Bild von Windsog im Institut für Ziegelforschung

Institut für Ziegelforschung: Die Zukunft der Dachziegel

4. März 2025

 · Harald Friedrich

Seit Jahrtausenden wird mit dem Ziegel gebaut. Er sorgt dafür, dass Gebäude in die Höhe wachsen und Dächer dicht sind. Und wenn auch morgen der Dachziegel nicht von gestern ist, könnte das mit ein Verdienst des Instituts für Ziegelforschung Essen (IZF) e. V. sein.

Hersteller fördern Materialentwicklung

Einen der ältesten Baustoffe der Welt zu erforschen – wer kommt auf eine solche Idee? Es waren Ziegelhersteller, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Essen vor Trümmern standen. Etwas aus Trümmern aufzubauen und eine Zukunft zu geben, war die Motivation dieser kleinen Gruppe von Herstellern, 1952 das Institut für Ziegelforschung ins Leben zu rufen. Heute gehören die namhaften Ziegel- und Dachziegelhersteller, aber auch Unternehmen im Bereich Anlagenbau, Ingenieurbüros und Hersteller von Maschinen und Komponenten für die Ziegelherstellung zu den Mitgliedern des gemeinnützigen Vereins, dessen Auftrag anwendungsbezogene Grundlagenforschung und Entwicklung heißt.

Bild vom Gebäude des Institut für Ziegelforschung
Das Institut für Ziegelforschung in Essen wurde 1952 von Herstellern gegründet. (Alle Fotos: IZF)

Innovationen entwickeln und praxistauglich machen

Wer sich nun vorstellt, das 20-köpfige Team des Instituts für Ziegelforschung, das sich zu etwa gleichen Teilen aus wissenschaftlichen Mitarbeitern und Technikern zusammensetzt, sei eine Gruppe von Archäologen, die einen Jahrtausende alten Baustoff immer wieder neu entdecken, liegt falsch. Dr.-Ing. Rigo Giese und sein Stellvertreter, Dipl.-Ing. Eckhard Rimpel klären auf: „Unser Alltag ist es, Fragestellungen unserer Mitglieder zu beantworten, Anregungen aufzunehmen, Innovationen zu entwickeln und in der Praxis umsetzbar zu machen.“ Ein weiterer wichtiger Bestandteil der IZF-Arbeit sind Forschungsaufträge im Bereich der Baustoffentwicklung und Baustoffoptimierung sowie des Anlagenbaus.

„Nicht selten kommt der Anstoß für ein neues Projekt von Mitgliedern und aus unserem Hause selbst“, erklärt Eckhart Rimpel. Die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit können auf bilateraler Basis genutzt werden, wenn der Auftrag von einem einzelnen Mitglied erfolgte, oder auch von der gesamten Branche aufgegriffen und in der Praxis angewandt werden.

Bild von Eckhard Rimpel vom Institut für Ziegelforschung
Eckhard Rimpel ist stellvertretender Institutsleiter.

Dachziegel für ein verbessertes Stadtklima

Rigo Giese zeigt das Leistungsspektrum seines Instituts an Beispielen auf: „Das kann unsere Unterstützung bei der Erschließung einer neuen Grube sein, die Entwicklung der optimalen Zusammensetzung der Rohstoffe, die Optimierung des Baumaterials Ziegel oder auch die technische Machbarkeit von Anwendungen zu prüfen und weiterzuentwickeln.“

Beispiele hierfür gibt es genug aus der über 70-jährigen Geschichte des Instituts für Ziegelforschung: Wie kann mit Ziegeln erdbebensicher gebaut werden? Wie kann der Feuerwiderstand von Ziegeln verbessert werden? Oder auch ein topaktuelles Thema: Wie können Dachziegel dazu beitragen, das Stadtklima zu verbessern?

