Wo Auszubildende ihre Meinung sagen sollen
15. September 2020
80 Stunden in der Woche schuften, statt einem freundlichen „Danke“ eine schroffe Kritik an der Arbeitsleistung sowie starre Hierarchien, in denen der Auszubildende permanent zu spüren bekommt, dass er in der Rangordnung ganz unten steht. An seine Ausbildung zum Zimmerer kann sich Meister Eugen Penner noch sehr gut erinnern. Manche Erfahrungen hätten ihm das Handwerk fast verleidet. „Am Menschlichen hat es da oft gehapert“, meint Zimmerer Penner. Als er sich 2013 selbständig macht, setzt er sich daher zum Ziel, es anders anzugehen – mit flachen Hierarchien, Teambuilding und einem angemessenen Umgangston. Anders seien Auszubildende seiner Meinung beim vorherrschenden Fachkräftemangel auch nicht zu halten. „Mir war wichtig, dass jeder seine Meinung äußern kann“, erklärt Zimmerermeister Penner über die Zusammensetzung seines ZEP-Teams (Zimmerei Eugen Penner) in Bielefeld. Der Erfolg gibt ihm Recht: Heute hat er bereits ein zwanzigköpfiges Team hinter sich, auf das er sich verlassen kann.
Fairer Lohn, ausreichend Urlaub und wenig Überstunden
Eugen Penner pflegt mit seinen Mitarbeitern einen fairen Austausch. „Man muss aufeinander zugehen.“ Mit „gutem Geld“ und „wenig Überstunden“ räumt er seinen Angestellten Raum für das Leben außerhalb der Arbeit ein. Zugleich soll jeder spüren, dass er ins Team gehört. Wer neu in den Betrieb kommt, erhält sofort eine komplette Ausrüstung mit ZEP-Logo und wird damit nicht nur rein optisch in die Belegschaft aufgenommen. Auch auf der Website und den verschiedenen Social-Media-Profilen der Firma – allen voran ein gut besuchter Instagram-Kanal – sind die Mitarbeiter präsent.
Das gilt für die Gesellen ebenso wie für Auszubildende. „Bei uns soll sich jeder sofort eingebunden und auch ernst genommen fühlen“, findet Inhaber Penner. Das merkt man dann nicht nur beim fachlichen Austausch, sondern an vielen kleinen Details im zwischenmenschlichen Miteinander. „Bei uns darf zum Beispiel jeder mal seine eigene Musik auf der Baustelle spielen. Egal, wie lange er dabei ist.“ Für die Freiheiten, die man beim ZEP-Team genießt, will Eugen Penner natürlich auch eine Gegenleistung. Und die heißt Eigenverantwortung.
Auszubildende reisen zum Blockbauen nach Frankreich
„Wir investieren hier viel Zeit in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter“, berichtet der Zimmerermeister aus Bielefeld. Sein auf Restauration, Sanierung und Holzbau spezialisierter Betrieb hat überwiegend Zimmerer und Dachdecker im Team, die sich auch mit den Feinheiten ihres Handwerks auskennen. „Manchmal ist gefühlt jede Woche einer von uns auf einem Lehrgang.“ Das kann dann auch mal ein dreiwöchiger Exkurs nach Frankreich sein, wo Auszubildende sich in der Kunst des Blockbauens schulen.
Nach der Ausbildung gleich eigenverantwortlich Baustellen betreuen
Wer so viel Zeit und Geld in sein Team investiert, der darf auch was einfordern. Die sehr gut ausgebildeten Gesellen vom ZEP-Team werden nach Ausbildungsabschluss früh mit eigenen Projekten betraut. In der Regel wird jedem Mitarbeiter drei Monate nach Erhalt des Gesellenbriefs seine erste eigene Baustelle zugeteilt. „Eigenverantwortlich und selbstständig arbeiten zu können, ist mir bei den ZEP-Mitarbeitern sehr wichtig“, erklärt Penner. Unter Kollegen, die in anderen Betrieben gelernt haben, sieht er genau da oft Mängel. „In neue Mitarbeiter müssen wir gut ein Jahr investieren, damit sie lernen, ein Bauprojekt auch selbstständig zu planen und zu organisieren.“ Für Inhaber Penner zahlt sich aus, dass beim ZEP-Team niemand klein gehalten wird. Er kann Projekte guten Gewissens an seine Mitarbeiter übergeben, ohne auf der Baustelle bei jedem Handgriff daneben zu stehen.
