Neue Gefahrstoffverordnung Asbest: Dachdecker stehen im Regen
19. September 2024
Mit der neuen Gefahrstoffverordnung verfolgt die Bundesregierung ein wichtiges Ziel: den Schutz der Gesundheit von Handwerkern, die bei Sanierungen von älteren Gebäuden Asbest entsorgen müssen. Trotz des im Oktober 1993 in Kraft getretenen nationalen Asbestverbots verzeichnen die Unfallversicherungsträger weiterhin hohe Zahlen asbestbedingter Berufskrankheiten und asbestbedingter Todesfälle. In den letzten zehn Jahren gab es mehr als 30 000 Anerkennungen und über 16 000 Todesfälle, heißt es in der jüngst von der Bundesregierung beschlossenen neuen Gefahrstoffverordnung, die allerdings noch den Bundesrat passieren muss.
Dachdecker in der Pflicht bei Asbest-Erkundung
Die entscheidende Frage ist jedoch, wer bei einem vor 1993 erbauten Haus vor der Sanierung prüfen muss, ob hier asbesthaltige Materialien in Fassade oder Dach verbaut wurden. Eines der zentralen Ergebnisse des Nationales Asbestdialoges war, dass hier künftig die Bringschuld beim Auftraggeber, also dem Eigentümer liegen sollte. Das heißt: Im Zweifel hätte der Auftraggeber selbst eine Asbest-Beprobung veranlassen müssen, um für Sicherheit zu sorgen. In den beiden Paragrafen 5 und 6 der neuen Gefahrstoffverordnung wird genau das wieder zurückgenommen. Der Auftraggeber braucht nur noch die Informationen zu Fassade oder Dach zur Verfügung stellen, die ihm vorliegen. Ansonsten ist der Handwerker, meist Dachdecker oder Zimmerer, verantwortlich für die Asbest-Erkundung.
Politik schiebt Dachdeckern den schwarzen Peter zu
Die Bundesregierung lässt damit die Dachdeckerbetriebe im Regen stehen. Sicher spielt dabei die bei nicht einmal 0,8 Prozent stagnierende Sanierungsquote eine Rolle. Die Bauherren sollen nicht weiter mit Regularien und Verantwortlichkeiten belastet werden in der Hoffnung, dass so wieder mehr saniert wird. Den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter von verarbeitenden Betrieben schiebt die Politik damit komplett den Handwerkern zu.
Empörung bei den Bauverbänden
Die Empörung ist groß. „Das Handwerk kritisiert, dass die Erkundungspflicht für Veranlasser von Bau- und Sanierungsvorhaben gestrichen wurde. Aus unserer Sicht ist es für die ausführenden Gewerke unabdingbar, dass der Veranlasser einer Baumaßnahme vor deren Beginn erkundet, ob und welche Gefahrstoffe bei Ausführung der Arbeiten zu erwarten sind. Die jetzige Regelung ist praxisfern und nicht umsetzbar“, erklärt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.
„Absage an Dialog mit den Sozialpartnern“
Noch schärfer formuliert es Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe: „Der Entwurf lässt die Handwerksunternehmen und ihre Beschäftigten allein im Umgang mit Asbest und anderen Gefahrstoffen. Er ist eine komplette Absage an das, was wir in 15 Jahren gemeinsamen Asbestdialog erarbeitet haben, aber auch eine Absage an den Dialog mit den Sozialpartnern.“ Hoffnung setzen die Bauverbände jetzt auf den Bundesrat, der dieser Gefahrstoffverordnung noch zustimmen muss.
Dachdecker muss im Zweifel Asbestbeprobung durchführen
Der entscheidende Passus in Paragraf 6 lautet: „Reichen die dem Arbeitgeber gemäß Paragraf 5a Absatz 1 vom Veranlasser (Auftraggeber, Anm. d. Red.) zur Verfügung gestellten Informationen für die Gefährdungsbeurteilung nicht aus, so hat der Arbeitgeber als besondere Leistung zu prüfen, ob Gefahrstoffe bei den Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen freigesetzt werden und zu einer Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten führen können.“ Das heißt nichts anderes, als dass der Dachdecker-Chef im Zweifel eine kostenpflichtige Asbestbeprobung in Auftrag geben muss. Und da stellt sich dann die Frage, ob der Auftraggeber das zu zahlen bereit ist. Womöglich geht der Auftrag für den Abbruch eines Dachs wegen der Mehrkosten sogar an einen unseriösen Anbieter, dem die Gesundheit seiner Mitarbeiter nicht so wichtig ist.
Die Katze beißt sich in den Schwanz
Und da beißt sich dann die Katze in den Schwanz. Denn seriöse Dachdeckerbetriebe sorgen sich ohnehin um Arbeitsschutz in Sachen Asbest mit Masken und Schutzanzügen. Sie übernehmen zudem die spätere Entsorgung der asbesthaltigen Materialien als gefährlicher Abfall, wo es in den letzten Jahren öfter zu Preiserhöhungen und Engpässen bei den Entsorgungsbetrieben kam, vor allem in Berlin und Brandenburg, aber auch in Nordrhein-Westfalen.
Bauherr sollte mit allen Pflichten als Abfallerzeuger gelten
Schon im Januar 2020 hatte deshalb die Geschäftsführerin der Dachdeckerlandesinnung Brandenburg, Anke Maske in DACH\LIVE folgendes gefordert: „Was wir jetzt noch brauchen, ist eine Änderung des Abfallkreislaufgesetzes. Dort muss eindeutig festgelegt werden, dass bei einem Abriss der Bauherr automatisch als Abfallerzeuger gilt mit allen Pflichten, gerade auch finanziell.“ Das Ziel ist klar: Die Dachdecker als ausführende Betriebe müssen raus aus jeglicher Haftung. Doch wie die neue Gefahrstoffverordnung zeigt, bleiben noch immer alle Pflichten in Sachen Gesundheit der Mitarbeiter bei den Dachdeckern, von der Asbest-Abfallentsorgung ganz zu schweigen.
Sie interessieren sich für das Thema Asbest? Dann lesen Sie unsere Story, wie Dachdecker Ihre Mitarbeiter in Sachen Asbestentsorgung schützen.