Dachziegel sollen Sonnenstrahlen reflektieren

„In Zeiten fortschreitender Bodenversiegelung durch Bebauung und der Klimaerwärmung ist es wichtig, dass die Oberflächen der Gebäudehüllen die Sonneneinstrahlung zukünftig mehr reflektieren als bislang absorbieren“, erläutern die beiden Wissenschaftler das Ziel dieses Projekts aus dem Institut für Ziegelforschung. Das Thema heißt „Cool Roofs“, die etwa im heißen Kalifornien schon Standard sind. „Hierzu gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, die Oberflächen der Dachziegel durch Beschichtung zu verändern oder die Materialzusammensetzung ohne zusätzliche Prozessschritte zu optimieren.“

Sturmtauglichkeit: Dachziegel-Test am Dachabhebestand

Auch in einem anderen Bereich leisten die Ziegel-Wissenschaftler Grundlagenforschung. Die Klimaveränderung führt zur weltweiten Zunahme von Extremwetterlagen. So ist etwa auch eine Zunahme an Stürmen und deren Intensität seit Jahrzehnten zu verzeichnen. An einem Dachabhebestand prüft und bewertet das Institut für Ziegelforschung die Windsogsicherheit von Dachziegeln und deren Befestigung auf der Traglattung. Also eine wesentliche Grundlage für die Erstellung eines Wind-Atlas für Deutschland, aus dem sich im Fachregelwerk des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) die vorgeschriebene Windsogsicherung mit entsprechender Anzahl von Verankerungen ergibt. In dem Versuchsaufbau wurden nicht nur die unterschiedlichen Dachneigungen und Ziegel getestet, sondern auch der Einfluss beispielsweise von Wirbelschleppen in der Nähe von Flughäfen.

Bild vom Windsog im Institut für Ziegelforschung
An einem Dachabhebestand prüft und bewertet das Institut für Ziegelforschung die Windsogsicherheit von Dachziegeln und deren Befestigung auf der Traglattung.

Brennanlagen perspektivisch umstellen auf grünen Wasserstoff

Auch die Energiewende beschäftigt das Team von Rigo Giese und Eckhardt Rimpel zunehmend. Der Umstieg vom fossilen Energieträger Erdgas auf grünen Wasserstoff kann nur gelingen, wenn die Brennanlagen bei den Ziegelherstellern wasserstofftauglich sind oder durch die Entwicklungsarbeit des Instituts für Ziegelforschung wasserstofftauglich werden. Ob und wie realistisch dabei eine künftige Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff ist, muss auf politischer Ebene geklärt werden. „Wir schaffen lediglich die Grundlagen dafür, dass die technischen Möglichkeiten gegeben sind“, erläutert Rigo Giese.

Im Blick haben die „Ziegelforscher“, die beide aus der Anwendungstechnik kommen, dabei immer die praktische Umsetzbarkeit. „Kein Ziegelhersteller kann es sich leisten, mal eben schnell seinen Tunnelofen zu ersetzen, der nicht selten eine Laufzeit von einem halben Jahrhundert besitzt“, erläutert Rigo Giese, der seit vier Jahren im Institut für Ziegelforschung arbeitet und das Institut seit eineinhalb Jahren leitet.

Bild von Rigo Giese vom Institut für Ziegelforschung
Institutsleiter Rigo Giese erläutert Besuchern den Unterschied zwischen einer Erdgas- und Wasserstoffdüse am Versuchsofen.

Großprojekt: Elektrifizierung von Tunnelöfen

Um genau diese Tunnelöfen als Herzstücke der Ziegelproduktion geht es in einem der größten Projekte des IZF: Mit über 20 Partnern wird die mögliche Elektrifizierung von Tunnelöfen entwickelt. Ein Mammutprojekt – nicht nur wegen der Größe der Anlagen. Eckhart Rimpel, seit 38 Jahren am Institut für Ziegelforschung, erklärt dazu: „Es geht nicht nur um das technisch Machbare, sondern gerade auch darum, was finanziell und betriebswirtschaftlich für Anwender sinnvoll ist.“ Dabei spielt etwa die Frage eine wesentliche Rolle, wie bei den heute üblichen großen Querschnitten der Tunnelöfen eine Elektrifizierung überhaupt realisierbar ist und welchen Einfluss diese auf die Qualität und Farben der Ziegel und Dachziegel haben wird.

Wichtiges Thema: Ziegel-Recycling

Die Zukunft des Traditionsbaustoffs Ziegel entscheidet sich zudem an dessen Nachhaltigkeit. Dabei kann der Ziegel trotz seiner energieintensiven Herstellung mit hoher Recyclingfähigkeit punkten. Wer beim Ziegel-Recycling nur an die Verwendung der „ausgedienten“ Baustoffe als roter Tennisplatzbelag denkt, ist von gestern. „Aufgrund der hohen Sortenreinheit können Dachziegel zu einem zweiten oder dritten Leben als neue Ziegel wiedererweckt werden“, betonen die beiden Experten.

