
Begrünte Schrägdächer: Es geht auch einfach
14. Januar 2025
Die Begrünung von Schrägdächern ist komplexer als die von Flachdächern: Weil das lange Zeit so war, sind begrünte Schrägdächer bis heute vergleichsweise selten zu finden. Dass es auch unkompliziert geht, zeigt ein aktuelles Beispiel aus dem Münsterland.
Vorab bepflanzte Module
Das Privathaus in Sassenberg im Kreis Warendorf, um das es geht, hat mehr als 50 Jahre auf dem Buckel: Da war die Zeit für eine energetische Dachsanierung gekommen. Weil die Eigentümer sehr umweltbewusst sind, wollten sie es so grün wie möglich – und machten sich auf die Suche nach einer gut umsetzbaren Lösung zur extensiven Begrünung ihres Schrägdaches. Fündig wurden sie bei einem innovativen System des Start-ups mygreentop, das mit vorab bepflanzten Modulen arbeitet und für Dachneigungen von 25 bis 60 Grad konzipiert ist.

Unterstützung durch die Einkaufsgenossenschaft
Schwieriger, als eine passende Lösung für Schrägdächer zu finden, gestaltete sich die Suche nach einem umsetzungswilligen Dachdecker. Nachdem die Hauseigentümer zunächst vergeblich bei verschiedenen Betrieben angefragt hatten, wandten sie sich hilfesuchend an Dirk Kieslich, den Erfinder der bepflanzten Dachpfanne. Der wiederum schaltete die Niederlassung Münster der Einkaufsgenossenschaft DEX eG und deren Leiter Marco Klaßen ein, auf dessen Vermittlung letztlich Dachdeckermeister Kevin Springub aus Everswinkel mit seinem Team ins Boot kam.

Offen für Neues
„Ich habe seit Jahren eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Genossenschaft und bestelle dort Material“, erzählt Springub. „Wir sind regelmäßig im Austausch: Dort wissen die verantwortlichen Leute, welche Betriebe welche Schwerpunkte haben und wer grundsätzlich offen für Neues ist.“ So ist die Anfrage schließlich bei ihm gelandet. „Wir bearbeiten viele individuelle Wünsche. Zum Beispiel haben wir voriges Jahr in Kooperation mit der Genossenschaft eine Indach-PV-Anlage bei der Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes umgesetzt“, berichtet er. Energetische Sanierungen von Schrägdächern wie bei dem Projekt in Sassenberg gehörten zum Kerngeschäft und auch mit der Begrünung von Flachdächern habe er schon Erfahrungen gesammelt. „Aber Schrägdächer hatte ich bis dahin noch nicht begrünt. Darum habe ich mich über den Auftrag total gefreut und war einfach neugierig.“

Wie ein ganz normaler Dachstein
Als der Auftrag kam, stellten sich verschiedene Fragen: Wie lässt sich die Verlegung der innovativen Dachpfanne planen und kalkulieren? Welche Erfahrungswerte gibt es? Wie sieht das Verlegeprinzip aus, auch mit Blick auf die Sturmsicherung? Springub nahm Kontakt zu mygreentop-Gründer Kieslich auf, ließ sich von ihm bei einem Ortstermin alle offenen Fragen beantworten und arbeitete das Informationsmaterial durch, das er von ihm bekam. „Letztlich wird die mit einem Sedum-Mix bepflanzte Kunststoffpfanne genauso gehandhabt wie ein ganz normaler Dachstein“, erläutert der Dachdecker. „Auch was das Klammersystem angeht, ist alles exakt gleich.“ Der einzige Unterschied sei, dass die Module etwas schwerer und unhandlicher seien. „Und für mein Gefühl habe ich vorsichtshalber die gesamte Dachfläche durchgeklammert, um auf der sicheren Seite zu sein.“

