Christian Kalies: Dachschindeln für Turmsanierung in Handarbeit hergestellt
27. Februar 2024
Der Denkmalschutz sagt, was geht und was nicht geht. Und innerhalb dieser Leitplanken muss sich der Handwerksbetrieb bewegen, denn es geht auch um Fördermittel. Entsprechend hoch waren die Hürden für Dachdeckermeister Christian Kalies. Konkret ging es um die Dachsanierung eines Turmes einer Villa in Bad Freienwalde, Baujahr 1905. Neben dem Turm sind hier die dunkelgrün glasierten Dachziegel besonders markant. Dazu hat das Dach eine Berliner Mansarde. Dieser Baustil ist in der Region rund um Bad Freienwalde sonst eher untypisch. Weil im Zweiten Weltkrieg der Ort von Bombenangriffen verschont wurde, sind diese alten Bauwerke noch erhalten.
Grau-blaue und vorbewitterte Zink-Schindeln
Zu den Vorgaben des Denkmalsschutzes gehörte, dass das Dach komplett aus grau-blauem und vorbewittertem Zink in Schindelform bestehen muss. Dabei sollte es optisch dem Original sehr nahekommen. „Es ist schon eine Herausforderung, bestimmte Sachen handwerklich so anzufertigen, wie es vor 120 Jahren gemacht wurde. Es ist aber auch unheimlich interessant“, erläutert Dachdeckermeister Christian Kalies die Aufgabenstellung. Und weiter: „So ein Auftrag ist für unseren Handwerksbetrieb schon etwas Besonderes, zumal es uns erst seit drei Jahren gibt.“ Natürlich ist es einerseits eine Bereicherung für das Portfolio seines Betriebs Oderdachbruch, eine Visitenkarte. Andererseits muss der Dachdeckermeister auch wirtschaftlich denken und so ein schwieriges Projekt ist nicht einfach zu kalkulieren.
Alte intakte Dachschindeln als Vorbild für die neuen
Um die Vorgaben des Denkmalschutzes und der Wirtschaftlichkeit zu vereinbaren, entschied sich das Team für das 1:1-Kopieren. Dazu wurde alles, was an dem Turm angebaut ist, abgenommen und mit in die Werkstatt genommen. Die noch intakten Schindeln dienten als Vorlage. Erschwerend kam hinzu, dass man damals den Blitzableiter aus Kupfer direkt auf die Schindeln gebaut hatte. Die Kupferionen griffen das weichere Zinkblech an. An diesen Stellen konnte Kalies eine deutliche Schwächung des Materials feststellen.
Learning by doing nach alten Techniken
Beim ursprünglichen Turm war fast jede Schindel ein Unikat und wurde von Hand hergestellt. „Wahrscheinlich mit Zange und Schere direkt auf der Baustelle“, so die Vermutung von Christian Kalies. Eine solche Arbeit wäre heute nicht zu bezahlen. Trotz des Einsatzes von Maschinen mussten Meister und Gesellen auch viel nachdenken. Christian Kalies: „Bei einigen Schindeln wussten wir, wie sie fertig aussehen sollen. Dann haben wir uns überlegt, wie kommen wir dort hin, zu diesem Ergebnis?“ Die Dachdecker haben sich erst bei alten Techniken etwas abgeschaut und dann hieß es learning by doing.
Wetterfahne wurde vom Stahlbauer restauriert
Der Christian Kalies geht davon aus, dass ein Großteil der bisherigen Schindeln noch die Originale von vor über 100 Jahren sind. Im Laufe der Jahrzehnte nahmen die Besitzer zwar einige Ausbesserungen vor und Stürme haben zudem gelöste Teile weggeweht. Trotzdem hat das Zinkdach erstaunlich lange gehalten. Denn Dachdecker sagen, dass ein Zinkdach durchschnittlich zwischen 60 und 70 Jahre hält.
Das Alter des Daches lässt sich anhand der Wetterfahne ermitteln. In ihr ist die Jahreszahl 1905 eingearbeitet. Im Zuge der Dachsanierung wurde die Wetterfahne von einem Stahlbauer restauriert. Nun kann sie sich wieder in 20 Meter Höhe nach dem Wind ausrichten.
Hilfreiche Kooperation mit dem Dachdecker-Einkauf
Bei diesem Projekt war die Zusammenarbeit mit der Niederlassung Finowfurt der Dachdecker-Einkauf Ost eG sehr wichtig. Christian Kalies: „Da hatten wir einen kompetenten und guten Partner, gerade auch in Kooperation mit dem Außendienst.“ Der Dachdecker-Einkauf sorgte für die mitunter schwierige Materialbeschaffung und lieferte alles direkt auf die Baustelle. Wie etwa die Kordelleisten aus Blech, die auf einer Presse hergestellt werden. Sie stammen von der Firma Nakra, deren Inhaber Michael Messerschmidt ist. Sie sind laut Christian Kalies die einzigen, die in Deutschland noch so etwas herstellen.
Dachdeckermeister gewinnt Gründerpreis
Den Handwerksbetrieb Oderbruchdach von Christian Kalies gibt es erst seit dem 1. August 2020. Zuvor ging der Inhaber noch zur Meisterausbildung. Den letzten Teil der Prüfung bestand er am 20. Juni 2020. Fünf Wochen später startete er in die Selbstständigkeit. Inzwischen arbeiten drei Gesellen und ein Auszubildender im zweiten Lehrjahr bei ihm. Selbst Fachkräfte auszubilden ist für den Dachdeckermeister wichtig. Grundsätzlich soll es immer einen Azubi geben. Für den erfolgreichen Start in die Selbstständigkeit ist Christian Kalies jetzt mit dem Existenzgründerpreis Oderland-Spree 2023 ausgezeichnet worden, auf den sich 33 junge Unternehmen beworben hatten.
Viele Aufträge über Kooperationen
Zu den Aufgabengebieten gehören alle Dachdeckerarbeiten inklusive Reparatur- und Wartungsarbeiten. Dabei ist laut Christian Kalies das Kerngeschäft die energetische Sanierung. Immer häufiger installiert sein Team auch Photovoltaikanlagen. Zudem pflegt Christian Kalies Kooperationen, so mit einem Zimmererkollegen, der Häuser errichtet in Holzständerbauweise. Hier übernimmt Oderbruchdach oft die Dachdeckerarbeiten. Weitere Kooperationen bestehen mit Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, mit denen der Betrieb Wartungsverträge hat.
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