Fachkräfte sichern: freiwilliges Jahr im Handwerk
Bild von Dachdeckern auf dem Dach

Fachkräfte sichern: freiwilliges Jahr im Handwerk

16. August 2022

 · Knut Köstergarten

Im Handwerk fehlen die Fachkräfte – über alle Gewerke hinweg. Das gilt natürlich auch für die Dachdecker und Zimmerer. Dort sind die Auftragsbücher aktuell zumeist prall gefüllt. Aber die Energiewende ruft – immer mehr Dächer sollen in den nächsten Jahren energetisch saniert werden, hinzu kommt der riesige Boom bei Photovoltaik und der schwächere Boom bei Gründächern.

Bild von Dachdeckern auf dem Dach
Laut Zahlen der Soka-Dach von Ende 2021 sind schon jetzt knapp 10.000 gewerbliche Mitarbeiter in den Dachdeckerbetrieben zwischen 56 und 65 Jahre alt, Tendenz steigend.

Lesetipp: Das sagen die Leser von DACH\LIVE zum Fachkräftemangel bei Dachdeckern.  

Doch wer soll das alles umsetzen, wenn schon jetzt die Steigerung bei den Ausbildungszahlen nicht reicht, um die Abgänge älterer, erfahrener Gesellen zu kompensieren. Laut Zahlen der Soka-Dach von Ende 2021 sind schon jetzt knapp 10.000 gewerbliche Mitarbeiter in den Dachdeckerbetrieben zwischen 56 und 65 Jahre alt, Tendenz steigend. Und die meisten scheiden bis 2030 aus.

Fachkräftelücke wird immer größer

„Die Fachkräftelücke wird in den kommenden Jahren noch deutlich größer“, warnte jüngst in Bild Handwerksverband-Präsident Hans Peter Wollseifer (66). Deshalb fordern Politiker und Verbände ein freiwilliges Jahr im Handwerk zu ermöglichen, also das freiwillige soziale Jahr (FSJ) auszuweiten von den Tätigkeitsfeldern. Wie der Name sagt, konnten junge Frauen und Männer nach der Schule in verschiedene soziale Berufe hineinschnuppern. Das FSJ entstand in der Folge der Abschaffung von Wehr- und Zivildienst. Wir haben Pro und Contra für Sie in Sachen freiwilliges Jahr im Handwerk zusammengestellt.

Bild von  Hans Peter Wollseifer, Handwerksverband-Präsident
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer warnt vor einer größer werdenden Fachkräftelücke. (Foto: ZDH, Boris Trenkel)

Freiwilliges Jahr im Handwerk als Dienst an der Gesellschaft

Alexander Engelhard (49) ist CSU-Bundestagsabgeordneter und vom Hauptberuf her Müller. Sein Vorschlag: Direkt nach der Schulzeit könnte für alle ein freiwilliges Handwerker-Jahr beginnen. Wie? Es sollte ohne Zeitverlust an die Lehre angerechnet werden können. Engelhard sagte zu Bild: „Ein freiwilliges soziales Jahr unterstreicht die soziale und gesellschaftliche Bedeutung des Handwerks.“

Bild von Alexander Engelhard, CSU-Bundestagsabgeordneter
Alexander Engelhard: „Ohne genügend Handwerker sind die ambitionierten Ziele der Energie- und Verkehrswende zum Scheitern verurteilt.“ (Foto: Tobias Atzkern, coredia)

Engelhard sieht das freiwillige Jahr im Handwerk als einen Dienst an der Gesellschaft: „Der Beitrag zur Energiewende, Wohnungsbau und Lebensmittelversorgung ist immens. Denn ohne genügend Handwerker seien die ambitionierten Ziele der Energie- und Verkehrswende zum Scheitern verurteilt“, sagt er.

Coole Kampagnen fürs Handwerk die bessere Alternative

Ob das Thema freiwilliges Jahr tatsächlich über diesen Sommer hinaus Fahrt aufnehmen wird, bleibt ungewiss. Hochrangige Politiker haben sich hierzu bislang nicht geäußert. Die Debatte zeigt aber, wie dringlich das Thema Fachkräfte ist. Das sieht auch Dachdeckermeister Sascha Kloss vom Betrieb Philipp Haustechnik in Bielefeld so. Er spricht sich dennoch gegen das freiwillige Jahr im Handwerk aus. 

Bild von Sascha Kloss
Sascha Kloss (rechts) spricht sich statt des freiwilligen Handwerksjahres für öffentlichkeitswirksame Kampagnen aus. (Foto: GPP)

„Ich sehe darin keine Lösung. Denn bei freiwillig würde ich dann auch nur die erreichen, die sowieso Interesse am Handwerk haben. Und der Verwaltungsaufwand würde wahrscheinlich wieder Unsummen an Zeit und Geld kosten.“ Das sollte laut Kloss lieber in coole, öffentlichkeitswirksame Kampagnen gesteckt werden. „Hier würden dann auch wieder Eltern aufmerksam, welche ja ihre Kinder in der Zeit vor und nach dem Schulabschluss entsprechend lenken und beeinflussen.“ Kloss selbst ist sehr aktiv auf Instagram und hat sich auch als Mister Handwerk 2021 beworben, wo er es bis in den Kalender schaffte.

