Lübecker Landeplatz für die Dachdecker-Ausbildung
Bild von Gebäude des BBV

Lübecker Landeplatz für die Dachdecker-Ausbildung

20. Juni 2024

 · Harald Friedrich

Nur einen Ziegelwurf südlich vom Flughafen Lübeck-Blankensee entstand 1936 die Hanseaten-Kaserne. Nach Ende des „Kalten Krieges“ zogen die letzten Panzer, Fernmelder und Sanitäter der Bundeswehr 1994 dort ab. Mit der Abrüstung begann die „Aufrüstung“ zum 36 Hektar großen Ausbildungspark Blankensee.

Zwei Dachdecker-Landesverbände machen gemeinsame Sache

„Gemeinsam geht es besser“, stellten in  den Jahren nach dem Fall der Mauer auch die Landesinnungsverbände des Dachdecker-Handwerks von Schleswig-Holstein und des östlich angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern fest, wenn es um Aus- und Weiterbildung geht. Und so machten beide Verbände ab 1994 „gemeinsame Sache“ und gründeten einen Berufsbildungsverein des Dachdeckerhandwerks (BBV). Bereits ein Jahr nach Abzug der letzten Uniformträger zogen die ersten angehenden Dach-, Wand- und Abdichtungs-Experten in die frisch erworbenen Gebäude des Ausbildungsparks ein. Jan Juraschek, Hauptgeschäftsführer des schleswig-holsteinischen Landesinnungsverbands erinnert sich: „Da war echte Aufbruchstimmung bei unseren beiden Landesverbänden, als unsere Vorstände die gemeinsame Ausbildung beschlossen hatten und starteten.“

Bild von Jan Jurascheck
Jan Juraschek ist Hauptgeschäftsführer des schleswig-holsteinischen Landesverbandes der Dachdecker.

Erstes Internatsgebäude 1995 erworben

Neben dem Ausbildungszentrum wurde hier im Ausbildungspark auch die Landesberufsschule des Landesinnungsverbands Schleswig-Holstein angesiedelt. Und um eine überbetriebliche Aus- und Weiterbildung – auch für die Azubis aus dem benachbarten Mecklenburg-Vorpommern – all inclusive anbieten zu können, erwarb der Landesinnungsverband Schleswig-Holstein 1995 das erste Internatsgebäude. Bis heute sind ein zweites Internatsgebäude für die Unterbringung von insgesamt 150 Azubis in 75 Zweibettzimmern sowie ein Schulgebäude Eigentum des Landesverbands.

Bild von Dachdecker-Schülern in einer der Hallen
Unterricht in der Metallwerkstatt des Ausbildungszentrums Lübeck-Blankensee. (Alle Fotos: BBZ Dachdecker)

Respekt und Umgang auf Augenhöhe

Übrigens sind hier die Auszubildenden und angehenden Meister, die ebenfalls gemeinsam in der „Zwei-Länder-Meisterschmiede“ auf den großen Befähigungsnachweis vorbereitet werden, als Kunden definiert. „Der Begriff Kunde stammt aus dem Qualitätsmanagement unserer QM-Zertifizierung nach DIN ISO 9001“, erklärt Juraschek. „Und wir wollen damit den Respekt und Umgang auf Augenhöhe mit den jungen Menschen dokumentieren, die uns zur Aus- und Weiterbildung von den Betrieben anvertraut werden.“

Ausbildungsinhalte und Teamgeist vermitteln

Für die Verbandsführungen ist schließlich auch Ausbildung mehr als nur eine Dienstleistung. Und aus- und weitergebildet wird bei den Dachdeckern in Blankensee nicht nur an und für Dach und Wand, sondern auch für mehr Sozialkompetenz. „Wenn wir es schaffen, neben den Ausbildungsinhalten auch den Teamgeist zu vermitteln, haben wir hier einen guten Job gemacht“, bringt der Hauptgeschäftsführer den Leitgedanken der Vorstandschaft auf den Punkt. Damit die angehenden Meister von einem Praktiker, der ihre Sprache spricht, auch in diesem Bereich das Rüstzeug mitbekommen, unterrichtet Juraschek selbst in den Bereichen Tarif- und Arbeitsrecht. Er ist Dachdeckermeister und entstammt einer Dachdeckerfamilie.  „Aber ganz ehrlich: Drei Unterrichtseinheiten sind für diese beiden Themen, die im Betrieb immer wichtiger werden, eigentlich ein Tropfen auf dem heißen Stein“, bedauert er.

