Dachdeckerin Madeleine Peterson-Oster: gemeinsam Dinge bewegen
8. Februar 2024
Madeleine Peterson-Oster arbeitet Vollzeit als Holzbauingenieurin, Zimmer- und Dachdeckermeisterin. Sie trägt als Geschäftsführerin im Familienunternehmen Oster Dach + Holzbau GmbH in Bernkastel-Kues an der Mosel hohe Verantwortung. Die 35-Jährige ist verheiratet, hat eine fast fünfjährige Tochter und engagiert sich ehrenamtlich in der Nachwuchsarbeit sowie in Ausschüssen des Dachdeckerhandwerks. Wie schafft sie all das und was motiviert sie?
Auf Familie nicht verzichten
Die Tochter der Dachdeckermeister Franz-Josef und Karin Oster ist gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Brüdern auf dem Betriebsgelände groß geworden. Die Eltern gründeten 1986 zuerst den Betrieb, dann eine Familie. Dass Partnerschaft, Kinder und volle Verantwortung für ein wachsendes Unternehmen zusammengehen, haben die Eltern, insbesondere Mutter Karin Oster, ihren Kindern vorgelebt. „Ich habe das bei meiner Mutter gesehen und ich kriege das auch hin. Ich will nicht auf Familie verzichten,“ erklärt Madeleine Peterson-Oster entschieden.
Rollenmuster
Die Doppel-Handwerksmeisterin ist in dem Bewusstsein groß geworden, dass ihr, wie ihren Brüdern, der Weg in den Betrieb offen steht. Heute sind alle Geschwister tatsächlich voll im Betrieb engagiert. Aber sie hat auch gesehen: „Als Frau hat man da doch eher zwei Päckchen. Das Heimische war in meiner Kindheit doch mehr der Frauenjob. Das war schon ein bisschen das Rollenmuster.Meine Mutter hat sich aufopferungsvoll um uns Kinder gekümmert und mein Großvater hat zu mir gesagt: ‚Wenn die Mama nicht da ist, musst du die Jungs versorgen.‘ Das hat mitgeschwungen, aber nichts verhindert.“
Entscheidung für ein Kind
Die Entscheidung für ihr erstes Kind traf Madeleine Peterson-Oster ganz bewusst. „Da habe ich mich zu gezwungen. Ich hab mir gesagt: Das muss irgendwie gehen.“ Vorangegangen waren aufregende, auch schwierige Jahre. Nach dem Abitur absolviert die leistungsstarke junge Frau in nur sieben Jahren die Ausbildung zur Zimmererin im Familienbetrieb, die Meisterkurse und -prüfungen am BUBIZA in Kassel als Zimmerer- und Dachdeckermeisterin sowie ein Bachelorstudium als Holzbauingenieurin in Aachen. Ein Teil dieses rasanten Lebenslaufes ist der schweren Erkrankung ihres Vaters geschuldet. Von einer Krebsdiagnose 2013 bis zu seinem zu frühen Tod vergehen kaum mehr als zweieinhalb Jahre, in denen die Älteste der Oster-Geschwister die Notwendigkeit ins Auge fasst, sehr schnell Verantwortung in allen Bereichen des Betriebes zu übernehmen.
Gesellschafterin nach dem Tod des Vaters
Als der Vater Anfang 2016 stirbt, ist alles Wesentliche rechtlich und organisatorisch geregelt, siehe Artikel Betriebsübergabe. Mit nur 26 Jahren wird Madeleine Peterson-Oster Gesellschafterin und Geschäftsführerin an der Seite ihrer Mutter und ihres Bruders Laurin. Die Geschwister schultern die neue Verantwortung nicht ohne Sorge. „Woher wissen wir eigentlich, wann wir was richtig oder falsch machen?“ fragt die junge Firmenchefin damals einen langjährigen Kunden. Der antwortet: „Du musst darauf vertrauen, dass Dir deine Eltern das in den letzten 26 Jahren mitgegeben haben.“
Allein wäre alles nur halb so gut
Madeleine Peterson-Oster mag große Familien. Doch die Entscheidung für ein zweites Kind ist noch nicht gefallen. „Die kleine Elisa musste erstmal selbständig genug werden. Jetzt kann ich mir das grundsätzlich vorstellen, aber ich muss das auch mit etwas Ruhe leisten können.“ Die Großfamilie hilft dabei, alles unter einen Hut zu bekommen: „Dadurch, dass wir viele sind, können wir uns ganz gut den Rücken freihalten. Ich habe keine geregelten Zeiten: was anfällt, fällt an. Wenn die Kleine krank ist, ist sie bei mir mit im Büro. Das geht, weil ich mich bei uns nicht rechtfertigen muss. Ich habe keine Mitbewerber, die nur darauf warten, dass ich den Posten abgebe. Ich hab keine Angst, dass ich abgesägt werde, weil ich jetzt Mutter bin,“ erklärt Madeleine Peterson-Oster. Im Gegenteil, die Brüder unterstützen sie. „Gemeinschaftlich kriegen wir es hin, dass sich immer jemand um Elisa kümmert oder eben jemand anderes meine dringlichen Aufgaben im Betrieb erledigt. Es ist so ein bisschen wie auf dem Bauernhof früher.“
Es geht nur gemeinsam
Trotz ihrer vollen Tage wendet Madeleine Peterson-Oster vier bis fünf Tage im Monat für berufspolitisches Engagement auf. „Ich engagiere mich, weil man nur gemeinschaftlich Dinge bewegen kann“, antwortet die junge Firmenchefin ohne zu zögern. Seit zehn Jahren schon macht sie als Vertreterin der Dachdecker-Innung Bernkastel-WittlichNachwuchswerbung bei Zukunft Dachdecker, der Jugendorganisation des Landesinnungsverbandes Rheinland-Pfalz.
