Meisterin Petra Bangert steht seit 33 Jahren auf dem Dach
Bild von Dachdeckerin Petra Bangert bei der Arbeit

Meisterin Petra Bangert steht seit 33 Jahren auf dem Dach

25. März 2021

 · Kai-Uwe Bohn

Sie kann nicht anders. In 33 Jahren hat Dachdeckermeisterin Petra Bangert aus dem Pfälzischen in ihrem Beruf alles gesehen, alles gemacht, alles erlebt und vieles auch durchlitten. Egal ob Frau oder Mann – so mancher gestandene Dachdecker wäre irgendwann froh, einen weniger anstrengenden Job im Büro zu haben. Im Winter warm und im Sommer schattig, immer trocken, mit halbwegs pünktlichem Feierabend. „Das haben mir meine Chefs Bernd, Martin und Elmar Waldenberger schon mehr als einmal angeboten“, lacht Petra Bangert. „Alle Freunde und Bekannten sagen: mach es. Aber die innere Stimme sagt: Sieh zu, dass Du aufs Dach kommst!“

Bild von Petra Bangert mit einem Kollegen auf dem Dach
Die Chefs wünschen sich Petra Bangert mehr im Büro, doch sie will weiter auf dem Dach schaffen.

Das Handwerk lockte wie ein Magnet

Es gibt diese Menschen, die für etwas geboren werden, die ein besonderes Talent haben, für die der Beruf auch Berufung ist. Petra Bangert ist solch ein Mensch. Wie ein Magnet zog es sie Mitte der 1980er-Jahre ins Handwerk. Und es kann kein Zufall sein, dass sie in der Dachdeckerei Waldenberger in Hochdorf-Assenheim nahe Ludwigshafen-Mannheim landete. Aufgewachsen „zwei Dörfer weiter“ in einer Landwirtschaft, wäre es dem Vater am liebsten gewesen, wenn auch die junge Petra im elterlichen Betrieb geschafft hätte. Aber die wollte lieber Spengler werden und schrieb Bewerbungen. Dutzende. Erfolglos.

Einstieg scheiterte zunächst am zweiten Dixi-Klo

„Es scheiterte angeblich immer am fehlenden zweiten Dixi-Klo auf der Baustelle“, erinnert sie sich. „Das wollte niemand für eine einzelne Frau aufstellen. Das ist aber eigentlich vorgeschrieben.“ Mehr aus der Not fing sie eine Lehre als Rechtsanwaltsgehilfin an. Ein Jahr hielt sie durch, um dann endgültig zu wissen: Das ist es nicht. Petra Bangert erinnert sich: „Ich war da kreuzunglücklich. Es war furchtbar.“ Sie kündigte.

Bild von Petra Bangert mit einem Kollegen auf dem Dach
Petra Bangert lernte erst Rechtsanwaltsgehilfin, weil alle Bewerbungen im Handwerk am Anfang fehlschlugen.

Erst LKW gefahren, dann mit aufs Dach

Zu Hause durfte das niemand wissen. Und weil in jenen Tagen bei der Dachdeckerei von Bernd Waldenberger jemand gesucht wurde, der einen LKW mit Material und Dachdeckern zur Baustelle fährt, sprang Petra Bangert („Ich kannte dort jemanden“) ein. Von zu Hause fuhr sie noch im Bürodress los. „Aber im Wagen von Waldenberger habe ich mich dann umgezogen.“ Es dauerte nicht mehr lange, und sie ging „mit hoch aufs Dach“.

Bild von Petra Bangert bei Arbeit an einer Schieferfassade
Ihre 33 Jahre Know-how bringt Petra Bangert auch gerne im Bereich Schiefer ein.