Chance für Jugendliche in Klimaberufe hineinzuschnuppern

Unterstützung für das freiwillige Jahr im Handwerk kommt von der Präsidentin der Berliner Handwerkskammer, Carola Zarth. Auch sie weist in Bild auf die Bedeutung des Handwerks für den Klimaschutz hin. Ein „freiwilliges Klimarettungsjahr“ im Handwerk sei eine „Chance, junge Menschen in die vielen Klimaberufe hineinschnuppern zu lassen“. Denn: „Im Grunde ist das Handwerk die größte Klimaschutzbewegung“, so Zarth. „Wer das Klima retten will, hat im Handwerk alle Möglichkeiten, die Klimawende selbst in die Hand zu nehmen.“

Bild von Präsidentin der Berliner Handwerkskammer, Carola Zarth
Ein „freiwilliges Klimarettungsjahr“ im Handwerk hält Carola Zarth für eine „Chance, junge Menschen in die vielen Klimaberufe hineinschnuppern zu lassen“. (Foto: Marie Staggat)

Freiwilligenjahr als Einstieg in Handwerksausbildung

„Wenn es gelingen würde, junge Menschen über ein solches Freiwilligenjahr für eine handwerkliche Ausbildung zu begeistern, wäre das ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung, die in unser aller Interesse liege“, so Wollseifer. „Denn nur mit qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern werden sich die Klima-, Energie- und Verkehrswende umsetzen lassen.“

„Gerade angesichts der Klimawende, die viele junge Menschen bewegt, ist zu überlegen, den Bundesfreiwilligendienst auf Gewerke des Handwerks auszuweiten, um so jungen Menschen Tätigkeitsfelder zu eröffnen zu den Themen, die sie bewegen. Das könnte dann in einer sich anschließenden Berufsausbildung münden“, so ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer zu Josef Forster von Bild. Der Bundesfreiwilligendienst nehme eine wichtige Rolle bei der Interessensfindung und beruflichen Weichenstellung junger Menschen ein. 

Sie interessieren sich für das Thema Fachkräftemangel. Dann lesen Sie unsere Story über einen Dachdecker, der neue Azubis über öffentliche Plakatwerbung gewinnt.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Marketing

Dachdecker: Fachkräfte über Plakatwerbung gewinnen

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Valentin Bremer gewinnt German Craft Skills 2024 der Dachdecker

Der Sieger der German Craft Skills 2024 Valentin Bremer kommt aus Hessen und hat von 200 möglichen Punkten 178,70 erreicht. Den zweiten Platz belegte John Seltmann aus Sachsen, Dritter wurde Linus Esseln, der Landessieger aus Rheinland-Pfalz. Bremer und Seltmann haben sich für die 30. IFD-Weltmeisterschaft junger DachdeckerInnen im Jahr 2026 qualifiziert. „Es ist immer wieder eine große Freude zu sehen, wie sehr sich junge Menschen für ihr Handwerk begeistern“, erklärte ZVDH-Vizepräsident Jan Voges, der als Zuschauer vor Ort war.

30. Oktober 2024

Georg Harrasser wird neuer Geschäftsführer bei Nelskamp

Georg Harrasser übernimmt ab November 2024 die Geschäftsführung der Dachziegelwerke Nelskamp. Der 58-jährige Maschinenbauingenieur ist ein alter Bekannter in der Bedachungsbranche. Nach mehr als 25 Jahren bei der BMI Group war Harrasser zuletzt als Präsident bei der Carlisle Construction Materials Europe tätig. Er folgt auf Heiner Nelskamp, der im Mai 2024 als Geschäftsführer in Rente gegangen ist. „Nelskamp ist ein bekannter Name und wird als ein führender Hersteller von Dacheindeckungsmaterial in Deutschland sehr geschätzt. Der Ausbau des deutschen sowie internationalen Geschäfts ist eine spannende Aufgabe, auf die ich mich sehr freue“, so Harrasser.

17. September 2024

A. Ewald Kreuzer wird Ehren-Landesinnungsmeister der bayerischen Dachdecker

Nach Abschluss der Neuwahlen der Vorstandschaft auf dem jüngsten Landesverbandstag der bayerischen Dachdecker stellte der neu gewählte Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf den Antrag, A. Ewald Kreuzer für seine herausragenden Verdienste während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit als Landesinnungsmeister zum Ehren-Landesinnungsmeister zu ernennen. Kunzendorf bekräftigte die Aussage von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, dass mit der Zeit von Kreuzer als Landesinnungsmeister eine „Ära“ zu Ende gehe und ergänzte, dass dieser Begriff selten treffender hätte sein können.

