Generation Z: die Klimahandwerker für das Dach
16. Juli 2024
An der Generation Z scheiden sich auch im Dachhandwerk die Geister. Für die einen haben die jungen Leute keinen Bock auf harte Arbeit, für die anderen geht es darum, dass die Chefs ihre Bedürfnisse und Wertewelt ernst nehmen. Klar ist, dass sie die Auszubildenden von heute und morgen sind, die dringend gebraucht werden als Fachkräfte. Dachdecker und Zimmerer können bei der Gen Z auf jeden Fall als Klimahandwerker punkten.
Junge Leute suchen Klimaberufe für Ausbildung
Klimaberufe werden von jungen Menschen immer öfter gesucht. Dieses Studienergebnis des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) sollte Dachdeckern und Zimmerern in Sachen Ausbildung Mut machen. In einer Analyse zu „Ausbildungsmarkt und ökologische Transformation“ von Oktober 2023 heißt es: „Trotz des allgemeinen Mangels an Auszubildenden lag die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse für Berufe mit umwelt- und klimafreundlichen Tätigkeitsinhalten 2021 um etwa 14 Prozent höher als noch 2013. Die positive Entwicklung der Auszubildendenzahlen in Berufen mit Green Skills legt nahe, dass das ‚Greening‘ von Ausbildungsberufen auch deren Attraktivität erhöhen kann.“
Ausdrücklich erwähnt wird in der IAB-Studie das Dachdeckerhandwerk, das laut der Autoren mit den Tätigkeitsfeldern PV-Anlagen und Energieberatung immer mehr zum Klimaberuf werde. Das sollte den Betrieben in die Karten spielen. Doch wer sich Stellenanzeigen oder Kanäle in den sozialen Medien, falls überhaupt vorhanden, anschaut, findet zum Klimahandwerk sehr wenig. Dieses Pfund in Bezug auf der Gen Z bleibt weitgehend ungenutzt.
Gen Z ist vor allem auf TikTok unterwegs
Eine Expertin in Sachen Generation Z ist die Wissenschaftlerin, Vortragsrednerin und Buchautorin Steffi Burkhart. An sie also die Frage: Wie erreichen Betriebe die heutigen Jugendlichen am besten? „Über so viele Berührungspunkte wie möglich. Im Digitalen vor allem über TikTok, das ist das aktuell angesagte soziale Medium.“ Instagram schätzt Burkhart längst nicht so wichtig ein und sei eher feminin geprägt. Wer auf TikTok schaut, findet jedoch bis auf einige junge Influencer kaum Dachdecker- oder Zimmererbetriebe.
Jobprofil bitte humorvoll und kreativ
Berührungspunkte sind für Burkhart aber nicht nur digital, sondern auch analog. Es gilt, auch persönlich Kontakte zu knüpfen, etwa in Schulen, auf Veranstaltungen der Branche, auf Bildungsmessen oder im örtlichen Sportverein, mit den Jugendlichen, aber auch mit deren Eltern oder sogar Großeltern. Wichtig ist – analog wie digital – die Bedürfnisse und die Sprache der Gen Z zu treffen. „Nur ein Jobprofil nimmt keiner mehr. Es braucht eine humorvolle, kreative Ansprache und da gibt es bereits viele tolle, erfolgreiche Beispiele im Handwerk“, erläutert die Expertin.