Vor Kurzem wurde die erfahrene Meisterin in den Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer Trier berufen und in drei Fachausschüsse des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks gewählt. Im Fachausschuss „Wärmeschutz, Statik und Holz“ arbeitet sie an der Aktualisierung der Fachregeln mit. Im Fachausschuss „Öffentlichkeitsarbeit und Marketing“ geht es um die Vermittlung des modernen Berufsbildes und der gemeinschaftlichen Arbeit von Verband und Handwerk. Im Fachausschuss „Umweltschutz, Energieeinsparung und Nachhaltigkeit“ geht es emotionaler zu, weil die Mitglieder in der Diskussion erstmal Themen und Positionen klären müssen. Madeleine Peterson-Oster schätzt diesen Austausch: „Das bringt mich immer weiter. Man trifft tolle Leute und hat tolle Gespräche. Die Arbeit lebt davon, dass man gemeinschaftlich Themen erarbeitet.“
Mit Konflikten leben – ein Lernprozess
Der Familienbetrieb Oster hat heute vier Gesellschafter, drei Geschäftsführende, rund 25 Angestellte und ein sehr umfangreiches Portfolio. Aufträge werden in enger Zusammenarbeit mit Planungsbüros, anderen ausgewählten Betrieben sowie mit einem hohen Anspruch angegangen. Konflikte bleiben da nicht aus. „Ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist, die eigene Persönlichkeit zu kennen, auch die der anderen und damit bewusst umzugehen“, ist Madeleine Peterson-Oster überzeugt. In diesem Lernprozess lässt sich die gesamte Betriebsleitung immer wieder von einem Coach begleiten.
Coaching eine hilfreiche Begleitung
„Im Coaching“, resümiert Madeleine Peterson-Oster, „findet man einen Weg zu sich selbst und daraus einen Weg, gemeinsam die Dinge anzupacken. Ich hatte jetzt ein paar schwierige Themen mit Kunden. Ich freue mich darauf, beim nächsten Coaching Werkzeuge an die Hand zu bekommen, um die Konflikte so bearbeiten zu können, das was Gutes dabei rauskommt.“
Probleme zum Anlass zu nehmen, etwas Besseres als das ursprünglich Gewollte zu entwickeln, empfindet Madeleine Peterson-Oster als starke familiäre Grundhaltung: „Wir haben aus Hindernissen immer etwas Gutes gemacht. Ich bin sehr dankbar für das, was wir heute haben. Der Schlüssel ist, dass es irgendwie zusammen geht. Allein wäre es nur die Hälfte wert.“
Die Vielfalt schätzen
Gute Zusammenarbeit mit vielen anderen beruht auf Wertschätzung verschiedener Talente, Temperamente und Bedürfnisse. Dieser Respekt anderen gegenüber braucht die Wertschätzung für den eigenen bunten Garten. Madeleine Peterson-Oster war in der Schulzeit sport-, literatur- sowie musikbegeistert und durfte es sein. Musik wurde eines ihrer Leistungsfächer in der Oberstufe. Querflöte oder Geige spielen und im Handwerksbetrieb mit anfassen, schlossen sich nicht aus. Obwohl sie in Mathe fehlendes Talent durch Fleiß ausgleichen musste, traute sich die Handwerker-Tochter ein Ingenieurs-Studium zu. „Es war schon echt harte Arbeit. An Mathe mag ich, eine Lösung oder ein Ergebnis zu haben, einen Strich drunter. In Musik geht es mehr darum, die Dinge auf sich wirken zu lassen. Ich höre alles Mögliche. Ich mochte schon immer die Vielfalt.“
Sie interessieren sich für Persönlichkeiten im Dachhandwerk? Dann lesen Sie unsere Story über Katrin Detring-Pomplun, die als Ausbilderin des Jahres ausgezeichnet wurde.