Endlich eine Chance zum Karrierebeginn

„Endlich angekommen“, mag man sagen. Seniorchef Bernd Waldenberger glaubte an sie und bot ihr eine Lehrstelle an. Der Vater wurde nach vier Monaten vor vollendete Tatsachen gestellt – die Dachdeckerkarriere konnte beginnen. Und das Dixi-Klo? „Ich gehe bis heute auf das der Männer. Ich habe mich da nicht so. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse.“

„Man hat mich nicht für voll genommen“

„Sie hat sich da nicht so“: Das durfte die heute 51-Jährige auch nicht. Wie war es damals mit den Männern – gab es Vorurteile? „Es war die Hölle“, sagt sie im Rückblick. „Eine Frau auf dem Bau, das kannten die nicht, und viele wollten es auch nicht. Man hat mich nicht für voll genommen, mancher Kollege tut es bis heute nicht. Und die Ehefrauen und Freundinnen waren eifersüchtig.“ Einige Kollegen hätten in ihr Arbeitsbuch nicht sie als Teampartnerin reingeschrieben, sondern einen Männernamen – damit zu Hause nicht herauskommt, dass sie in Wirklichkeit mit der attraktiven Kollegin gearbeitet hatten. Noch heute spürt Petra Bangert, dass sie trotz Meistertitel im Dachdeckerhandwerk etwas Besonderes ist. „Manche lassen sich von einer Frau als Vorgesetzte nicht gerne was sagen. Und komme ich zum Kunden, spricht der oft den Mann an meiner Seite zuerst an.“

Bild von Petra Bangert mit einem Kollegen
Die Frau ist hart im Nehmen: Ein Jahr fiel Petra Bangert nach einem Arbeitsunfall aus. Natürlich ist die alleinerziehende Mutter zweier Töchter zurückgekommen.

Auch im achten Monat Schwangerschaft noch geschafft

Nochmal zurück in die ersten Jahre: Petra Bangert beißt sich durch, absolviert die Lehre erfolgreich, lernt die Dachdeckerei von der Pike auf und ist äußerst talentiert. Gegen alle Widrigkeiten steht sie bei Wind und Wetter oben, löst Probleme, arbeitet fleißig – und zieht neben der Arbeit auch noch alleine zwei Mädchen groß. „Bei meiner ersten Tochter stand ich bis zum achten Monat der Schwangerschaft noch auf dem Dach. Meinen Chef hat das damals mehr mitgenommen als mich“, lacht sie. Und wieder der Satz, der oft kommt: „Ich kann nicht anders.“

Ein Jahr Pause nach Arbeitsunfall – dann Meisterschule

Wenn schon der Chef sie nicht stoppen konnte, dann ein Arbeitsunfall. 2005 fällt sie vom Dach aufs Gerüst. Kreuzbandriss, erst konservativ behandelt, dann doch Operation. Es bleiben Knorpelschäden. Ein Jahr lang ist sie krankgeschrieben, drei Jahre kämpft sie, um den Arbeitsunfall überhaupt von der Berufsgenossenschaft anerkannt zu bekommen. Und dann ins Büro? Aber nicht doch! „Rente oder umschulen“ steht im Raum. Dann die Nachricht, über die sich Petra Bangert bis heute freut: „Die Rentenversicherung hat mir die Meisterschule bezahlt.“

Spezialistin für Reparaturen und Ausbildung

Mit ihrer breiten Erfahrung im Hintergrund setzt die Dachdeckerei Waldenberger, Mitgliedsbetrieb der Dachdecker-Einkauf Süd eG, sie nach dem Unfall bei den Reparaturen ein. Die 51-Jährige ist für drei Kolonnen zuständig. Sie selbst bildet seit Jahren mit Michael Ankert ein Team, „in dem man nicht viel reden muss. Wir verstehen uns blind.“ Sie weist jeden Morgen die anderen beiden Kolonnen ein und muss manchmal auch per WhatsApp-Video Ferndiagnosen stellen. Dazu macht Petra Bangert Planung, Abrechnung, alles. Den Dachdeckernachwuchs bildet sie dabei auch noch aus.

Bild von Petra Bangert mit Team
Petra Bangert leitet heute das Reparatur-Team bei Waldenberger. Sie liebt die kniffeligen Arbeiten.