18. Juli 2024

ifo Institut erhöht Prognose auf 0,4 Prozent Wirtschaftswachstum für 2024

Das ifo Institut hat seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 0,4 Prozent heraufgesetzt, von 0,2 Prozent bislang. Im kommenden Jahr dürfte es sich beschleunigen auf 1,5 Prozent. „Es entsteht gerade neue Hoffnung“, sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. „Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich langsam aus der Krise. Das zweite Halbjahr 2024 dürfte deutlich besser ausfallen als das erste.“ Gleichzeitig wird die Inflation abflauen, von 5,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 2,2 Prozent in diesem und auf nur noch 1,7 Prozent im kommenden Jahr.  

20. Juni 2024

17 Prozent weniger Baugenehmigungen im April 2024 als im Vorjahr

Im April 2024 wurde in Deutschland der Bau von 17 600 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 17 Prozent oder 3600 Baugenehmigungen weniger als im April 2023. Im Vergleich zum April 2022 sank die Zahl der Baugenehmigungen sogar um 43,5 Prozent oder 13 500 Wohnungen. Von Januar bis April 2024 wurden 71 100 Wohnungen genehmigt. Das waren 21 Prozent oder 18 900 Wohnungen weniger als im Vorjahreszeitraum. „Deutschlands Wohnungsnot verschärft sich weiter. Was heute nicht genehmigt wird, können wir morgen nicht bauen und wird den Mieterinnen und Mietern am Markt fehlen“, erklärt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe.

18. Juni 2024

Bundesweite Zoll-Razzia gegen Ring von Dachdecker-Betrügern

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ist mit einer Großrazzia unter anderem im Raum Osnabrück und Leer gegen ein illegales Netzwerk sogenannter fliegender Dachdecker vorgegangen. Bei den Ermittlungen gegen Dachdecker-Betrüger geht es unter anderem um den Vorwurf Schwarzarbeit. Laut Staatsanwaltschaft Osnabrück vollstreckten in einer Razzia 590 Zollbeamte mehr als hundert Durchsuchungsbeschlüsse in Niedersachsen, Hamburg und Berlin. Außerdem unterstützten Spezialkräfte der Polizei die Durchsuchungen von Wohnungen und Gebäuden. Es wurden laut Staatsanwaltschaft Arrestbeschlüsse in Höhe von mehr als 800 000 Euro erwirkt. Es seien deshalb umfangreiche Vermögenswerte in bar sichergestellt worden.

4. Juni 2024

Auftragseingang im Bauhauptgewerbe steigt im Februar 2024 erstmals wieder an

Der reale, also preisbereinigte Auftragseingang im Bauhauptgewerbe ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Februar 2024 gegenüber Januar 2024 kalender- und saisonbereinigt um 1,8 Prozent gestiegen. Das gilt auch für die Umsätze, die sich sogar um 2 Prozent erhöhten. Der Auftragseingang nahm im Hochbau um 0,5 und im Tiefbau um 2,9 Prozent zu. Auch gegenüber dem Februar 2023 gibt es eine Steigerung um 0,9 Prozent.

25. April 2024

Positiver Trend im Dachdeckerhandwerk: Steigerung der Azubizahlen

Die aktuellen Zahlen zeigen einen erfreulichen Anstieg der Azubizahlen im Dachdeckerhandwerk. Derzeit erlernen 8490 junge Menschen diesen Beruf, was einem leichten Anstieg um 0,75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 8427 Auszubildenden entspricht. Rolf Fuhrmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH), betont die positive Entwicklung trotz der allgemeinen Ausbildungssituation und intensiver Konkurrenz mit anderen Berufen.

7. Februar 2024

Holzhandel erzielt im Jahr 2023 deutlich weniger Umsatz

Das schwierige wirtschaftliche Umfeld verbunden mit einer sehr schwachen Baukonjunktur sorgten beim deutschen Holzhandel 2023 insgesamt für einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Teilweise ist dieser Umsatzrückgang aber auch weiter nachgebenden Preisen geschuldet. Die Jahresauswertung des monatlichen GD Holz Betriebsvergleiches zeigt deutlich, dass die schwachen Absatzmärkte im vergangenen Jahr voll auf die Umsatzentwicklung der Branche durchgeschlagen haben. Alle wichtigen Sortimente im Holzhandel sind von diesem Umsatzrückgang betroffen, am stärksten Schnittholz mit einem Umsatzrückgang von 24 Prozent.

2. Februar 2024

ifo Institut: Rentenalter an steigende Lebenserwartung koppeln

Das ifo Institut Dresden hat sich dafür ausgesprochen, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Einige unserer Nachbarländer haben das bereits beschlossen, so die Niederlande, Schweden und Finnland“, sagt ifo-Rentenexperte Joachim Ragnitz. In den Niederlanden werde folgende Regel angewendet: Wenn die Menschen drei Jahre länger leben, müssen sie zwei Jahre länger arbeiten und bekommen ein Jahr länger Rente. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen würde damit auch nach dem Jahr 2040 stabil bei rund 40 Prozent liegen und nicht auf fast 50 Prozent steigen, wie derzeit prognostiziert. 

16. Januar 2024