Logistische Herausforderung
Nach einiger Zeit der Vorbereitung und vor allem Vorfreude auf das spannende Projekt ging es Ende Oktober schließlich los. Neben der energetischen Sanierung galt es, eine rund 50 Grad geneigte und 250 Quadratmeter große Dachfläche mit insgesamt gut 1500 Modulen neu einzudecken. Auch wenn die bepflanzten Dachpfannen direkt zur Baustelle geliefert wurden, war damit eine logistische Herausforderung verbunden: Zum einen passen aufgrund ihrer größeren Dicke weniger Module auf eine Palette als bei normalen Dachziegeln, weswegen auf dem Grundstück der Hauseigentümer mehr Paletten zwischenzulagern waren. „Und zum anderen sollen die Elemente laut Hersteller möglichst innerhalb von drei Tagen verlegt sein“, berichtet der 31-Jährige. „Denn solange sie aufeinander liegen, werden die Pflanzen platt gedrückt, und das mögen sie nicht so gerne.“

Zwischenlagerung im Garten
Eine Zeit lang ohne Wasser auszukommen, macht dem Sedum dagegen weniger aus. „Die Pflanzen speichern relativ viel Feuchtigkeit und kommen auch mal ein paar Wochen ohne Regen aus“, macht Kevin Springub deutlich. „Selbst in einem Hitze-Sommer mit wenig Niederschlag müssen sie nur ganz selten bewässert werden.“ Die Drei-Tage-Frist ließ sich allerdings nicht einhalten: Da die Lieferung an einem Donnerstag kam und Springub mit seinem Betrieb grundsätzlich eine Vier-Tage-Woche bei arbeitsfreiem Freitag fährt, musste ein Teil der Module übers Wochenende unbearbeitet liegenbleiben. „Wir haben am ersten Tag so viel verlegt, wie wir geschafft haben“, erinnert er sich. „An dem Freitag bin ich dann mit meinen beiden Kindern und meiner Frau noch einmal zur Baustelle gefahren und wir haben zusammen die restlichen Pfannen bei den Hauseigentümern im Garten und auf der Terrasse ausgebreitet.“

Keine spezielle Schulung erforderlich
Während parallel die Dachsanierung weiterlief, konnten Springub und sein Team das Verlegen der vorbegrünten Dachpfannen in der folgenden Woche erfolgreich abschließen. „Insgesamt hat es ein bisschen länger gedauert, als geplant“, sagt er. „Aber fürs erste Mal war das völlig okay. Die Erfahrung war es auf jeden Fall wert.“ Unterm Strich brauche es im Vergleich zu klassischen Dachsteinen etwa die doppelte Zeit: „Weil die Pfannen sperriger und etwas komplexer in der Handhabung sind und weil man häufiger mit dem Baukran die Paletten hochfahren muss.“ Eine spezielle Schulung für seine Leute sei nicht erforderlich gewesen. Wie bei jedem Projekt habe er die wesentlichen Informationen, wie etwa Produktdaten, vorab in eine für alle zugängliche App hochgeladen. „Und dann haben wir ganz normal morgens unsere Teambesprechung gemacht und losgelegt.“

Erweiterung des Repertoires
Seit drei Jahren ist Kevin Springub, der 2016 seinen Dachdeckermeister gemacht hat, mit seinem in Everswinkel ansässigen Betrieb selbstständig. Zum Team gehören neben ihm selbst noch ein Auszubildender, vier Gesellen und seine Frau, die als Helferin auf den Baustellen mit anpackt. Grundsätzlich mache sein Betrieb alles, was mit dem Dach zu tun habe, sagt der 31-Jährige. Dabei liege einer der Schwerpunkte auf der energetischen Sanierung von Schrägdächern. Und dank der erfolgreichen Premiere in Sassenberg hat er nun auch die Begrünung der Schrägdächer mit im Repertoire. „Darin sehe ich auf jeden Fall eine Perspektive“, betont er. „Wenn Kunden in dem Bereich etwas machen wollen, werde ich das auch in Zukunft gerne wieder anbieten.“
Sie interessieren sich für das Thema Dachbegrünung? Dann lesen Sie unseren Bericht über den Marktreport Gebäudegrün 2024.