Knifflige Aufgaben: die Petra macht das

Die Reparaturen gefallen ihr. Hier hat Petra Bangert alles, was ihr großen Spaß macht. Echte Herausforderungen wechselnder Art: Von der Schiefer-Reparatur am 50 Meter hohen Kirchturm über die Suche nach Wespen- und Vogelnestern bis hin zur Leckage-Ortung und -Instandsetzung. Oder dem Versperren der Zugangswege von Ratten, die sich in der Dämmung eingenistet haben. Im Betrieb gilt sie als Spezialistin für die schwierigen Fälle. Wo andere nicht mehr weiterwissen und wo Kunden nicht zufrieden sind oder Kommunikationsprobleme auftreten, heißt es bei Waldenberger: „Die Petra macht das schon.“ „Ich sage meinem Chef Elmar Waldenberger dann immer, dass er mir nicht so viele Liebesbriefe rüberschieben soll“, flachst sie. Liebesbriefe – das sind die kniffligen Aufgaben.

Bild von Petra Bangert bei der Arbeit an einer Gaube
Über TV-Beiträge ist Petra Bangert inzwischen die bekannteste Dachdeckerin im Südwesten.

Bekannt aus Funk und Fernsehen

„Die Petra“ ist mittlerweile sowas wie ein Markenzeichen in Hochdorf-Assenheim und Umgebung. Viele kennen die sympathische Pfälzerin, die nicht auf den Mund gefallen ist und immer eine Lösung parat hat. Noch bekannter ist sie seit Mitte 2020, als auch die Medien auf sie aufmerksam wurden. Der Regionalsender SWR hat eine halbstündige Dokumentation und einen Beitrag in der Landesschau über sie und ihre Arbeit gedreht, sie war zu Gast auf dem „Roten Sofa“ des Senders, das ZDF hat einen Beitrag für die „Drehscheibe“ gedreht und es erscheinen Artikel über sie.

SWR-Doku über Dachdeckermeisterin Petra Bangert:

https://www.ardmediathek.de/swr/video/mensch-leute/dachdeckerin-petra-arbeiten-zwischen-himmel-und-abgrund/swr-baden-wuerttemberg/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzEyNDQ5NjA/

Entspannung mit einem Schoppen Wein und Nichtstun

Die Freude am Beruf, die wechselnden Herausforderungen, das „ich kann nicht anders“ hat auch einen Preis. Petra Bangert geht oft über ihre Grenzen, arbeitet manchmal zwölf Stunden am Tag. Lebenspartner und früher auch die mittlerweile erwachsenen Kinder sind und waren nicht immer begeistert. Dabei kann Petra Bangert zumindest am Wochenende und im Urlaub auch anders: „Wenn ich abschalten will, sitze ich manchmal einfach nur mit einem schönen Schoppen Wein da und tue gar nichts.“ Aber spätestens Montagmorgen heißt es dann wieder: „Rauf aufs Dach!“

Sie interessieren sich für das Thema Dachdecker werden? Dann lesen Sie unsere Story über Sabrina Jung, die nach der Meisterprüfung in die Bedachungsindustrie wechselte.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024

Beschäftigung auf Rekordniveau: Arbeitsmarkt zeigt sich 2023 widerstandsfähig

Im Dezember 2023 waren rund 2,6 Millionen Menschen arbeitslos. Im Vergleich zum November stieg die Arbeitslosenquote saisonbedingt um 0,1 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent. Staatssekretärin Leonie Gebers, Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Erfreulich ist, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 35,1 Millionen im Oktober erneut einen Höchststand erreicht hat und die Nachfrage nach neuen MitarbeiterInnen im Dezember trotz weiterhin schwacher Konjunktur wieder leicht gestiegen ist. Der Arbeitsmarkt erweist sich als verlässlich und widerstandsfähig.“

8. Januar 2024

Dachdecker gilt als am wenigsten durch Künstliche Intelligenz gefährdeter Beruf

Die meisten Büroberufe halten viele Menschen nach einer repräsentativen Umfrage der Marktforscher von YouGov für akut gefährdet, durch Künstliche Intelligenz (KI) ersetzt zu werden. Besser sind die Zukunftsaussichten für die handwerklich geprägten Berufe, bei denen sich die menschliche Komponente nur sehr schwer ersetzen lässt. Den Beruf des Schreiners halten 64 Prozent der Befragten für wenig oder gar nicht gefährdet, 65 Prozent den Beruf Maler und für den Beruf Dachdecker sehen gar 71 Prozent der Befragten wenig oder gar keine Gefahr.