Bild von Dachdecker-Ausbilderin Beatrice Braun
Dachdeckermeisterin Beatrice Braun ist eine von sieben AusbilderInnen.

Sieben Ausbilder lehren in neun Hallen

Fern der Heimat sind auch die Auszubildenden aus Schleswig-Holstein, die hier in drei Lehrjahren insgesamt 36 Wochen Blockbeschulung in der Landesberufsschule absolvieren. Hinzu kommen – zusammen mit den Azubis aus Mecklenburg-Vorpommern 15 Wochen Blockunterricht in der überbetrieblichen Ausbildung. Die Praxisgrundlagen für den Alltag im Betrieb und auf der Baustelle werden von insgesamt sieben Ausbildern, mit Beatrice Braun gibt es auch eine Frau, unter Ausbildungsleiter Stefan Müller vermittelt. Dafür stehen neun Ausbildungshallen zur Verfügung, von denen fünf variabel mit rollbaren Modellen bestückbar sind. Daneben gibt es eine Bitumenhalle, eine Kunststoffhalle, eine Metallhalle und eine Maschinenhalle für die Holzkurse. Hinzu kommen zwei Unterrichtsräume für die Lehre des theoretischen Wissens und für die Prüfungen.

Eine Woche Zusatzunterricht zum Thema erneuerbare Energien

Zur noch besseren Vorbereitung auf die Zukunft von Dach und Wand bietet das Ausbildungszentrum ab Sommer 2024 einen weiteren einwöchigen Unterricht, den  Energieblock, zur freiwilligen Belegung an. Der Schwerpunkt liegt hier auf dem Bereich erneuerbare Energien – von PV-Indach-Anlagen und PV-Aufdach-Anlagen für Steil – und Flachdächer über Fassaden-Solaranlagen bis zu den fachgerechten Abdichtungen. Unterstützt wird diese zusätzliche Unterrichtswoche von der SOKA-Dach. Man darf gespannt sein, ob und wie das Angebot von den Betrieben angenommen wird, ob sie ihre Azubis für eine weitere Woche freistellen, wo nach wie vor jede arbeitende Hand zählt.

Bild von Schülern beim praktischen Arbeiten in der Werkstatt
Es gibt eine eigene Maschinenhalle für die Holzkurse.

Freizeitangebote für Internatsschüler

Geboten ist für die jungen Kunden aber nicht nur hochqualifizierte Wissensvermittlung, sondern auf Wunsch auch eine Rundum-Betreuung in der Freizeit. „Für Ausflüge stehen unser Kleinbus sowie 50 Fahrräder zur Verfügung“, so Juraschek. „Und für Kino- und Stadion-Feeling sorgt unser Gemeinschaftsraum mit Beamer, Großbildleinwand und Soundbar.“

Bild von Dachdecker-Schülern bei der Arbeit an einem Modell.
Praktisches Lernen an den Dach- und Wandmodellen.

Appartements für Meisterschüler in Planung

Für die angehenden Meister von Morgen, von denen jährlich bis zu 24 die nördlichste Meisterschmiede des Dachdeckerhandwerks besuchen, wünscht und plant der Berufsbildungsverein des Dachdeckerhandwerks Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein Mikroappartements auf den zwei Hektar Dachdecker-Ausbildungsfläche im Ausbildungspark Blankensee mit ihren 4500 Quadratmetern Gebäudeflächen, die bereits Eigentum der beiden Landesinnungsverbände sind. Doch alle Neubaupläne – sei es für eine weitere Halle, die Dachsanierung des Schulgebäudes oder auch die Appartements – haben eine große Hürde zu nehmen: die deutsche Bürokratie bei der Genehmigung. „Aber vielleicht ist damit ja auch wieder der Praxisbezug gegeben…“, merkt Jan Juraschek mit einem Augenzwinkern an. Aber aufgeben gibt es für den Dachdeckermeister Juraschek nicht. „Ich bin erst 55 – da kann ich noch lange hartnäckig bleiben.“ Und darauf setzen auch die Vorstände der beiden Verbände.

Sie interessieren sich für interessante Geschichten aus den Verbänden? Dann lesen Sie unseren Bericht über den neuen ZVDH-Vizepräsidenten, Dachdeckermeister Jan Voges.

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