Herausfinden, was junge Menschen antreibt
Klar ist: Arbeit ist nicht mehr alles für die Generation Z. Und Lebenswege gibt es viele, es zählt nicht mehr wie früher vor allem die eigene Familie, ein Auto und ein Eigenheim. In moderner Sprache heißt das Multioptionalität und meint, dass keine Generation vorher so viele Auswahlmöglichkeiten hatte bei Jobs und Hobbys. Letztere sind den jungen Leuten wichtig, weshalb sie eher weniger als mehr arbeiten wollen. Und: Zwölf Jobwechsel in 50 Jahren Arbeit, das ist die neue Normalität“, erklärt Burkhart. Dass die Gen Z faul sei, davon hält sie gar nichts. Junge Leute spüren das, wenn ihnen ein Chef mit dieser Haltung entgegenkommt. „Vielmehr gilt es herauszufinden, was die jungen Menschen antreibt, worauf sie eigentlich Bock haben. Und da gehört das Thema Energiewende auf jeden Fall dazu. Die jungen Leute nehmen den Klimawandel sehr ernst.“
Karrierechancen und Work-Life-Balance
Eine neue Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts für Handwerkswissenschaften (LFI) gibt Einblick in die Berufswahlentscheidung Jugendlicher. Dabei wurden die Erwartungen an die Arbeitgeber von 2000 bayerischen Schulabsolventen, Mittel- und Realschülern sowie Gymnasiasten analysiert.
Wo gibt es die größten Differenzen zwischen einem Wunscharbeitgeber und der Realität im Handwerk? Aus Sicht der Schüler und Schülerinnen müssen Betriebe künftig vor allem bei den Karrierechancen, der Work-Life-Balance mit genügend Freizeit neben der Arbeit, der Entlohnung nach der Ausbildung sowie den Zukunftschancen stark aufholen oder diese Aspekte wesentlich besser kommunizieren. Gleichzeitig schätzen sie das körperliche Anspruchsniveau sowie das Thema der Schmutzigkeit bei einer Beschäftigung im Handwerk negativer als gewünscht ein. Typische Rollenbilder – Handwerk als Männerdomäne – sind ihrer Einschätzung nach ebenfalls noch zu stark vorherrschend.
Betriebe sollten zum Abbau von Klischees beitragen
Hier sieht die LFI-Studie großes Potenzial darin, verstärkt zum Abbau von Klischees beizutragen. Das gilt auch für das Thema der Vergütung, das von den Betrieben aktiver angegangen werden sollte. Denn noch immer hält sich die längst überholte Einschätzung, dass man mit einem Studium automatisch deutlich besser verdiene als mit einer beruflichen Karriere. Trommeln gehört zum Handwerk und das sollten Betriebe auch selbstbewusst tun, in Stellenanzeigen oder in den sozialen Medien.
Im Azubi vom ersten Tag den Gesellen von morgen sehen
Dachdeckerbetriebe haben im Schnitt fünf Mitarbeiter, der Chef steht voll mit auf dem Dach und macht abends sowie am Wochenende das Büro. „Da kann ich schon verstehen, wenn einer sagt, ich bilde nicht oder nicht mehr aus“, sagt Dachdeckermeister Jan Voges, Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) und zuständig für den Bereich Berufsbildung. Zugleich sieht er jedoch das Kernproblem darin, dass über viele Jahre viel zu wenig ausgebildet wurde. „Dieses Delta holen wir nicht mehr auf und bis 2030 gehen unsere Babyboomer in Rente.“
Die Generation Z verstehen wollen
Was also tun, um weiterhin auszubilden, ob die Gen Z einem nun gefällt oder nicht? „Es gilt, die eigene Haltung als Unternehmer zu verändern. Wir müssen mehr den Menschen hinter der Technik sehen und verstehen wollen, wie diese Generation Z tickt“, erläutert Voges. „Wie reden sie, was haben sie für Werte. Respekt und Akzeptanz sind zentrale Themen. Im Azubi vom ersten Tag an schon den fertigen Gesellen sehen, ihn fordern und fördern, ihm Sinn vermitteln, ihn ins das Team integrieren, damit er bleibt nach der Lehre.“ Der Dachdeckermeister weiß wovon er spricht: Von seinen 18 Mitarbeitern sind drei Auszubildende.