21. Dezember 2023

Mayener Meisterwoche 2024 mit aktuellen Themen

In Mayen werden vom 24.-26. Januar 2024 wieder Tür und Tor für die Mayener Meisterwoche (MMW) geöffnet. Das Programm lässt keine Wünsche offen und beleuchtet die aktuellen Themen der Zeit: Neben wichtigen Neuerungen im Fachregelwerk geht es um Schadensfälle bei PV-Anlagen, die Möglichkeiten und Grenzen einer 4-Tage-Woche in Dachdeckerbetrieben, aber auch Cybersicherheit und KI im Handwerk versprechen interessante Einsichten. Ein Blick in das Programm lohnt auf jeden Fall.

15. Dezember 2023

Neues Führungs-Duo bei Velux Deutschland

Mit sofortiger Wirkung übernehmen Silke Stehr als Sprecherin der Geschäftsführung und Matthias Mager als Geschäftsführer Vertrieb die Leitung von Velux Deutschland. Jacob Madsen, bisheriger Geschäftsführer, wechselt als Executive Vice President Region North Europe in das Top-Management der Velux Gruppe. „Silke und Matthias haben viel Markt- und Branchen-Erfahrung und gestalten Velux schon lange erfolgreich mit,“ erklärt Madsen. „Gemeinsam werden wir unser Qualitätsversprechen, die enge Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben im Fachhandel und Handwerk und die starke Position des Unternehmens weiter ausbauen.“

4. Dezember 2023

Auftragszahlen im Wohnungsbau gehen weiter abwärts

„Seit mehr als einem Jahr verzeichnen wir nun schon negative Zahlen bei Baugenehmigungen und Auftragseingängen im Wohnungsbau. Von Januar bis September wurden fast 77.000 Wohneinheiten weniger genehmigt als im Vorjahreszeitraum. Die Order sind im September um real 15 Prozent zurückgegangen“, so Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Der Der Wohnungsbau brauche neben dem beim Kanzlergipfel verabschiedeten 14-Punkte-Plan kurzfristige Hilfe, sonst werde der Einbruch noch dramatischer.

24. November 2023

ifo Institut: Auftragsstornierungen im Wohnungsbau erreichen neuen Höchststand  

Die Stornierungswelle im Wohnungsbau reißt nicht ab. Im Oktober meldeten 22,2 Prozent der Unternehmen gestrichene Projekte, im Vormonat waren es 21,4 Prozent. „Es wird immer schlimmer, mehr und mehr Projekte scheitern am gestiegenen Zinsniveau und den teuren Baupreisen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. „Das Neugeschäft im Wohnungsbau ist weiterhin sehr schwach, die Auftragsbestände der Firmen schmelzen ab.“ 

15. November 2023

ifo Institut: Wirtschaftsleistung 2023 schrumpft um 0,4 Prozent

Das ifo Institut hat seine Konjunkturprognose bestätigt. Demnach wird die deutsche Wirtschaftsleistung 2023 um 0,4 Prozent schrumpfen. Im kommenden Jahr wird sie dann um 1,4 Prozent steigen, aber 0,1 Prozentpunkte weniger als bislang gedacht. Im Jahre 2025 wird das Wachstum 1,2 Prozent betragen. „Anders als bislang erwartet dürfte die Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2023 ausbleiben. Die Abkühlung setzt sich fort, in nahezu allen Branchen steht die Tendenz auf Flaute“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. 

8. September 2023