Bild von Ziegelofen im Institut für Ziegelforschung
Versuchsreihen im Tunnelofen mit Hintermauerziegeln.

Wirtschaftliche Lage und Politik sorgen für Skepsis

Also bestehen die besten Perspektiven für die künftige Ziegelforschung in Essen? Nicht ganz: „Aufgrund der wirtschaftlichen Lage in Deutschland und des Regierungswechsels stehen die Forschung und finanzielle Förderung für neue Projekte derzeit in den Sternen“, befürchten Rigo Giese und Eckhard Rimpel. Bleibt zu hoffen, dass sich die Politik daran erinnert, dass der Baustoff Ziegel und die Gebäude und Dächer, die damit errichtet werden, eine vielfach höhere Lebenserwartung als jeder Koalitionsvertrag haben.

Sie interessieren sich für Trends im Dachhandwerk? Dann lesen Sie unseren Gastbeitrag von Dachdeckermeister Michael Zimmermann über die Gründung der PV.Academy.

Artikel jetzt teilen!

Weitere Artikel

Aus der Praxis

Dachsanierung einer Stadtvilla an der Alster mit Schmuckgiebel

Newsletter-Anmeldung

DACH-Ticker

Zimmerer Linus Großhardt gewinnt EuroSkills

Linus Großhardt (21) aus Baden-Württemberg holt Gold im Wettbewerb der Zimmerer bei den EuroSkills vom 9. bis 13. September 2025 im dänischen Herning. Bei den WorldSkills 2024 in Lyon verpasste er noch knapp als Vierter das Podest, diesmal klappte es sogar mit dem Titel. Unser Portrait von Linus Großhardt finden Sie hier…

15. September 2025

ZDBF-Mitgliederversammlung: KI und Marktsituation im Fokus

Mit knapp 80 Teilnehmern aus Bedachungsfachhandel und Industrie war die Mitgliederversammlung des Zentralverbandes des Deutschen Bedachungsfachhandels (ZDBF) am Mittwoch in Hannover gut besucht. Ein wichtiger, positiver Fakt: Das Einkaufsvolumen der meldenden Fachhandelsunternehmen im Jahr 2024 mit bei einem Minus von 0,8 Prozent nahezu stabilisiert. Der ZDBF kündigte zudem an, Mitglied der Aktion Dach zu werden, um die notwendigen und für alle Marktbeteiligten wertvollen Aktivitäten zur Nachwuchsgewinnung zu unterstützen. Martin Langen von B+L Marktdaten informierte über Marktentwicklung in Neubau und Sanierung, den Schlussvortag unter dem Titel „Künstliche Intelligenz im Praxiseinsatz“ hielt Prof. Dr. Marco Barenkamp.

9. Mai 2025

Dirk Sindermann zum neuen ZVDH-Vizepräsidenten gewählt

Dachdeckermeister Dirk Sindermann ist auf dem jüngsten Dachdeckertag in Dresden in einer Kampfabstimmung gegen den bisherigen Amtsinhaber André Büschkes mit knapper Mehrheit zum neuen Vizepräsidenten des Zentralverbands des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) gewählt worden. „Ein zentrales Anliegen ist es für mich, das Dachdeckerhandwerk in der öffentlichen Wahrnehmung gemeinsam mit den Mitgliedern der Organisation zu stärken“, so Sindermann. „Ein Schwerpunkt liegt auf der Öffentlichkeitsarbeit, um die Bedeutung unseres Gewerks in der Gesellschaft sowie bei relevanten Akteuren weiter zu festigen.“

28. März 2025

Böcker eröffnet neue Niederlassung in Burghaslach bei Nürnberg

Kranhersteller Böcker verstärkt seine deutschlandweite Präsenz mit der neuen Niederlassung in Burghaslach bei Nürnberg und eröffnet diese feierlich mit einem 360 Grad Höhentag. Ein Jahr nach dem Spatenstich im konnte nun laut einer Pressemeldung das moderne Servicegebäude fertig gestellt werden. Damit ist Böcker deutschlandweit an sieben Standorten, einschließlich des Firmensitzes im westfälischen Werne, als Partner direkt vor Ort.