„Mögen Sie Menschen wirklich?“
Für Steffi Burkhart sollten sich Chefs die ehrliche Frage stellen: „Mögen sie Menschen wirklich?“, und zitiert damit Professor Wolfgang Jenewein von der Hochschule St. Gallen. „Viele junge Menschen schwanken zwischen Motivation und Resignation. Das Suchtpotenzial des Smartphones gefährdet ihre mentale Gesundheit.“ Das gelte es zu verstehen und den Nachwuchs zu inspirieren. Für Bewerbungsgespräche heißt das: „Wie schaffe ich es, die Leute zu begeistern. Cola, Fanta und Kekse auf dem Tisch, das reicht nicht“, erläutert Burkhart. Es gehe um Wertschätzung und darum, Wow-Momente, also positive Emotionen zu schaffen. „Das kann eine Mappe sein mit kurzen Steckbriefen aller Mitarbeiter und Infos zu allen wichtigen Dingen im Betrieb inklusive einem QR-Code zur Homepage bzw. Informationen für Neulinge im Betrieb.“
Kontakt halten zwischen Unterschrift und erstem Tag
Und wenn dann der erste Arbeitstag ansteht: Wie gestalte ich die Einarbeitung so, dass sich der Azubi als Teil des Teams sieht, dass er sich ernst genommen fühlt? Wenn es überhaupt zum ersten Arbeitstag kommt. Immer öfter springen Lehrlinge kurz vorher noch ab, weil sie noch weiter suchen und etwas anderes finden, oder sie erscheinen einfach nicht am ersten Tag. Ghosting nennt sich dieses Phänomen. „Deshalb ist es so wichtig, was zwischen Unterschrift und dem ersten Tag passiert“, erklärt Burkhart. Es sei entscheidend, in Kontakt zu bleiben, vielleicht ein kleines Präsent zu senden, eine Aufmerksamkeit. Es gibt auch Betriebe, die den neuen Azubi schon vor dem ersten Tag in den sozialen Medien vorstellen mit dem Tenor: Wir freuen uns auf Dich! Das ist ein klares Zeichen von Wertschätzung ohne großen Aufwand.
Guter Beziehungsaufbau verhindert Abbrüche
Auch zum Thema Ghosting gibt es eine interessante Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts. Sie zeigt einen klaren Zusammenhang zwischen der Beziehungsqualität zwischen Betrieb und jungen Menschen einerseits und der Bereitschaft, den Ausbildungsbetrieb zu ghosten, andererseits. Das heißt, je stärker der Beziehungsaufbau zwischen Ausbildungsbetrieb und jungem Erwachsenem war, umso weniger konnten sich die künftigen Auszubildenden vorstellen, am ersten Tag nicht zu erscheinen. Umso wichtiger ist also laut der Autoren, dass die Ausbildungsbetriebe schon ab der Bewerbungsphase ein Band mit dem künftigen Auszubildenden knüpfen, etwa über ein Praktikum oder einen Anprobetermin für die Arbeitskleidung.
Junge Leute wollen ihre Ideen einbringen
In der Ausbildung will die Gen Z sich persönlich entwickeln. „Es geht darum, eigene Ideen einbringen zu können, auch außerhalb der Arbeit. Die jungen Leute könnten etwa einen Imagefilm drehen und die sozialen Medien für den Betrieb bespielen mit Bildern, Reels oder Videos“, sagt Burkhart. So könnten Chefs die Talente ihrer Azubis nutzen, wenn sie bereit sind, Verantwortung abzugeben. „Die jungen Leute wollen Teil eines Teams sein, sich einbringen. Das ist die Aufgabe von Führung, hier eine wertschätzende Kultur zu etablieren. Dazu gehört auch, Rückmeldung zu geben darüber, was gut war und was nicht so gut.“
Fachwissen reicht heutzutage nicht mehr aus für einen Chef, er muss ein Team so führen, dass jeder Einzelne sich entwickeln kann und gerne dabei bleibt, „also auch die Mitarbeiter stärker schon im Vorfeld von Projekten einbeziehen, etwa bei der Planung eines neuen Firmensitzes mit der Frage: Wie machen wir es am besten?“, erläutert Steffi Burkhart. „Die Vielfalt der Ideen und Gedanken, das bringt am Ende die besten Ergebnisse.“
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