und für den Beruf Dachdecker sehen gar 71 Prozent der Befragten wenig oder gar keine Gefahr.

21. Dezember 2023

Mayener Meisterwoche 2024 mit aktuellen Themen

In Mayen werden vom 24.-26. Januar 2024 wieder Tür und Tor für die Mayener Meisterwoche (MMW) geöffnet. Das Programm lässt keine Wünsche offen und beleuchtet die aktuellen Themen der Zeit: Neben wichtigen Neuerungen im Fachregelwerk geht es um Schadensfälle bei PV-Anlagen, die Möglichkeiten und Grenzen einer 4-Tage-Woche in Dachdeckerbetrieben, aber auch Cybersicherheit und KI im Handwerk versprechen interessante Einsichten. Ein Blick in das Programm lohnt auf jeden Fall.

15. Dezember 2023

Neues Führungs-Duo bei Velux Deutschland

Mit sofortiger Wirkung übernehmen Silke Stehr als Sprecherin der Geschäftsführung und Matthias Mager als Geschäftsführer Vertrieb die Leitung von Velux Deutschland. Jacob Madsen, bisheriger Geschäftsführer, wechselt als Executive Vice President Region North Europe in das Top-Management der Velux Gruppe. „Silke und Matthias haben viel Markt- und Branchen-Erfahrung und gestalten Velux schon lange erfolgreich mit,“ erklärt Madsen. „Gemeinsam werden wir unser Qualitätsversprechen, die enge Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben im Fachhandel und Handwerk und die starke Position des Unternehmens weiter ausbauen.“

4. Dezember 2023

Auftragszahlen im Wohnungsbau gehen weiter abwärts

„Seit mehr als einem Jahr verzeichnen wir nun schon negative Zahlen bei Baugenehmigungen und Auftragseingängen im Wohnungsbau. Von Januar bis September wurden fast 77.000 Wohneinheiten weniger genehmigt als im Vorjahreszeitraum. Die Order sind im September um real 15 Prozent zurückgegangen“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Der Der Wohnungsbau brauche neben dem beim Kanzlergipfel verabschiedeten 14-Punkte-Plan kurzfristige Hilfe, sonst werde der Einbruch noch dramatischer.

24. November 2023

ifo Institut: Auftragsstornierungen im Wohnungsbau erreichen neuen Höchststand  

Die Stornierungswelle im Wohnungsbau reißt nicht ab. Im Oktober meldeten 22,2 Prozent der Unternehmen gestrichene Projekte, im Vormonat waren es 21,4 Prozent. „Es wird immer schlimmer, mehr und mehr Projekte scheitern am gestiegenen Zinsniveau und den teuren Baupreisen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. „Das Neugeschäft im Wohnungsbau ist weiterhin sehr schwach, die Auftragsbestände der Firmen schmelzen ab.“ 

15. November 2023