Paintball spielen für Teamgeist und gute Laune
Eugen Penner weiß: Damit seine Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen, braucht es mehr als faire Löhne und Weiterbildungsmöglichkeiten. Auf der Firmenwebsite, bei Instagram und Facebook haben alle ZEP-Angestellten und Azubis ein Gesicht. Niemand ist anonym und austauschbar . Nicht einmal die drei Katzen im Betrieb, die auf der Team-Übersicht der Internetseite zu sehen sind. Bei der jungen Generation trifft der Chef damit den richtigen Nerv. Verschiedene Freizeitaktivitäten unterstützen zudem, dass sich die Kollegen auch jenseits der Baustelle gut verstehen. „Wie waren schon Gokart fahren, haben Paintball gespielt. Und gemeinsam gegrillt wird im Sommer fast wöchentlich“, zählt ZEP-Inhaber Penner auf.
Jeden Freitag kommt der Masseur – Behandlung kostenlos
Hinzu kommen regelmäßige Ausflüge und Messebesuche. „Und jeden Freitag kommt zu uns ein Masseur in den Betrieb, von dem sich jeder kostenfrei behandeln lassen kann.“ Der Therapeut kümmert sich nicht nur um akute Verspannungen, sondern bietet auch fachmännischen Rat, wenn es um die richtige Haltung bei der Arbeit geht. Trotzdem gibt es natürlich auch im Team von Eugen Penner Fluktuationen. Wer geht, hinter dem fällt aber nicht gleich die Tür zu. Gerade kehren zwei Mitarbeiter nur wenige Monate nach ihrer Kündigung in den Betrieb zurück. Penner freut sich über den Wiedereinstieg ins Team. Sein Kommentar: „Da war das Gras in Nachbars Garten eben doch nur gelb.“
Verdiente Auszeichnung: „beste Handwerks-Gründung“ in Ostwestfalen-Lippe
Was bestimmt nicht wenige Mitglieder im ZEP-Team überzeugt, ist die Tatsache, dass der Mitgliedsbetrieb der DEG Dach-Fassade-Holz eG mit so manchen Vorurteilen bricht. Hier ist das Handwerk zum Beispiel längst nicht mehr so schmutzig und rückständig, wie der Branche gerne unterstellt wird. Innovative Dienstleistungen wie das Beratungsgespräch per Video-Chat haben dem ZEP-Team im vergangenen Jahr die Auszeichnung als „beste Handwerker-Gründung“ durch die Stiftung Zukunftspreis Handwerk Ostwestfalen-Lippe eingebracht. Die Jury überzeugte nicht nur das Wachstum des Betriebs, sondern ganz explizit auch das Online-Marketing und der Auftritt in den sozialen Medien.
Frauen gehören längst fest zum ZEP-Team
Und auch Frauen gehören fest zur Belegschaft – nicht nur im Büro. Neben Zimmerin Lilli sind auch Schülerinnen unter den Helfern und Praktikanten auf der Website vertreten. Finden sie einmal dauerhaft den Weg ins Dachhandwerk, hat Eugen Penner auch hier einen Weg in die Zukunft der Fachkräftegewinnung geebnet. Denn ohne weibliche Nachwuchskräfte wird sich das Handwerk kaum entwickeln und von der Lehrlingsflaute erholen können.
Sie interessieren sich für Betriebe, die den Fachkräftemangel offensiv angehen? Dann lesen Sie unsere Story Award Top-Job: Dachdecker-Familie hat besonderen Spirit.