21. März 2025

Baugenehmigungen 2024 stark rückläufig

Im Jahr 2024 wurde in Deutschland der Bau von 215 900 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, waren das 16,8 Prozent oder 43 700 Wohnungen weniger als im Vorjahr. Damit sank die Zahl der Baugenehmigungen bereits im dritten Jahr in Folge. Weniger neue Wohnungen waren zuletzt im Jahr 2010 mit 187 600 Wohnungen genehmigt worden. In den Zahlen sind die Baugenehmigungen für Wohnungen sowohl in neuen als auch in bestehenden Gebäuden enthalten.

27. Februar 2025

Bauder eröffnet neues Werk in Landsberg

Ein bedeutender Meilenstein für die Paul Bauder GmbH & Co. KG: Mit der feierlichen Einweihung seines neuen Werks in Landsberg stärkt das Stuttgarter Familienunternehmen seine Produktionskapazitäten und setzt zugleich ein klares Signal für Wachstum und Innovation. Rund 12,5 Millionen Euro wurden laut einer Pressemeldung von Bauder in die neue Anlage investiert, die speziell für die Herstellung des Flüssigkunststoffs Liquitec konzipiert wurde und Raum für modernste Forschungs- und Entwicklungsarbeit umfasst. Dabei wurde ein ganzheitlicher Ansatz für eine bestmögliche Ökobilanz des Produktionsprozesses verfolgt.

31. Januar 2025

Baugenehmigungen 2024 weiterhin auf Talfahrt

Im November 2024 wurde in Deutschland der Bau von 17 900 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren das 13 Prozent oder 2700 Baugenehmigungen weniger als im November 2023. Im Zeitraum von Januar bis November 2024 wurden 193 700 Wohnungen genehmigt. Das waren 18,9 Prozent oder 45 200 weniger als im Vorjahreszeitraum. In diesen Ergebnissen sind sowohl Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Wohn- und Nichtwohngebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten.

17. Januar 2025

Valentin Bremer gewinnt German Craft Skills 2024 der Dachdecker

Der Sieger der German Craft Skills 2024 Valentin Bremer kommt aus Hessen und hat von 200 möglichen Punkten 178,70 erreicht. Den zweiten Platz belegte John Seltmann aus Sachsen, Dritter wurde Linus Esseln, der Landessieger aus Rheinland-Pfalz. Bremer und Seltmann haben sich für die 30. IFD-Weltmeisterschaft junger DachdeckerInnen im Jahr 2026 qualifiziert. „Es ist immer wieder eine große Freude zu sehen, wie sehr sich junge Menschen für ihr Handwerk begeistern“, erklärte ZVDH-Vizepräsident Jan Voges, der als Zuschauer vor Ort war.

30. Oktober 2024

Georg Harrasser wird neuer Geschäftsführer bei Nelskamp

Georg Harrasser übernimmt ab November 2024 die Geschäftsführung der Dachziegelwerke Nelskamp. Der 58-jährige Maschinenbauingenieur ist ein alter Bekannter in der Bedachungsbranche. Nach mehr als 25 Jahren bei der BMI Group war Harrasser zuletzt als Präsident bei der Carlisle Construction Materials Europe tätig. Er folgt auf Heiner Nelskamp, der im Mai 2024 als Geschäftsführer in Rente gegangen ist. „Nelskamp ist ein bekannter Name und wird als ein führender Hersteller von Dacheindeckungsmaterial in Deutschland sehr geschätzt. Der Ausbau des deutschen sowie internationalen Geschäfts ist eine spannende Aufgabe, auf die ich mich sehr freue“, so Harrasser.

17. September 2024

A. Ewald Kreuzer wird Ehren-Landesinnungsmeister der bayerischen Dachdecker

Nach Abschluss der Neuwahlen der Vorstandschaft auf dem jüngsten Landesverbandstag der bayerischen Dachdecker stellte der neu gewählte Landesinnungsmeister Mario Kunzendorf den Antrag, A. Ewald Kreuzer für seine herausragenden Verdienste während seiner knapp 20-jährigen Amtszeit als Landesinnungsmeister zum Ehren-Landesinnungsmeister zu ernennen. Kunzendorf bekräftigte die Aussage von ZVDH-Präsident Dirk Bollwerk, dass mit der Zeit von Kreuzer als Landesinnungsmeister eine „Ära“ zu Ende gehe und ergänzte, dass dieser Begriff selten treffender hätte sein können.

18. Juli 2024